Titel
Amerikanische
Kunst. Die ersten Regungen, einer der europäischen verwandten Kunstthätigteit zeigten sich in Amerika [* 3] bald nach der Eroberung durch die Spanier zunächst in der Baukunst. [* 4] Den im Barockstil errichteten Kirchenbauten ist eine kräftige Massenwirkung und Sinn für Größe und Raumbildung ebenso eigentümlich, als der überreiche Schmuck und die derbe Bildung im einzelnen. Nach dem festungsartig schweren Bau von San Francisco zu Tula (1540-61) entstand die Kuppelkirche zu Merida (1598 vollendet) und die gewaltige Kathedrale von Mexiko [* 5] (1573-1056), deren Haupttürme bis zu 60 m Höhe ansteigen.
Die stark barocke Parochialkirche zu Lagos, die 1649 geweihte Kathedrale zu Puebla und die Kirche zu Chihuahua (1789 vollendet) zeigen weitere Fortbildungen der span. Kunstweise. Doch tritt allmählich, besonders im 18. Jahrd., die überreiche Dekoration mehr zurück, während die großartige Raumentfaltung blieb. Beispiele hierfür bieten an Francisco und das Sagrario Metropolitano zu Mexiko sowie die Kathedrale zu Leon. Auch im Profanbau wurden stattliche Werke geschaffen: der Palacio Nacional aus dem J. 1692, mit über 200 m Frontlänge, das Ayuntamiento (1720-24) die Mineria (1797-1813) zu Mexiko sind Beweise von der formal zwar oft unsichern, aber großsinnigen Schaffensweise der dortigen Künstler. In Südamerika [* 6] sind die stattlichen Kirchen zu Cuzco (1537 begonnen), in Rio [* 7] de Janeiro, Bahia, [* 8] Buenos-Aires, Lima, [* 9] Santiago (dort namentlich die mächtige 1647-1748 errichtete Kathedrale) zu erwähnen. Die Baukunst jener Länder ist aber noch zu wenig bekannt, als daß ein klares Bild der Entwicklung gegeben werden könnte.
Die nach Nordamerika [* 10] verpflanzte Kunst, von England und den Niederlanden beeinflußt, strebte mehr praktischen als künstlerischen Zielen nach. Auch hier gingen die span. Katholiken mit ihrem Beispiel voraus. In den neumerik. Städten, wie z. B. Santa Fé, finden sich früher als in den prot. Landesteilen Bauten, die auf durchbildete Gestaltung Anspruch erheben. Der Süden folgt auch in der Folge mehr den Anregungen kath. Länder. Die 1792-94 errichtete Kathedrale von Neuorleans zeigt eine Mischung franz. Klassicismus mit got. Anklängen. Ihr gegenüber steht im Norden [* 11] die Christ-Church in Philadelphia [* 12] (1727 vollendet), welche sich an die Bauten des Christopher Wren in London [* 13] anlehnt und das State-House zu Boston [* 14] wie das White-House zu Washington, [* 15] beide mehr Zweck- als Schmuckbauten im Sinn des holländ. Schaffens.
Im 19. Jahrh. wirkten die verschiedenen Kunstschulen Europas, von dem Strom der Einwanderer getragen, auf Amerika. Die bescheidene Kunst der «old colonial-times» konnte diesen Einflüssen nicht ¶
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widerstehen. Zunächst war es der engl. Klassicismus, der in Amerika Boden faßte. Sein Hauptwerk ist das großartige Kapitol
zu Washington (1793 begonnen; s. Tafel: Amerikanische
Kunst I,
[* 16]
Fig. 7), mit seinen mächtigen korinth. Säulenhallen und der
bis zu 90 m aufsteigenden Kuppel, ferner das Patent-Office zu Washington, das Custom-House zu Boston und zu
Neuyork,
[* 17] die Münze zu Philadelphia und andere meist profane Bauwerke. Früh trat mit diesem Stil die ebenfalls von England
beeinflußte Romantische Baukunst in Wettbewerb, welche namentlich im Kirchenbau eine Reihe großer und künstlerisch bedeutender
Werke ins Leben rief.
Das anwachsende Bedürfnis in neu emporblühenden Großstädten gab dem künstlerischen Schaffen immer neue Aufgaben. Die 1858 begonnene St. Patricks-Kathedrale zu Neuyork zeigt im Stil der Hochgotik einen mächtigen, aber in den Formen etwas magern Bau. Die Trinity-Church, Thomas-Church und andere Neuyorker Bauten des engl. Architekten Upjohn gehören derselben Kunstweise an. Die räumlich minder bedeutende, aber künstlerisch höher stehende All-Saints Cathedral in Albany (s. Taf. 1, [* 16] Fig. [* 18] 1) zeigt dagegen schon das Zurückgreifen auf die Frühgotik und die roman. Stilarten, welche in der Folge der amerik.
Baukunst eigen blieb. Durchgebildete roman. Kunstweise zeigen die Holy Communion-Church in Philadelphia, die merkwürdige Centralanlage der Trinity-Church zu Boston und die New Old South-Church daselbst mit ihrem an ital. Vorbilder mahnenden Turm. [* 19] Im Profanbau haben die romantischen Stilweisen eine besondere Pflege gefunden. Das Parlamentshaus zu Ottawa (Canada), das State-Capitol zu Hartford (Connecticut), die Bibliotheken zu Burlington (Vermont) und Woburn (Massachusetts), das Alleghany-County Court-House zu Pittsburgh, das Art-Museum zu Cincinnati, die dem Palazzo ducale zu Venedig [* 20] nachgebildete Nationalakademie und das got. Naturhistorische Museum zu Neuyork, sowie zahlreiche andere Bauten zeugen vom Reichtum und vom Kunstsinn des Landes.
Minder glücklich erscheint Amerika in der Verwendung der Renaissance. Zwischen einer massigen und einer in den Einzelheiten zu schüchternen Formgebung schwankend, haben die Architekten nur selten das rechte Maß zu finden gewußt. Monumentale Anlagen, wie das State-Capitol zu Albany (Neuyork), erscheinen oft in der Gruppierung fast mittelalterlich schwer, andere, wie die New City-Hall zu Philadelphia, welche die in Amerika sehr beliebten Formen des Louvre aufnimmt, gehäuft und überladen; der riesige Turm dieses Bauwerkes ist der höchste der Welt.
Die Stadthallen, Bibliotheken, Bahnhöfe, [* 21] Museen, Theater [* 22] u. s. w., räumlich vielfach die größten der Welt, zeigen ebenso wie die Schlösser, Villen und Stadthäuser alle Stile Europas in oft rücksichtsloser Mischung, die zwar europ. Empfinden widerspricht, oft aber von einer wahrhaft fruchtbaren Unbefangenheit zeugt; in ihnen kommen der Wohlstand und die freien gesellschaftlichen Formen des Landes in anmutigster Weise künstlerisch zum Ausdruck. Das Berkshire Apartmenthouse zu Neuyork mit seinen 9 Stockwerken und ein Landhaus zu Neuport, Rhode-Island (s. Taf. I, [* 16] Fig. 3 u. 4), mögen als charakteristische Beispiele des Profanbaues aufgeführt werden. In den kleinern Werken wie in denen des Kunstgewerbes zeigt sich eine künstlerische Selbständigkeit und Feinheit der Empfindung, welche hoffen läßt, daß es Amerika gelingen werde, sich einst stilistisch, Europa [* 23] gegenüber, selbständig zu machen.
Die Bildnerei Amerikas, von der sich die ersten Spuren seit 1800 nachweisen lassen, begann eine höhere künstlerische Durchbildung erst in der Mitte des Jahrhunderts zu erlangen. Die beiden Meister H. Powers und H. Greenough, welche im Lande selbst die Anregung zu ihrer Kunst fanden, gingen früh nach Rom, [* 24] wo sie sich, gleich den zeitgenössischen engl. Bildhauern, eng an Canova und Thorwaldsen anschlossen. Mehr Eigenart wahrten sich Thomas Crawford (1814-57) und Erasmus Dow Palmer (geb. zu Pompey, Neuyork, 1817), welchen dafür ein gewisser Mangel an Schule anhaftete. Die jüngere Richtung, der sich auch Powers zugesellte, nahm die dem Renaissancegeschmack zuneigende Richtung der Italiener und Franzosen auf und steigerte sie bis zu einem scharf ausgeprägten Realismus. J. Ward, J. Boyle, John Donoghue (s. Taf. I, [* 16] Fig. 6), St. Gaudens (s. Taf. I, [* 16] Fig. 2) entwickelten in dieser Richtung eine Kunstweise, die trotz einzelner nationaler Züge, namentlich eines scharfen Erfassens individueller Eigentümlichkeiten im Porträt, doch die europ. Herkunft nicht verleugnet.
Ebensowenig ist dies bei den unter deutschem Einfluß gebildeten Künstlern, W. H. Rinehart, M. I. Ezekiel, E. Keyser u. a. der Fall, während W. W. Story (s. Taf. 1, [* 16] Fig. [* 18] 5), J. R. Rogers und L. Bebisso sich dem ital. Geschmacke nahe hielten. Im allgemeinen hat sich namentlich seit dem Bürgerkriege eine großartige Thätigkeit in Amerika entfaltet. Der Hoffnung aber, daß ein selbständiger Stil im Schaffen zu stande kommen werde, steht die Vorliebe der Amerikaner selbst für die Werke der Alten Welt gegenüber der einheimischen Kunst bisher hinderlich entgegen.
Reicher gestaltet sich die Geschichte der amerik. Malerei; anfangs von England beeinflußt, konnte sie schon zu Ende
des 18. Jahrh. zwei hervorragende Kräfte, B. West (s. Taf. 11,
[* 16]
Fig.
1) und John Singleton Copley, an das Mutterland abgeben, während ihr in J. Trumbull ein selbständiger,
im großen schaffender Künstler erhalten blieb, dem sich neben geringern Kräften G. C. Stuart als trefflicher Bildnismaler
anschloß. Doch blieb auch auf diesem Gebiet Amerika im wesentlichen der entlehnende Teil. Während es in der ersten Hälfte
des 19. Jahrh. England war, dessen Anregungen die Vereinigten Staaten
[* 25] beherrschten, trat seit 1841 durch
den Einfluß E. Leutzes (s. Taf. II,
[* 16]
Fig. 2) ein Umschwung zu Gunsten der
Düsseldorfer Schule ein. Amerikanische
Bierstadt vertritt diese noch in der Landschaftsmalerei. Im Laufe der sechziger und siebziger
Jahre fand dann die moderne Pariser Richtung allgemeinern Anklang.
Obgleich am die Society of American Artists gegründet, ferner Akademien nach europ. Muster (namentlich in Philadelphia)
eingerichtet wurden, blieb es doch die Regel, daß die amerik. Maler ihre Studien in Europa machten. Doch entfaltete sich die
Tiermalerei durch Beard, Peter Moran und Poore, die Landschaftsmalerei durch Thomas und Peter Moran (s. Taf.
II,
[* 16]
Fig. 3), die
[* 16]
Figurenmalerei durch J. G. Brown zu ansehnlicher Höhe; als Porträt-und Genremaler ist W. Chase (s. Taf.
II,
[* 16]
Fig. 5) hervorzuheben. Die neuesten amerik. Schöpfungen von F. Amerikanische
Bridgman (s. Taf. II,
[* 16]
Fig. 4), H. Mosler, Ch.
Sprague Pearce, E. Lord Weeks u. a. unterscheiden sich wenig von denen
der modernsten Pariser Kunst. Auch ließ man der Aquarellmalerei eine umfassende Pflege zu teil werden. Es fehlt aber auch
¶
0526a Amerikanische Völkertypen 1. Eskimofrau (Labrador). 2. Mexikaner (Küste). 3. Mexikaner (Hochland). 4. Mexikanerin (Yucatan). 5. Indianer (Ecuador). [* 27] 6. Indianer (Peru). 7. Ipurina (Brasilien). [* 28] 8. Sioux. 9. 10. Apachen (Vereinigte Staaten von Amerika). 11. Bellacoola oder Bilchula. 12. 13. Pueblo (Vereinigte Staaten von Amerika). 14. 15. Zapoteca (Mexiko). 16. Bororo. 17. Carajá. 18. Botokudin. 19. Umaua oder Omagua (Brasilien). 20. Araukanerin (Chile). [* 29] 21. 22. Feuerländerin mit Kind. 23. Patagonierin. ¶
mehr
hier die führende Persönlichkeit, welche der Amerikanische
Kunst die Richtung und das nationale Leben einzuhauchen vermocht hätte. Von
ganz besonderm Werte sind die amerik. Erzeugnisse der vervielfältigenden Künste, insbesondere des Holzschnittes, der zur
Zeit in Amerika wohl die höchste Entwicklung gefunden hat. Auch die Radierung ward viel und mit Geist geübt.
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Vgl. The Iconographic Encyclopædia of arts and sciences (Philad. 1887).