(Altersversorgung), derjenige Zweig der Lebensversicherung (s. d.), bei welchem der Versicherte gegen
in seinen jüngern Jahren gezahlte Prämien nach Eintritt in ein bestimmtes Lebensalter ein Kapital oder eine
von da ab bis zu seinem Tod laufende Rente (Altersrente) erhält. Der eigentliche Zweck der Altersversicherung, die Versorgung für den Fall
der verminderten Erwerbsfähigkeit oder der vollständigen Erwerbsunfähigkeit, wird freilich durch die Altersversicherung nicht
genügend erreicht, da die Invalidität nicht bei jeder Person im gleichen von vornherein bestimmten Alter
eintritt, daher wenigstens bei solchen Personen, die auf Erwerb durch Arbeit angewiesen sind, die Invalidenversicherung (s. d.)
ergänzend eintreten muß. Die Altersversicherung kann von Lebensversicherungsgesellschaften oder auch von besondern
hierfür (meist für Arbeiter) eingerichteten Anstalten übernommen werden. Frankreich hat Staatsanstalten für Altersversicherung, für welche
jedoch ein Beitrittszwang nicht besteht.
Vgl. Kretschmann, Die Altersversorgung der Arbeiter in Deutschland (Leipz. 1882).
Das ungewisse Ereignis, von dessen Eintritt oder Nichteintritt bei jeder Versicherung (s. Versicherungswesen)
die Erfüllung des Vertrags abhängig sein muß, ist bei der Lebensversicherung der Tod des Menschen oder das Erleben eines bestimmten Alters.
Man spricht auch wohl von der Lebensversicherung im weitern Sinn bei denjenigen Versicherungsarten, bei welchen diese
Ungewißheit der individuellen
Lebensdauer neben einem oder mehreren andern ungewissen Ereignissen mit in Frage kommt, wie
bei der Invalidenpension, der Witwenversorgung; ja, man dehnt wohl gar, ohne zureichende Gründe, den Begriff der auf alle Versicherungen
aus, welche die Integrität der menschlichen Gesundheit zum Gegenstand der Spekulation genommen haben, wie Krankenkassen (s. d.)
u. a. -
Von der eigentlichen Lebensversicherung hat man zwei Arten zu unterscheiden:
1) die Versicherung auf den Todesfall, 2) die Versicherung auf den Erlebensfall. Beide können entweder Kapitalversicherungen
oder Rentenversicherungen sein, je nachdem die Auszahlung eines Kapitals oder einer Leibrente geleistet
werden soll. Näheres über Rentenversicherung s. d. -
Bei der Kapitalversicherung auf den Todesfall kommt die Versicherungssumme nach dem Tode der betreffenden Person zur Auszahlung,
bei der Versicherung auf den Erlebensfall (Aussteuerversicherung), wenn der Versicherte nach Ablauf einer bestimmten Zeit noch
lebt. Kapitalversicherungen auf den Todesfall, welche nur auf ein Jahr oder auf eine bestimmte Reihe von
Jahren so abgeschlossen werden, daß die Versicherungssumme nur dann zahlbar wird, wenn der Tod innerhalb der Versicherungszeit
erfolgt, nennt man kurze Versicherungen.
Sie werden wenig benutzt, während die sogen. gemischten Kapitalversicherungen oder abgekürzten Lebensversicherungen, bei
welchen die Versicherungssumme entweder nach Zurücklegung eines bestimmten Alters fällig wird oder durch
den Tod, wenn der Versicherte vor der Erreichung dieses Alters stirbt, in neuerer Zeit mehr Anklang gefunden haben, weil damit
oft der Zweck von Altersversorgungen oder Aussteuerbeschaffung verbunden wird. Auch auf zwei Personen zugleich kann sich die
Kapitalversicherung erstrecken und zwar derart, daß ausbedungen wird, die Versicherungssumme fällig
werden zu lassen entweder für die Eventualität, daß eine bestimmte Person eine bestimmte andre überlebt (Überlebungsversicherung),
oder für den Todesfall der zuerst von zwei Versicherten sterbenden Person (Versicherung verbundener Leben, verbundene Überlebensversicherung).
Die Kombinationen, welche über die Gewährung der Prämien und der Versicherungssumme durch die Police
vereinbart werden können, sind sehr zahlreich, wie auch die Zwecke, die durch die Versicherung erfüllt werden sollen, sehr
mannigfaltig sein können; doch bleibt die einfache Versicherung auf Lebenszeit mit fortlaufenden Prämien die vorherrschende.
Die Leistung, welche den Versicherungsgesellschaften für die Kapitalversicherung zu gewähren ist, die Prämie, pflegt
in pränumerando zu machenden Jahreszahlungen ausbedungen zu werden, für deren Entrichtung indes halb- oder vierteljährliche,
auch monatliche Raten unter entsprechender Verzinsung der gestundeten Beträge zugestanden werden; es kann aber auch die Prämienzahlung
durch eine beschränkte Anzahl entsprechend höherer Prämien oder eine einmal zu leistende Summe abgelöst werden, so daß
damit die Versicherung eine für die Folge beitragsfreie wird. Oft wird bei der Lebensversicherung gegen Zahlung einer Zusatzprämie
ausbedungen, daß am Ende der Versicherung die Prämien (natürlich ohne Zinsen) zurückgewährt werden (Gegenversicherung).
Weiteres über Prämie s. unter Versicherungswesen.
Das Lebensversicherungsgeschäft wird nicht von einzelnen Unternehmern, sondern nur von Gesellschaften, von Gegenseitigkeits-
und Aktienanstalten, betrieben. Die erstern verteilen die erzielten
mehr
Überschüsse (Dividenden) bei rationeller Geschäftsführung nicht sofort nach Feststellung der Rechnungsabschlüsse, sondern
behalten dieselben mehrere Jahre zurück als Sicherheitsfonds, welcher dann, ebenso wie die Garantie- oder Sicherheitsfonds
der Aktiengesellschaften, zu eventueller Deckung unvorhergesehener Verluste durch eine die Berechnung übersteigende Sterblichkeit
etc. bereit liegt. Die großen deutschen Gegenseitigkeitsanstalten verteilen die Dividenden erst nach
Ablauf von vier oder fünf Jahren und zwar meistens durch ratierliche Anrechnung auf die Prämien.
Man unterscheidet demgemäß Brutto- und Nettoprämie. Letztere ist gleich dem Unterschied zwischen der Bruttoprämie und der
auf dieselbe entfallenden Dividende. In neuerer Zeit ist von einigen Anstalten die Verwendung der Dividenden zu einer
allmählich wachsenden, die Prämien allmählich verringernden, bei guten Resultaten dieselben schließlich völlig ausgleichenden
Vergütung eingeführt worden, so daß dabei die Prämien im umgekehrten Verhältnis zu dem mit der Versicherung verbundenen,
in der Regel wachsenden Risiko sich verringern. In England werden die Dividenden häufig für die Interessenten wie Sparkassengelder
angesammelt, um dann neben der Versicherungssumme als sogen. Bonus ausbezahlt zu werden.
Meistens werden Dividenden nur so lange gewährt, als die Versicherung in Kraft ist; einzelne Anstalten geben aber für jede
Prämie, welche ihnen bezahlt wurde, also auch über den Tod und das Erlöschen der Versicherung bei Lebzeiten hinaus, die entsprechende
Dividende. Neuerdings haben auch je mehr und mehr Aktiengesellschaften, welche man deshalb wohl »gemischte«
zu nennen pflegt, die Einrichtung getroffen, daß sie neben Versicherungen zu fester Prämie auch solche abschließen, denen
sie von den Überschüssen einen Anteil vergüten.
In den Geschäftsresultaten der Lebensversicherungsgesellschaften zeigt sich eine viel größere Gleichmäßigkeit als
in denjenigen fast aller andern Versicherungsinstitute, weshalb das Gegenseitigkeitsprinzip sich besonders
bei der Lebensversicherung bewährt hat, so daß die alten großen deutschen Anstalten dieser Art eine ziemlich konstante
hohe Dividende verteilen, während freilich der Mangel an einem genügenden Gründungskapital, an Erfahrungen und hinreichendem
Versicherungsbestand einige junge Gesellschaften zur Einforderung von Nachschüssen genötigt hat.
Der Grund für jene Gleichmäßigkeit der Geschäftsergebnisse liegt darin, daß man in dem Absterben einer großen Anzahl von
Menschen, in den Zahlenverhältnissen sowohl der innerhalb der einzelnen Zeitabschnitte, z. B.
Jahre, Sterbenden zu den Überlebenden als auch der in den einzelnen Altersjahren Sterbenden zu den Gleichalterigen eine
gewisse relativ große Stetigkeit beobachtet, dieselbe in den sogen. Sterblichkeits- (Mortalitäts-) Tafeln
statistisch festgestellt und die mittlere Lebensdauer der Menschen sowie die wahrscheinliche Lebensdauer von Personen eines bestimmten
Alters zu berechnen gelernt hat, womit für die Berechnung der Lebensversicherungsprämien eine weit festere, wissenschaftlichere
Grundlage als für die andrer Versicherungsprämien gegeben ist.
Schon zu Ausgang des 17. Jahrh. wurden von einzelnen Gelehrten, zuerst von Halley nach den Totenlisten der
Stadt Breslau 1693, Sterblichkeitstafeln berechnet; bei der Ungenauigkeit der Beobachtungen, welche diesen Tafeln zu Grunde
liegen, können die letztere indes auf Zuverlässigkeit keinen besondern Anspruch erheben. In der Folge wurde eine große
Anzahl von Tafeln veröffentlicht und darunter in
neuerer Zeit auch solche, zu denen die Erfahrungen einzelner
Lebensversicherungsanstalten selbst benutzt worden waren.
Diese letztern Tafeln sind natürlich für Lebensversicherungszwecke die geeignetsten. Die bekannteste derselben ist die
sogen. Tafel der 17 englischen Gesellschaften, welche aus den Beobachtungen von 17 englischen Lebensversicherungsgesellschaften
durch hervorragende Techniker berechnet ist und darum im Ruf ganz besonderer Zuverlässigkeit steht. Ihrer
bedienen sich gegenwärtig wohl die meisten deutschen Gesellschaften. Neuerdings haben sowohl die Gothaer Lebensversicherungsbank
für Deutschland als auch der Verein deutscher Lebensversicherungsanstalten nach den Erfahrungen der betreffenden Gesellschaften
Sterblichkeitstafeln aufstellen und veröffentlichen lassen.
Schon die oberflächliche Betrachtung der Mortalitätstafel zeigt, daß von einer Anzahl gleichalteriger
Personen im Durchschnitt während eines gewissen Zeitraums, also z. B. während eines Jahrs, um so mehr sterben, je älter diese
Personen sind. Nach der Tafel der 17 englischen Gesellschaften sterben von 1000 vierzigjährigen Personen während des ersten
Jahrs 14, von 1000 fünfzigjährigen 16, von 1000 sechzigjährigen 33, von 1000 achtzigjährigen 140. Würden
die Gesellschaften von jedem Versicherten in jedem Jahr denjenigen Beitrag fordern, welcher genau der Sterblichkeitsgefahr
entspricht, welcher derselbe in dem betreffenden Jahr unterliegt, so würde jeder Versicherte eine von Jahr zu Jahr steigende
Prämie zu entrichten haben.
Die Lebensversicherungsgesellschaften haben bis auf eine einzige, die Hannöversche, welche jedoch auch
ihrerseits wieder davon zurückgekommen ist, dieses für den Versicherten meist lästige System der immer steigenden Prämie
nicht angenommen; sie erheben vielmehr an Stelle dieser steigenden Prämie eine Durchschnittsprämie, welche in gleicher Höhe
(und zwar in der Regel während der ganzen Versicherungsdauer) fortgezahlt wird. Bei dem System der gleichbleibenden
Durchschnittsprämie zahlt der Versicherte in den ersten Jahren seiner Versicherung mehr und in den spätern weniger, als er
nach dem System der steigenden Prämie zu zahlen haben würde.
Aus den Mehrzahlungen der ersten Jahre, welche die Gesellschaft ansammelt, wird unter Hinzufügung der Zinsen und Zinseszinsen
der sogen. Prämienreservefonds (oder kurzweg Reservefonds) gebildet. Tritt dann mit der Zeit der Versicherte
in das Lebensalter, für welches die Sterblichkeitsgefahr so groß ist, daß sie durch die Durchschnittsprämie nicht mehr
gedeckt wird, so muß zur Ausgleichung des Fehlenden diese Prämienreserve in Anspruch genommen werden.
Der Prämienreservefonds dient nicht, wie der Sicherheits- oder Garantiefonds der Versicherungsgesellschaft,
oder wie die Reservefonds bei Bank- und Kreditinstituten, als Schutzmittel gegen außergewöhnliche Schäden, sondern vielmehr
dazu, der Gesellschaft die Erfüllung von Verbindlichkeiten zu ermöglichen, welche infolge des wachsenden Alters ihrer Versicherten
und der dadurch bedingten größern Anzahl von Sterbefällen mit Notwendigkeit (wenn auch erst nach einer
Reihe von Jahren) an sie herantreten müssen. So ist also auch die erforderliche Höhe des Prämienreservefonds wissenschaftlich
zu berechnen, wofür die erste Methode der Schotte Price aufstellte. Natürlich muß Gleichmäßigkeit in den Sterblichkeitsverhältnissen
der Lebensversicherungsgesellschaften im allgemeinen um so sicherer zu erwarten sein, je größer die Anzahl der in
Betracht kommenden Personen, der Versicherten, ist.
mehr
Stand der deutschen Lebensversicherungsanstalten Ende 1886.
Gesellschaftsname
Versichert
Aktienkapital Tausende Mark
Gesamtaktiva:
Überschuß:
Dividende
Verwaltungskosten
Gründung
Personen (*Policen)
Millionen Mark
nominell
eingezahlt
Millionen Mark
Tausende Mark
der Versicherten: Proz. der
Prämie
der Aktionäre: Proz. der Einzahlung
Proz. der Jahreseinnahme
Proz. des Versicherungsbestandes
1. Gothaer
1827
68172
510,3
gegenseitig
gegenseitig
135,5
5913
43,0
-
4,92
2,29
2. Lübecker
1828
34918
134,6
1530
153
33,0
355
?
58,3
11,66
4,86
3. Leipziger
1830
37493
242,0
gegenseitig
gegenseitig
58,4
2674
43,0
-
7,82
3,53
4. Hannöversche
1830
15441
42,4
gegenseitig
gegenseitig
5,6
162
18,0
-
23,15
8,57
5. Berlinische
1836
21124
114,4
3000
600
37,2
834
32,0
29,4
10,75
5,50
6. Münchener
1836
8116
31,6
Fonds der Hyp-B.
Fonds der Hyp-B.
7,6
250
-
-
8,80
6,16
7. Braunschweigische
1842
1394
2,7
gegenseitig
gegenseitig
1,7
13
20,0
-
8,83
5,58
8. Frankfurt a. M.
1844
11896
47,6
5143
514
12,2
165
13,0
17,5
10,18
4,79
9. Janus (Hamburg)
1847
20191
61,7
1500
150
18,5
203
20,0
38,5
11,20
5,87
10. Teutonia (Leipzig)
1852
*37097
85,5
1800
450
14,6
209
?
10
15,32
6,05
11. Concordia (Köln)
1853
26283
162,5
30000
6000
55,2
1104
25,0
16,2
9,20
4,44
12. Mecklenburgische (Schwerin)
1853
6192
25,2
300
300
26,1
120
35,3
7
19,85
7,43
13. Iduna (Halle)
1854
*24772
60,5
gegenseitig
gegenseitig
17,1
485
24,0
-
14,47
6,85
14. Lebensversicherungs- u. Ersparnisbank (Stuttgart).
1854
42162
249,0
gegenseitig
gegenseitig
60,4
2847
35,0
-
5,49
2,43
15. Darmstädter
1855
3280
8,1
Fonds d. Renten-A.
Fonds d. Renten-A.
7,4
24
15,0
-
10,57
4,84
16. Magdeburger
1856
*43379
87,2
6000
1200
17,5
253
19,0
7
15,53
6,36
17. Thuringia (Erfurt)
1856
*21863
65,5
9000
1800
15,9
372
?
33,5
15,08
6,94
18. Germania (Stettin)
1857
*104642
300,1
9000
1800
78,3
1896
21,0
15
12,39
6,36
19. Providentia (Frankf. a. M.)
1857
10164
45,8
17143
1714
14,4
125
24,7
24,5
12,37
5,17
20. Viktoria (Berlin)
1861
*21470
91,2
6000
1200
23,2
668
?
25
15,92
7,89
21. Rentenanstalt in Stuttgart
1861
*11187
30,7
gegenseitig
gegenseitig
55,9
256
25,0
-
8,13
3,10
22. Karlsruher
1864
*47985
195,2
gegenseitig
gegenseitig
51,3
1408
?
-
7,32
2,72
23. Preußische (Berlin)
1865
*18608
54,2
3000
600
9,6
161
33,0
12,5
19,82
7,36
24. Friedrich Wilhelm (Berlin)
1866
*16662
43,1
3000
759
9,3
72
16,0
6
17,92
6,92
25. Nordstern (Berlin)
1867
*15479
57,1
3750
750
13,6
352
18,0
15,3
15,23
6,67
26. Bremer
1867
*10914
21,9
gegenseitig
gegenseitig
3,9
95
15,0
-
22,40
8,76
27. Potsdamer
1868
*23998
48,2
600
120
8,4
51
4,0
5
21,24
7,63
28. Prometheus (Berlin)
1872
*1591
3,2
508
268
1,1
2
-
6
19,50
8,86
29. Armee und Marine (Berlin)
1872
*12878
16,4
3000
3000
12,2
161
-
-
8,18
4,88
30. Vaterländische (Elberfeld)
1872
*5656
31,2
9000
1800
6,8
75
?
3
18,86
8,76
31. Schlesische (Breslau)
1872
*6097
18,9
3000
600
3,5
26
16,0
-
27,46
12,72
32. Vesta (Posen)
1873
*5077
10,0
590
250
0,9
10
-
5
40,78
14,90
33. Magdeburger Allgemeine
1873
*9722
39,5
3000
3000
12,2
157
16,0
8,3
15,13
6,57
34. Preußischer Beamtenverein (Hannover)
1875
*9629
36,2
gegenseitig
gegenseitig
8,3
380
?
-
4,23
1,61
Summa:
755532
2973,6
119863
27029
837,1
21877
13,97
10,75
4,86
Stand der Lebensversicherungsgesellschaften in Österreich-Ungarn 1886.