Ameisensäure
,
Formylsäure (Acidum formicum), CH2O2 oder H.COOH, ist in konzentrierter Form eine farblose, stark sauer riechende und brennend schmeckende Flüssigkeit, die, auf die Haut [* 2] gebracht, ätzend wirkt, unter 0° in Blättchen krystallisiert und bei 99° siedet. Ihr spec. Gewicht ist 1,23. Sie findet sich in den Ameisen (ist der wirksame Bestandteil des Ameisenspiritus) und in den mit Stacheln verbundenen Giftorganen anderer Insekten, [* 3] außerdem im Schweiß und andern Absonderungen des Tierkörpers.
Sie kommt ferner vielfach verbreitet im Pflanzenreich vor, so in den Brennesseln, in faulem Koniferenholze, sowie in den Tannennadeln, worin sie durch Oxydation des Terpentinöle entstanden ist. Sie bildet sich bei zahlreichen chem. Prozessen, so z. B. bei der Destillation [* 4] von Zucker, [* 5] Stärke, [* 6] Weinsäure mit Braunstein und Schwefelsäure; [* 7]
bei der Oxydation von Holzgeist in derselben Weise, wie Essigsäure aus dem gewöhnlichen Alkohol entsteht;
durch Kochen von Blausäure mit überschüssiger Natronlauge, wobei neben ameisensaurem Natron Ammoniak sich bildet;
durch direktes Zusammentreten von Kohlenoxydgas mit starken Basen in Gestalt ¶
0510a Amentaceen (Tafel) 1. Castanea vesca (Edelkastanie). 2. Quercus suber (Korkeiche). 3. Juglans regia (Walnußbaum). 4. Casuarina equisetifolia (Schachtelhalmartiger Streitkolbenbaum). ¶
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ihrer Salze; endlich beim Erhitzen eines Gemenges von Oxalsäure mit Glycerin, wobei zunächst der saure Monoxalsäureester
des Glycerins entsteht, der aber in der Wärme
[* 10] in Kohlensäure und Monoameisensäu
reester zerfällt. Der letztere wird durch
vorhandenes Wasser in Glycerin und freie, überdestillierende Ameisensäure
zersetzt. Das zurückgebildete Glycerin kann dann neue Mengen
Oxalsäure in der angegebenen Weise in Ameisensäure
umwandeln, der Vorgang also durch immer neuen Zusatz von Oxalsäure
zu einem kontinuierlichen gemacht werden.
Will man aus der überdestillierten wässerigen Lösung die reine, wasserfreie Säure gewinnen, so stellt man mit Hilfe von
Bleioxyd ihr Bleisalz dar und zersetzt dies in trocknem Zustande mit trocknem Schwefelwasserstoff. Durch
konzentrierte Schwefelsäure wird sie in Wasser und Koblenoxydgas gespalten. Die Salze der Ameisensäure
haben mit denen der Essigsäure
große Ähnlichkeit,
[* 11] unterscheiden sich aber von diesen dadurch, daß die ameisensauren Salze von Quecksilber, Silber und Gold
[* 12] leicht zu Metall reduziert werden, wobei die Ameisensäure
, wie durch Oxydationsmittel, in Kohlensäure verwandelt
wird. Die Ameisensäure
ist das erste Glied
[* 13] der sog. Fettsäuren, welche sich von ihr dadurch ableiten, daß das mit der COOH-Gruppe verbundene
Wasserstoffatom durch Alkylreste ersetzt wird. Auf die Ameisensäure
, H.COOH, folgt in dieser Reihe die Essigsäure, CH3.COOH, dann
die Propionsäure, CH3.CH2.COOH, u. s. w.