[* 4] (Altgriechenland,
[* 5] hierzu die Karte »Altgriechenland«, mit Register), die europäische Halbinsel, welche
im N., wo sie mit dem Festland zusammenhängt, von Makedonien und Illyrien, im O. und SO. vom Ägeischen und Myrtoischen, im
W. und SW. vom IonischenMeer umgeben ist, und deren größte Länge von N. nach S., von der makedonischen
Grenze bis zum Tänarischen Vorgebirge (KapMatapan), 415 km beträgt, während die Breite
[* 6] zwischen 237 u. 111 km wechselt, ja
beim KorinthischenIsthmus auf 6 km herabsinkt.
Der Flächenraum der Halbinsel umfaßt nach der alten Begrenzung etwa 88,000 qkm (1600 QM.). Eine genaue Zahl
läßt sich nicht angeben, da die nördlichen Grenzen
[* 7] von Epirus zu unbestimmt sind, dasselbe sogar den
meisten Griechen für halb barbarisch und darum als nicht zu Hellas gehörig galt. Das Ganze zerfiel in drei Hauptteile: das
nördliche Griechenland oder Epirus und Thessalien, welche die kompakteste MasseLandes bilden, während die beiden andern Teile durch
Golfe und weit vorspringende Landspitzen vielfach gespalten sind;
Mittelgriechenland, nach römischem Sprachgebrauch vorzugsweise
Hellas genannt, und der Peloponnes, die südliche Halbinsel, die nur durch den schmalen KorinthischenIsthmus mit Mittelgriechenland
zusammenhängt.
Dazu kommen zahlreiche größere und kleinere Inseln, welche Griechenland auf allen Seiten umgeben, deren größere
Menge jedoch im Ägeischen Meer zerstreut liegt. Die Griechen selbst nannten sich Hellenen und ihr Land
Hellas, ursprünglich der Name einer später verschollenen Stadt und ihres Gebiets im südlichen Thessalien, später mehr eine
ethnographische als eine geographische Bezeichnung für alle Länder griechischer Zunge in Griechenland selbst, Italien,
[* 8] Asien
[* 9] und Afrika,
[* 10] Die Benennung Graekoi (Graeci), welche die Römer
[* 11] für dieses Volk in Unteritalien vorfanden und annahmen,
und woraus das heutige »Griechen« entstanden, ist wahrscheinlich die illyrische
Bezeichnung für die Hellenen.
Griechenland zeigt die größte Entwickelung und Gliederung von Land und Meer; es übertrifft darin ebensosehr
alle andern großen HalbinselnEuropas wie dieses die andern Kontinente. Diese Auflösung des Festlandes und gegenseitige Durchdringung
von Land und Meer nimmt mit wachsender südlicher Breite zu und ist auf der Ostküste ausgeprägter als
im W. Diese schon von Eratosthenes gerühmte Vielgestaltigkeit Griechenlands kehrt in den Richtungen der Gebirge wieder.
Während in Kleinasien und Spanien
[* 12] die ostwestliche, in Italien die nordsüdliche die ausschließlich herrschende ist, laufen
hier die Kalkgebirge Illyriens von NW. nach SO., die Pindoskette von N. nach S., der Hämos, der Othrys,
die Gebirge Mittelgriechenlands und Achaias von O. nach W. Ganz Epirus und Illyrien ist vorherrschend ein Bergland von geringer
durchschnittlicher Erhebung und mit kleinen, vorgelagerten Küstenebenen. Seine größte Höhe erreicht es mit 3050 m im
Skardos (ScharDagh). Gegen S. schließt sich mittels des
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Boion die Pindoskette (zwischen 39 und 40° nördl. Br.) an, heute ohne gemeinsamen Namen, wesentlich aus Kalk bestehend, von
rauher Natur, im heutigen Tsurnata und Budzikaki bis 2168 und 2160 m ansteigend. Epirus wird von einer Anzahl dem Boion und
Pindos parallel streichender Ketten durchzogen, deren höchste das Keraunische Gebirge unmittelbar am Adriatischen
Meer (bis 2045 m) ist, welches in das durch gefährliche Klippen
[* 15] und Stürme berüchtigte Vorgebirge Akrokeraunion (jetzt Kap Linguetta)
ausläuft.
Eine ganz andre Form haben wir östlich vom Pindossystem: vulkanische Erscheinungen, Schiefer, Granit und Gneis. Dort liegen dem
Pindos parallel die höchsten Erhebungen der ganzen Halbinsel, aber in kleine Gruppen zusammengedrängt und
von tiefen Einsenkungen und Spalten unterbrochen. Zuerst der Olympos (jetzt Elymbos, 2985 m hoch), schon bei Homer der heilige
und unnahbare Sitz der Götter, oben mit Schnee
[* 16] bedeckt, auf welchen weiter unten Tannen- und Laubwälder folgen.
Gegen N. trennt ihn ein nur 1560 m ansteigender Sattel, in der alten Kriegsgeschichte als Paß
[* 17] von Petra
bekannt, vom Pieros (jetzt Flamburo, 1878 m), welcher durch die niedrigen, in ihren Pässen nur 820 m hohen Kambunischen Berge
mit dem Pindos zusammenhängt. Es ergibt sich daraus, daß weder in Epirus noch in Thessalien von einer natürlichen gebirgigen
Nordgrenze Griechenlands die Rede sein kann. Vielmehr ist das nördliche Thessalien von N. her so zugänglich,
daß hier in Urzeiten nicht nur die Hellenen selbst eingewandert sind, sondern auch später Perser, Makedonier, Gallier, Römer
etc. eindrangen, während das Land westlich vom Pindos von diesen Völkerstürmen unberührt blieb und bis heute seine alte
illyrische Bevölkerung
[* 18] (die heutigen Albanesen) bewahrt hat.
Gegen S. trennt den Olympos vom Bergkegel des Ossa (heute Kissovo, 1953 m) das tief eingeschnittene, durch seine großartige
Naturschönheit berühmte Thal
[* 19] Tempe. Südlich vom Ossa erhebt sich der 1620 m hohe, waldreiche Pelion (heute Plessidi). Südwestlich
von ihm steigt der Othrys (jetzt ohne Gesamtnamen) im heutigen Hierakovuni bis 1728 m an und bildet die
Wasserscheide zwischen den Stromgebieten des Peneios und Spercheios. So ist das vom Peneios durchströmte Thessalien ein rings
von Bergen
[* 20] umschlossenes Thalbecken, welches durch eine von SW. nach NO. ziehende Kette wieder in zwei getrennte Kessel zerfällt:
einen obern, wo Pharsalos und Trikka lagen, und einen untern, wo Larissa die größte Stadt war.
Die GebirgeEuböas und der Kykladen, wie Andros, Tenos, Mykonos, sind als Fortsetzung der Olymposerhebung anzusehen. An den Pindos
schließt sich gegen S. ein sehr rauhes und wildes Bergland, das von den Dolopern, Ätoliern und Ötäern
bewohnt war. Dort steigt in zwei Absätzen der Tymphrestos (Veluchi) bis 2319 m empor, ferner die Ötäischen Berge, zu denen
der Pyra (heute Katavothra, 2152 m) gehört, die Stätte, wo sich Herakles
[* 21] der Sage nach verbrannte, dann der ätolische Korax
(Vardusia, 2495 m) und eine große Zahl von Gipfeln, deren alte Namen uns nicht überliefert sind.
Westlich davon liegen die fast selbständigen Gruppen des Arakynthos (Zygos, 955 m), welcher das ätolische Seebecken von der
Küstenebene trennt, und jenseit des Acheloos die Berge des nördlichen Akarnanien (bis 1490 m hoch). Die Fortsetzung des Öta
bilden gegen W. der Kallidromos (Saromata, 1370 m), dessen nördlicher Abfall mit dem Malischen Meerbusen
den berühmten Engpaß der Thermopylen gebildet hat
(jetzt durch die Anschwemmungen des Spercheios verschwunden), und der Knemis
(Spartia, 930 m), welche beiden Gebirge mit dem Parnassos und Helikon die zwischen Phokis und Böotien geteilte Ebene des Kephisos
einschließen.
Der Parnassos (jetzt Liakura) steigt im Lykorea (noch heute Lykeri) bis 2450 m, der Musenberg. Helikon (Paläo-Vuno)
bis 1749 m an. Eine tiefe Einsenkung trennt letztern vom westöstlich ziehenden Kithäron (Elateas, 1410 m) und seiner Fortsetzung,
dem einst wildreichen Parnes (Ozea, 1413 m), mit welchem der marmorberühmte Brilessos oder Pentelikos (Mendeli, 1110 m) nur
schwachen Zusammenhang hat. Ganz abgesondert davon erhebt sich südwestlich von Athen
[* 22] der kräuter- und honigreiche Hymettos
(Trelovuno, 1027 m), das Lauriongebirge (357 m) an der Südspitze Attikas, welche in das VorgebirgeSunion (KapKolonnäs) ausläuft,
wie auch die Geranischen Berge (Makryplagi, 1370 m) auf der politischen Grenze zwischen Megara und Korinth,
[* 23] zwischen Mittelgriechenland und dem Peloponnes. Letztere treten so nahe an den Saronischen Meerbusen (Golf von Ägina) heran,
daß sie nur für einen schmalen Saumpfad, die Skironischen Felsen (Kakiskala), Raum lassen, den erst Hadrian durch mächtige,
jetzt wieder zerfallene Unterbauten verbreiterte. Gegen S. folgt die tiefe Senkung des Isthmus vonKorinth,
in der Mitte 70 m hoch, 6 km breit, über welchen auf einer breiten Fahrbahn (Diolkos) Waren und selbst kleinere Schiffe
[* 24] gezogen
wurden. - Den Peloponnes durchziehen drei parallele Gebirgsketten ungefähr von N. nach S., nördlich davon eine in ostwestlicher
Richtung.
Die Mitte der Halbinsel nimmt das HochlandArkadien ein, abgeschlossen in sich und gegen außen, die natürliche
Festung
[* 25] des Peloponnes. Am meisten ragen seine Grenzgebirge im N. auf, wo der Kyllene (Zyria) 2374 m Hohe erreicht. An ihn schließen
sich, durch Einschnitte voneinander getrennt, westlich das Aroanische Gebirge (Chelmos, 2355 m) und der Erymanthos (Olonos, 2224 m);
gegen O. die Berge von Sikyon, Korinth (Akrokorinthos, 575 m hoch, Griechenlands stärkste Festung) und der
Argolischen Halbinsel, wie der Arachnäos (Hag Ilias, 1199 m), der Koryphäos (671 m), der Thornax (340 m) u. a. Dem Erymanthos
ist nördlich der Panachaikos (Voidia, 1927 m) vorgelagert.
Die östliche KetteArkadiens ist weniger hoch (12-1600 m), mit niedrigen Pässen, weshalb hier der Verkehr
stärker war und ist als im N. In der südlichen Fortsetzung dieser Kette liegt der Parnon (Malevo, 1957 m), dessen Namen man
verallgemeinernd meist auf die ganze Kette überträgt. Gegen W., wo die gesamten Gewässer des Landes, zum Alpheios vereinigt,
in einem leicht passierbaren Thal durchbrechen, ist Arkadien am leichtesten zugänglich. Dort schließen
sich an den Erymanthos im S. das Pholoegebirge, das sich plateauartig nach Elis hineinzieht, und jenseit des Alpheiosthals
die Grenzgebirge zwischen Elis, Arkadien und Messenien: Minthe (Alvena, 1222 m), Kotylios (1346 m), Lykäos (Diaphorti, 1420 m)
etc. Das so umschlossene Arkadien ist aber keineswegs eine zusammenhängende Hochebene, sondern abwechselndBerg- und Thalland;
Die Flüsse
[* 27] Griechenlands können wegen seiner eigentümlichen Bodengestaltung nur von geringer Bedeutung sein.
Die meisten haben nur einen kurzen Lauf und starken Fall und sind daher auch nicht schiffbar; viele vertrocknen
im Sommer und erscheinen nur im Winter als reißende Gießbäche. So im Altertum wie noch heute. Nur in seinem Oberlauf gehört
der epirotische Aoos (heute Viosa oder Vovusa) an; gerade entgegengesetzt strömt der Arachthos (Arta), nahe dem
vorigen entspringend und in den Ambrakischen Meerbusen mündend.
Zwischen beiden münden der Thyamis (Kalamas) und der Acheron (heute Phanariotikos). Vom Pindos kommt der bedeutendste FlußGriechenlands, der Acheloos (heute dem Megdova und dem Unterlauf des Aspropotamo entsprechend), mit seinem Nebenfluß Inachos
(dem Oberlauf des Aspropotamo), beide in der Geschichte wenig bedeutend, ebenso wie der etwas östlicher
fließende Euenos (Phidari) in Ätolien. Auf der Ostseite des Pindos hat der Peneios (jetzt Selamvria) seinen Ursprung. Er durchströmt
im Bogen
[* 28] Thessalien, bis er sich durch das Tempethal in das Ägeische Meer ergießt.
Unter seinen zahlreichen Nebenflüssen sind der Enipeus (Tsanarli) und der Europos (Xeragi) die bedeutendsten.
Vom Thymphrestos fließt nach O. der Spercheios dem Malischen Meerbusen zu. Der Hauptfluß Böotiens, der Kephisos (Mavronero),
hat seine Quellen am Öta und Parnassos, durchfließt den Sumpfsee Kopais (Topolias), der im Sommer fast ganz trocken lag und
reiche Ernten trug, und ergießt sich nach zweistündigem unterirdischen Lauf in das Euböische Meer.
Nicht weit von seinen Quellen befinden sich auch die des Eurotas (jetzt Iri), des Hauptflusses von Lakonien.
Sein größter Zufluß, der Önos, mündet etwas oberhalb Sparta. Der Hauptfluß Messeniens ist der wasserreiche und breite
Pamisos (jetzt Mavrozumena oder Pirnatza), der in den MessenischenGolf ausmündet. Der Nordrand des Peloponnes ist von einer
Menge kleiner Küstenflüsse bewässert, die im Sommer meist versiegen. Ein Nebenfluß des Krathis (Akrata)
ist der Styx (jetzt Mavronero), der bei Nonakris von einer hohen Felswand des Akroanischen Gebirges herabstürzt, und dessen
Wasser für tödlich galt. Unweit davon liegt im nördlichen Arkadien das Thal von Stymphalos, in welchem sich im Winter ein
See zu bilden pflegte, an den die Mythe die stymphalischen Vögel
[* 29] (s. d.) versetzt. Der Lernäische Sumpf,
wo Herakles die Hyder erlegte, befand sich südlich von Agos am Meeresufer. Die LandschaftArgolis ist überhaupt wasserarm;
von den Gebirgs- und Waldbächen der Gegend ist der bekannteste der Inachos (Panitsa) bei der Stadt Argos.
[Küstengliederung.]
Im O.
Griechenlands breitet sich das große Wasserbecken des Ägeischen Meers (Archipelagos) aus, dessen
Gestade, Halbinseln und Inseln fast insgesamt im Altertum von Griechen besetzt waren, wie sie es teilweise heute noch sind. Nur
an seiner Nordküste und im äußersten Südosten saßen nichtgriechische Völkerschaften, dort Thraker, hier Karer. Es
ist recht eigentlich ein griechisches Meer; es trennt nicht die Stammesgenossen hüben und drüben, sondern vereint sie vielmehr
und leitete einst naturgemäß die Hellenen an die Westküste Kleinasiens.
Denn nirgends gibt es einen Punkt auf diesem Meer, wo man das Land ganz aus den Augen verlöre; stets lockte eine neue
Insel, ein neues Vorgebirge zu weiterm Vordringen. Einzelne Teile desselben trugen besondere Namen, wie der Pagasäische Meerbusen
(Golf von Volos), den die Sage zum Ausgangspunkt des Argonautenzugs macht, zwischen der HalbinselMagnesia und dem Festland von
Thessalien;
der Malische Busen (Golf von Zituni), welcher den Sperchios aufnimmt;
der Euripos, des vorigen schmälste und darum überbrückte
Stelle bei der Stadt Chalkis, Aulis gegenüber, von wo Homer die Griechen ihren Zug
gegen Troja
[* 30] antreten läßt.
Der Teil des Ägeischen Meers unmittelbar nördlich von der größten aller griechischen Inseln, Kreta,
trägt von derselben den Namen. Nördlich davon liegen die beiden großen Inselgruppen des Ägeischen Meers, deren eine die
Alten Kykladen (s. d.), weil sie nach ihrer Ansicht im Kreis
[* 31] um die InselDelos herumliegen, die andre aber Sporaden (s. d.) nannten,
welche letztern man zu Asien rechnet. Auf der Südseite des Peloponnes befinden sich zwei große Meerbusen,
der Lakonische und der Messenische. Zu ersterm gelangt man von O. her um das gefährliche VorgebirgeMalea. An guten Häfen ist
die Südseite Lakoniens und Messeniens arm; auch Inseln finden sich an ihr wenige.