Stadt in der preuß.
ProvinzSchleswig-Holstein,
[* 2] liegt am rechten hoch aufsteigenden
Ufer der
Elbe, mit der Ostseite
unmittelbar an die
Hamburger Vorstadt St.
Pauli stoßend, und bildet mit der angrenzenden Ortschaft
Ottensen einen besondern
Kreis.
[* 3] Die Stadt hat infolge des
Brandes von 1713 ein neues und ziemlich regelmäßiges Aussehen. Unter
den meist breiten
Straßen tritt die mit vier Lindenalleen besetzte Palmaille mit dem Standbild
Konrad v.
Blüchers (gest. 1845),
Oberpräsidenten von Altona, und einem Kriegerdenkmal hervor. Altona hat 3 luth.
Kirchen, darunter die 1742-43 neuerbaute
Haupt- oder Dreifaltigkeitskirche; außerdem bestehen 1 kath., 1 reform., 1 mennonit.
Kirche und 2
Synagogen (der deutschen und der portugiesischen
Gemeinde).
Andre nennenswerte Gebäude sind:
das
Rathaus, das Justizgebäude, das städtische
Krankenhaus,
[* 4] das gräflich Reventlowsche Armenstift, die durch ihre vortreffliche
Akustik berühmte Tonhalle etc. Die Zahl der Einwohner, welche 1835 nur 26,393 betrug, belief
sich 1880 mit Einschluß des
Militärs (Infanterieregiment Nr. 31) auf 91,047, darunter 2310 Katholiken
und 1929
Juden.
Die
IndustrieAltonas ist von Belang und arbeitet zum Teil für das
Ausland (besonders
Nordamerika).
[* 5] Es sind namentlich große
Baumwoll- und Wollmanufakturen, Dampfmühlen, außerdem die
Tabaks- und Seifenfabrikation hervorzuheben. Die
NäheHamburgs läßt
Altona an dessen Handelsthätigkeit und
Schiffahrt unmittelbar teilnehmen; die Altonaer Kaufleute benutzen
zu ihren Großgeschäften die
HamburgerBörse, so daß beide
Städte in kommerzieller Hinsicht nur einen Platz bilden. Altona verbleibt
auch mit
Hamburg
[* 6] noch bis 1888 in seiner Freihafenstellung.
gegen Katholiken, Mennoniten, Juden etc. rasch zunahm. Bereits 1604 wurde es zum Flecken erhoben. Seit 1640 unter dänischer
Botmäßigkeit, erhielt es 1664 Stadtgerechtsame nebst vielen Freiheiten. Im Januar 1713 ward von dem schwedischen General Steenbock
aus Rache für das von den Dänen eingeäscherte Stade fast ganz niedergebrannt. Jedoch im nordamerikanischen
und französischen Revolutionskrieg blühte Altona unter dem Schutz der dänischen Neutralität mächtig empor. Im J. 1869 fand
eine internationale Industrieausstellung in Altona statt, an der sich namentlich die französische Industrie lebhaft beteiligte.
[* 1] Stadt und Stadtkreis des preuß. Reg.-Bez. Schleswig,
[* 25] stößt im Osten an die Hamburger Vorstadt St. Pauli und
liegt 53° 32' 45'' nördl. Br. und 9° 50' 32'' östl. L. in 33 m Höhe am steil ansteigenden rechten Ufer der Elbe. Die mittlere
Jahrestemperatur beträgt +8,5° C., der Barometerstand 759 mm, die Höhe der atmosphärischen Niederschläge 637 mm.
Von dem Weichbilde (21,80 qkm) kommen auf die alte Stadt Altona 4,49 qkm (0,61 Gewässer), auf Ottensen 7,04, auf die Vororte Bahrenfeld
6,04, Othmarschen 3,59, Övelgönne 0,64 qkm. (S. den Plan: Hamburg-Altona.)
^[Abb.]
Bevölkerung.
[* 26] Die Bevölkerung betrug 1769: 18 055, 1840: 28 095, 1860: 45 524, 1864: 53 039, 1880: 91 049,
1885: 104 717, 1890: 143 249 E. (71 137 männl., 72 112 weibl.), davon kamen auf die alte Stadt 114 034,
auf die eingemeindeten Ortschaften Ottensen 25487, Bahrenfeld 2203, Othmarschen 937 und Övelgönne 588. In 7504 bewohnten
Gebäuden waren 30 603 Familienhaushaltungen, 2451 einzeln lebende selbständige Personen und 94 Anstalten.
Dem Religionsbekenntnis nach waren 135 399 Evangelische, 5161 Katholiken, 580 andere Christen und 2109 Israeliten. In Garnison
liegen das Infanterieregiment GrafBose Nr. 31 und die 4. Abteilung des Feldartillerieregiments Nr. 24.
Anlagen, Straßen, Plätze, Denkmäler. Altona hat breite, regelmäßige Straßen, unter denen die Palmaille
mit dem 1832 errichteten Standbild des langjährigen Gouverneurs von Altona, des dän. Oberpräsidenten
Grafen Konrad von Blücher (gest. 1845), und
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dem 1875 zum Andenken der Thaten des 9. Armeekorps im Kriege 1870-71 errichteten Denkmal (nach dem Entwurf von Luthmer-Berlin,
der krönende Adler
[* 28] von Howaldt-Braunschweig, die Kriegergruppe von H. Möller-Berlin modelliert) und die Marktstraße hervorragen;
am verkehrsreichsten sind die Königs- und die GroßeBergstraße. Öffentliche Plätze sind der Friedenseichen-, der Stuhlmannsplatz,
der Heiligengeistkirchhof und der Stadtpark an der Flottbecker Chaussee. Ein Denkmal zur Erinnerung an die 1870-71 Gefallenen
am Ostende
[* 29] der Marktstraße wurde enthüllt (Siegesgöttin, einen sterbenden Krieger mit dem Lorbeerkranz krönend,
von H. Möller). Ein einfaches Denkmal ist den im Seegefecht bei Helgoland
[* 30] 1864 gefallenen Österreichern errichtet.
Kirchen. Altona besitzt fünf evang.-luth. Kirchen, die Hauptkirche, 1742-43 erbaut, die got. St. Johanniskirche, 1868-73, und
die Friedenskirche 1894 von Otzen erbaut, die St. Petri- und die Christianskirche; eine reform.,
eine mennonitische und zwei kath. Kirchen, darunter die 1718 erbaute mit Ausgießung des HeiligenGeistes, angeblich von Murillo,
eine Baptistenkapelle und eine Synagoge der deutsch-israel. Gemeinde.
Weltliche Bauten. Das Rathaus, das städtische Gräflich Reventlowsche Armenstift, das Gebäude der Provinzialsteuerdirektion,
das neue Justizgebäude, das neue Stadttheater (von einer Aktiengesellschaft nach Plänen von Hansen und Merwein in Hamburg erbaut
und eröffnet), die wegen ihrer vortrefflichen Akustik berühmte Tonhalle, die vergrößerten
Elbquai- und Fischmarktanlagen, die neuen Bahnhöfe,
[* 31] die Gebäude der Eisenbahndirektion, des Elektricitätswerkes, der Hauptfeuerwehr,
Realschule, des Realgymnasiums, die bei Blankenese gelegenen Wasserwerte und das Armenhaus bei Ösdorf. -
Vgl. Hamburg und
seine Bauten, unter Berücksichtigung von und Wandsbeck.
Herausgegeben vom Architekten- und Ingenieurverein zu Hamburg (Hamb.
1890).
Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet von einem Oberbürgermeister (Dr. Giese, seit 1891, 17000 M.),
Bürgermeister (Rosenhagen, seit 1883, 12000 M.), 7 Senatoren (3 besoldet) und 35 Stadtverordneten. Die Feuerwehr besteht
aus je 1 Branddirektor, Brandinspektor und Brandmeister sowie 85 Feuerwehrleuten mit 3 Dampfspritzen und 18 Pferden und hat 31 Feuermeldestellen.
Die Beleuchtung
[* 32] und Wasserversorgung geschieht durch die städtischen Gas- undWasserwerke; elektrische Beleuchtung
ist 1893 eingeführt.
Finanzen. Der Haushaltplan 1895/96 schließt ab in Einnahme und Ausgabe mit 10 002 950 M., davon 1 844 900 Extraordinarium.
Die Schulden betrugen (Ende 1893/94) 18 379 301, das Vermögen 19 022 285 (Kapitalien 3 834 676, Immobilien 13 771 509,
Mobilien 1 406 099 M.), die Einnahme aus Kommunalsteuern ist für 1895/96 veranschlagt auf 3 526000 M. Für Unterrichtszwecke
werden 1 248 022, für Armenpflege 537000 M. aufgewendet.
Behörden. Altona ist Sitz der Provinzialsteuerdirektion, eines Landgerichts (Oberlandesgericht Kiel)
[* 33] mit einer
Kammer für Handelssachen und 26 Amtsgerichten (Ahrensburg, Altona, Bargteheide, Blankenese, Eddelak, Elmshorn,
Glückstadt, Itzehoe, Kellinghusen, Krempe, Lauenburg a. d. Elbe, Marne, Meldorf, Mölln, Oldesloe, Pinneberg, Rantzau, Ratzeburg,
Reinbek, Reinfeld, Schwarzenbek, Steinhorst,
Trittau, Ütersen, Wandsbeck, Wilster), eines Amtsgerichts, Hauptzollamtes, Zollamtes,
Steueramtes erster Klasse, königl. Kommerzkollegiums, einer evang.-luth. Propstei und königl. preuß.
Eisenbahndirektion, des Generalkommandos des 9. Armeekorps, der Kommandantur für die Altonaer und HamburgerTruppen sowie der Kommandos der 33. Infanterie-, 18. Kavallerie- und 9. Feldartilleriebrigade sowie zweier Bezirkskommandos.
Bildungs- und Vereinswesen. Königl. Gymnasium Christianeum, 1738 gegründet, städtisches Realgymnasium und Realschule, Realschule
im Stadtteil Ottensen, städtische und private höhere Mädchenschule, je zwei Knaben- und Mädchen-Mittelschulen und 23 Volksschulen,
eine Navigations-, eine Hufbeschlag-, eine Sonntagsschule (technische Vor- und Fortbildungsanstalt für angehende Künstler
und Handwerker). Ferner bestehen ein öffentliches kultur- und naturhistor.
Museum mit wertvoller Bibliothek (die 1823 durch Schumacher begründete Sternwarte ist im Juli 1874 nach Kiel verlegt): eine
Kunst- und Gewerbehalle, Volksbibliothek, Stadttheater, seit 1885 unter Direktion des Pächters Pollini-Hamburg,
mit 1080 Zuschauerplätzen und einer Spielzeit von September bis Mai, Tivolitheater mit 1350 Zuschauerplätzen (Schau- und
Lustspiel, Posse und Oper) und Volkstheater, ein ärztlicher Verein, zwei Freimaurerlogen (Karl zum Felsen und Stormaria).
Wohlthätigkeitsanstalten. Ein städtisches und ein israel. Krankenhaus, Entbindungsanstalt, Armenhaus, Siechenhaus, Irrenpflegeanstalt,
Gräflich Reventlowsches Armenstift, Diakonissenanstalt mit zwei Filialen (Krippe und Augustastift),
Baursches Rettungshaus für verwahrloste Knaben, drei Baursche Warteschulen, Helenenstift (Pflegerinnenhaus des Vaterländischen
Frauenvereins), zwei Kinderhospitäler, Volksküchen, Lejastift und zahlreiche Stiftungen mit teilweise großem Vermögen.
Handel. Altona, früher die bedeutendste Handelsstadt Schleswig-Holsteins, verdankte sein Aufblühen den von
den dän. Königen verliehenen umfangreichen Zollprivilegien, nach deren Aufhebung 1853 Handel und Verkehr erheblich zurückgingen.
Jetzt hängt es kommerziell ganz von Hamburg ab, dessen Handelseinrichtungen, z. B. die Börse, auch von den Altonaer Kaufleuten
benutzt werden, während in den vortrefflichen Elbspeichern große Warenvorräte Hamburger Großhändler
lagern. Durch die Verbindung mit Hamburg und Wandsbeck zu einem außerhalb des Zollvereins liegenden Freihandelsgebiet ist
Altona mit diesen Städten zu einem den gleichen Lebensbedingungen unterworfenen wirtschaftlichen Verband
[* 37] verwachsen. Durch den
Anschluß an den Deutschen Zollverein ist ein vollständiger Umbau
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der Hafen- und Quaianlagen notwendig geworden, zu dessen Ausführung die Staatsregierung 6½ Mill. M. gewährt hat. Es betrug 1894 die
Zahl der besteuerten Gewerbtreibenden 4143 (167 936 M. Gewerbesteuer), der Kunst- und Buchhandlungen 16. Dem Schiffbau dienen
zwei Schiffswerften mit einem Schwimmdock. Der Handel erstreckt sich auf: Getreide, Baumwolle, Kaffee, Kakao,
Farbhölzer, Tabak, Zucker, Petroleum, Reis, Matten, Salpeter, Palmkerne, Sesam u. a. Die Einfuhr seewärts betrug 1893: 292 320 t
im Werte von 27 493 624 M., die Ausfuhr 64 998 t im Werte von 10 850 445 M. Den Bank- und Geldverkehr vermitteln die Reichsbanknebenstelle,
Filiale der Hamburger Vereinsbank, Unterstützungsinstitut mit Sparkasse (verwaltetes Kapital 1889: 79 Mill.
M.), Altonaer Bank, Kreditverein (4460 Mitglieder, Umsatz 1889: 204 Mill. M.), Anglo-DeutscheBank, Kreditverein Ottensen, Spar-
und Vorschußkasse Ottensen, Spar- und Kreditbank, städtische Spar- und Leihkasse und mehrere Privatgeschäfte. Es bestehen
Konsulate für die Argentinische Republik,
[* 39] Mecklenburg-Schwerin, Niederlande,
[* 40] Peru,
[* 41] Portugal,
[* 42] Schweden-Norwegen und Uruguay.
[* 43]
Verkehrswesen. Der Eisenbahnverkehr wird vermittelt durch die Linien Harburg-Hamburg-Altona (17,80 km), Altona-Neumünster-Kiel (106
Km), Altona-Wedel (19 km), die Güterbahn Altona-Dampfschiffquai der Preuß. Staatsbahnen
[* 44] und die Privatbahn Altona-Kaltenkirchen (37
km), wofür die Bahnhöfe bestehen: Hauptbahnhof, Holstenstraße, Bahrenfeld, Othmarschen, Kaltenkirchener Bahnhof (s.
Hamburg-Altonaer Verbindungsbahn). Die Pferdebahngesellschaften Hainburg-Altona, Straßen-Eisenbahngesellschaft in Hamburg und Hamburg-Altonaer
Trambahn-Gesellschaft beförderten 1893: 18 839 204 Personen.
Ferner bestehen die Omnibuslinien Altona-Blankenese und Altona-Barmstedt sowie 102 Droschken. Im Postverkehr, dem zwei Postämter erster
Klasse mit Telegraphenamt, ein Postamt dritter Klasse und vier Postzweigstellen dienen, wurden 1893 befördert: 7 477 700 eingelaufene, 9 460 750 abgegangene
Briefe;
26 210 853 M. in eingegangenen, 15 034 449 M. in abgegangenen Postanweisungen, 75 450 aufgegebene
und 105 203 eingelaufene Depeschen.
Die Fernsprecheinrichtung wird benutzt von 1121 Teilnehmern. 1893 kamen 896 Seeschiffe
mit 281829 t an, 893 mit 281235 t gingen ab. Dampfschifflinien zur Personenbeförderung bestehen zwischen Hamburg, Altona, Harburg,
Neuhof, Stade, Brunsbüttel und Blankenese.
Unter den größern Vergnügungsorten sind zu erwähnen das Konzerthaus Flora mit einem 6000 Personen fassenden Konzertgarten,
sowie die an der Elbe belegenen Elbschlucht und Neu-Rainville.
Geschichte. Der Name Altona soll dadurch entstanden sein, daß ein 1536 am Hamburg-holstein. Grenzbache im 13. und 14. Jahrh. Herwardeshude,
später Pepermölenbek genannt) von einem ManneNamens Joachim von Lohn erbautes Krughaus den Hamburgern
«allzu nahe» an ihrer Grenze lag. Dies war das erste Haus von Altona, das
seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrh., namentlich durch den Zuzug niederländ.
und anderer Religionsflüchtlinge sich zu einer rasch aufblühenden Ortschaft entwickelte, 1640 mit der Herrschaft
Pinneberg an das dän. Königshaus (Holstein-Glückstadt) kam und von König
Friedrich III. städtische Rechte erhielt.
König Christian V. und sein Mitregent in Schleswig-Holstein, HerzogChristianAlbrecht von Gottorp, schlossen hier 1689 den sog.
Altonaer Vergleich, wodurch der letztere in alle seine Besitzungen und Rechte wieder eingesetzt wurde.
Im Nordischen Krieg hatte Altona viel zu leiden; es wurde 8. und zum größten Teil niedergebrannt. Doch erholte sich
die Stadt rasch wieder, bis die franz. Kontinentalsperre und die engl.
Elbeblockade dem HandelA.s wieder empfindlich schadeten.
Die Energie des Oberpräsidenten Blücher wendete 1814 die Gefahr, von den Franzosen verbrannt zu werden,
von Altona ab. Vom bis hatten die beiden Civilkommissare des DeutschenBundes für Holstein und Lauenburg
in Altona ihren Sitz, das 1866 mit beiden Herzogtümern Schleswig und Holstein endgültig an Preußen
[* 45] kam. Vom 27. Aug. bis zum fand
in Altona eine Internationale Industrieausstellung, sowie vom 18. Aug. bis zum eine InternationaleAusstellung von Kraft-
und Arbeitsmaschinen statt. Am erfolgte, zugleich mit HamburgsA.s Anschluß an den Zollverein, und am wurde
die Nachbarstadt Ottensen, am die Landgemeinden Bahrenfeld, Othmarschen und Övelgönne der
Stadt Altona eingemeindet. Das WappenA.s zeigt ein Thor mit drei spitzen Türmen an einem vorbeifließenden Strome. -