Ameisen.
Nach den Beobachtungen von Wasmann benehmen sich die zu den Staphiliniden gehörenden Käfer Atemeles emarginatus und Ameisen paradoxus in den Wohnungen der roten Ameisen (Myrmica scabrinodis, ruginodis und rugulosa), mit welchen sie zusammenleben, durchaus ameisenähnlich. Der Käfer betastet mit lebhaften Fühlerschlägen den Leib, dann den Kopf der Ameise und beleckt ihre Mundteile. Dann hebt die Ameise den Kopf und läßt aus den weit vorgestreckten Mundteilen einen aus ihrem Vormagen erbrochenen Honigtropfen treten.
Während der Käfer denselben gierig ableckt, streichelt er die Kopfseiten der Ameise mit raschen Bewegungen der Vorderfüße, wobei er seine Fühler ebenfalls rasch bewegt. Wunderbarerweise füttern sich die Atemeles gegenseitig in ganz gleicher Weise, ein Beweis, wie sehr die Käfer die Sitten der Ameise angenommen haben. Anderseits belecken die den Hinterleib der Käfer, der auf ihrem Rücken sitzt, und ziehen die gelben Haarbüschel an den Leibesseiten der Käfer durch den Mund.
Ganz ähnlich ist das Verhältnis von Lomechusa zu der größern Ameise Formica sanguinea, von welcher der Käfer aber abhängiger erscheint. Immerhin sind beide Käfer noch im stande, allein Nahrung zu sich zu nehmen und fressen auch manchmal gemeinschaftlich mit den Ameisen an Leichen und Puppen. Charakteristisch ist für die ganze Gruppe dieser echten Ameisengäste das Vorhandensein von Sekretionshaarbüscheln u. auch wahrscheinlich (wenigstens teilweise) von kolbigen Fühlern, die als Verkehrsorgane dienen. Die Larven der Käfer gehen bei den Ameisen meist zu Grunde, weil diese sie wie ihre eignen Larven umbetten, was die Käferlarven bei dem Mangel an einem festen Kokon nicht ertragen. Nur die von den Ameisen übersehenen Käferlarven gelangen zur Entwickelung. Zu der zweiten Kategorie von Ameisengästen, den indifferent geduldeten, gehört besonders die Käfergattung Dinarda. Sie fressen Ameisenleichen und auch Leichen andrer, von den Ameisen
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herbeigeschleppter Insekten sowie kokonlose Ameisenpuppen. Bisweilen stellen sich die Ameisen diesen Käfern feindlich gegenüber, welche sie aber durch den Geruch eines an der Hinterleibspitze ausgeschiedenen weißen Tröpfchens zu beruhigen wissen. Ähnlich verhalten sich andre Käfer aus den Gattungen Stenus, Thiasophila, Homalota und Hetaerius. Die Larven von Dinarda verhalten sich wie die Käfer, sind flink und ganz selbständig im Gegensatz zu den unbeholfenen ameisenähnlichen und von den Ameisen ganz abhängigen Larven von Lomechusa und Atemeles.
Beziehen die Ameisen ein neues Nest, so tragen sie letztere und wahrscheinlich auch die Käfer hinüber, während die Ameisengäste der zweiten Kategorie den Weg zur neuen Kolonie selbst suchen und auch finden. Neben der dritten Gruppe typischer Ameisenkäfer, zu denen besonders die Gattung Myrmedonia gehört, unterscheiden Wasmann und Forel noch zufällige Ameisengäste, die auch noch frei, außerhalb der Ameisenkolonien, leben und durchaus nicht von den Ameisen abhängen.
Sehr wichtig und interessant ist die von Wasmann beobachtete Thatsache, daß, während die Ameisen verschiedener Kolonien stets einander feindlich gesinnt sind, die Ameisengäste von den Ameisen verschiedener Kolonien und sogar verschiedener Arten freundlich behandelt werden, vorausgesetzt, daß im Naturzustand die betreffende Käferart bei den betreffenden verschiedenen Ameisenarten als Gast auftritt. Auch die Blattläuse sind den Ameisen gegenüber international.
Bezüglich der Ameisenähnlichkeit (Mimikry) mancher Ameisengäste, welche bei andern ganz fehlt, kommt Wasmann zu folgenden Resultaten: Zwischen den echten Ameisengästen und ihren gewöhnlichen, bez. ursprünglichen Wirtsameisen besteht meist in der Größe und Färbung, oft auch in der Gestalt, eine gewisse Ähnlichkeit. Am vollkommensten ist dieselbe nicht bei den höchsten Ameisengästen (Clavigeriden), sondern bei jenen, die durch zudringliches, ameisenähnliches Benehmen sich besonders auszeichnen (Lomechusa-Gruppe).
Zwischen den regelmäßigen Ameisenfeinden und deren gewöhnlichen, bez. ursprünglichen Wirtsameisen herrscht in Größe und Färbung, meist auch in der Gestalt eine mehr oder minder täuschende Ähnlichkeit; bei den häufigsten Arten ist diese Ähnlichkeit am vollkommensten. Lebt dieselbe Käferart bei mehreren, an Größe und Färbung bedeutend verschiedenen Ameisenarten, so stimmt sie mit jener überein, gegen die sie des Schutzes am meisten bedarf. Zwischen den indifferent geduldeten Ameisengästen und ihren Wirtsameisen findet sich gewöhnlich keine Ähnlichkeit, nur bei solchen, die häufig die mißtrauische Aufmerksamkeit der Ameisen erregen, tritt eine Ähnlichkeit in der Färbung auf. Die Larven von Atemeles und Lomechusa ahmen in Gestalt, Haltung und Benehmen die Ameisenlarven nach.
Schon von frühern Forschern ist festgestellt worden, daß die Amazonenameise (Polyergus) unfähig ist, selbst zu fressen; sie leckt wohl gelegentlich Wasser oder Honig, wenn sie zufällig mit dem Kopfe hineingerät, aber niemals sucht sie neben ihr liegende Nahrung auf und verhungert, wenn nicht ein Sklave kommt und sie füttert. Ihr Nahrungsbedürfnis treibt sie nicht zum Fressen an, sondern nur zur Anbettelung von andern Ameisen. Sie vermag die Beziehung, die zwischen dem Nahrungsbedürfnis und der Stillung desselben durch eigne Nahrungssuche und Nahrungsaufnahme obwaltet, nicht zu erkennen. Forel hatte bereits gezeigt, daß eine sehr kleine Ameise, Solenopsis fugax, in den Wandungen der Nester größerer Arten gräbt und deren Brut gelegentlich raubt und verzehrt. Die Existenz solcher zusammengesetzter Nester, in welchen thatsächlich zwei feindliche Arten hausen, ohne daß ein Zusammenwohnen in gleichen Räumen stattfindet, ist von Wasmann bestätigt worden.