Altersschwäche
(griech.
Marasmus, lat.
Involutio senilis, Senilität,
Seneszenz), derjenige Zustand, in welchen alle
organischen
Wesen verfallen, wenn sie sich dem höchsten
Maß ihrer natürlichen
Lebensdauer nähern. Die Altersschwäche
ist demnach keine
Krankheit im strengern
Sinn, sie ist vielmehr das
Resultat der schlechteren
Ernährung, welcher
Pflanzen,
Tiere und
Menschen unterliegen, wenn
sie den
Zenith ihrer Kraftfülle überschritten haben und nun allmählich verdorren.
Der Zeitpunkt, in welchem die Altersschwäche
beginnt, ist demnach für die verschiedenen
Pflanzen- und Tierarten sehr verschieden: die
einjährigen
Pflanzen erreichen ihn in wenigen Sommermonaten, während die
Eiche noch nach
Jahrhunderten
in stolzer
Kraft
[* 2] ihre
Äste treibt und sich in jedem
Lenz mit neuem
Grün schmückt;
der Seidenspinner [* 3] erfreut sich nur knapp bemessene Tage seiner vollen Lebensfrische und siecht dahin, sobald er seine Eier [* 4] gelegt hat, während der Rabe und der Elefant [* 5] Menschengeschlechter überdauern.
Der
Mensch selbst erreicht erfahrungsgemäß nur selten das 70. oder
ein späteres Lebensjahr, die Altersschwäche
beginnt aber weit früher, in ihren ersten
Spuren schon Anfang der 40er, zuweilen noch zeitiger.
Den Beginn der Alterserscheinungen macht das
Auge,
[* 6] dessen Akkommodationsfähigkeit schon Mitte der 30er Jahre nicht selten
merklich abnimmt. Gleichfalls früh ergrauen die
Haare,
[* 7] namentlich der Schläfengegend und bei dunkelhaarigen
Personen. Das Fettpolster schwindet, die
Haut
[* 8] wird welker, bekommt
Runzeln, einzelne
Stellen werden leicht bräunlich gefärbt.
Später verlieren die Muskeln [* 9] an prompter elastischer Wirkung, die Beine werden ungelenk, der Rücken steif. Im hohen Alter werden die Knochen [* 10] dünner; ein Fall, der im mittlern Lebensalter eine Verrenkung bewirkt haben würde, führt bei Greisen leicht einen Knochenbruch, z. B. im Hüftgelenk, herbei. Die Hornhaut zeigt den Greisenbogen; zuweilen verdickt sich das Trommelfell, es verwachsen die Gehörknöchelchen, und es entsteht ein gewisser Grad von Taubheit.
Die Schärfe und Schlagfertigkeit des Geistes nimmt bei den meisten Personen ab; viele alte Leute werden redselig, etliche geradezu kindisch oder völlig schwachsinnig. Unter den innern Organen verfallen das Herz und die Leber einer geradezu regelmäßigen Verkleinerung (braune Atrophie) mit Bildung brauner Farbstoffmoleküle in ihrem Gewebe. [* 11] Die Milz schrumpft, ebenso die Nieren (Granularatrophie), das Gehirn [* 12] wird derber, seine nervöse Substanz nimmt ab auf Kosten der bindegewebigen Gerüstmasse, und so entsteht mit zunehmendem Alter eine Summe von Störungen, die, jede für sich betrachtet, nur unwesentliche Folgen nach sich ziehen, aber vereint das ausmachen, was man als mannigfache Klagen des dekrepiten Alters kennt, was den Greis als Ruine des Menschen erscheinen ¶
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läßt und schließlich die kümmerliche Fackel verglimmen macht, ohne daß Krankheit oder äußerer Anstoß gewaltsam das Leben zum Verlöschen bringt.