Alter
(juristisch). Das der
Personen begründet Rechtsverschiedenheiten. Diejenigen, welche wegen ihrer
Jugend der geistigen
Reife entbehren, werden für ihre Rechtsangelegenheiten durch andere vertreten. Nach älterm deutschen
Rechte wurde auch denjenigen,
welche eine sehr hohe Alter
sstufe erreicht hatten, eine besondere rechtliche
Stellung angewiesen. Dieses letztere ist in dem
neuern
Rechte weggefallen; es wird lediglich für diejenigen gesorgt, welche wegen körperlicher
Leiden
[* 2] oder geistiger Schwäche außer stande sind, ihre Angelegenheiten selbst zu führen.
Nur für
Ablehnung der
Vormundschaft (s. d.),
Übernahme des
Geschworenen- und Schöffenamtes (65 Jahre), oder eines unbesoldeten, öffentlichen
Amtes bildet das hohe Alter
einen
Grund.
In rechtlicher Beziehung bildet eine wichtige Grenze die Volljährigkeit (s. d.); für die Ausübung gewisser polit. Rechte sowie für die Übernahme gewisser Ämter kommen besondere Bestimmungen über das Lebensalter in Betracht. So ist z. B. Wähler und wählbar für den deutschen Reichstag erst der Deutsche, [* 3] welcher das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat. In Preußen [* 4] gewährt das von 24 Jahren das aktive, das von 30 Jahren das passive Wahlrecht für den Landtag oder für die Vertretung der kirchlichen Gemeinde. Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz §§. 33, 85 dürfen nur 30jährige Personen in die Urliste für Schöffen und Geschworene aufgenommen werden.
Innerhalb des Zeitraums der Minderjährigkeit (s. d.) unterscheidet das geltende Recht das Kindesalter, für welches im allgemeinen die Willensfähigkeit verneint wird, so daß Kinder durch eigene Handlungen nicht einmal erwerben können. Die Grenze des Kindesalters bestimmen das Gemeine Recht, das Preuß. Allg. Landr. I, 1, §. 25 und Gesetz vom §. 1, das Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 47, das Österr. Bürgerl. Gesetzb. §. 21, u. a. auf das Ende des siebenten Lebensjahres.
Das geltende Recht unterscheidet ferner mündige und unmündige Personen (puberes und impuberes). Die Mündigkeit beginnt im Gemeinen Rechte mit dem vollendeten 14. oder 12. Jahre, je nachdem es sich um Knaben oder Mädchen handelt, nach dem Preuß. Allg. Landr. I, 1, §. 25 und dem Österr. Bürgerl. Gesetzb. §. 21 mit dem 14. Jahre durchweg; das Badische Landrecht unterscheidet im Satz 1124a sogar Unmündige, Halbmündige und Vollmündige. Die Unmündigen, welche älter als sieben Jahre sind, können Rechte erwerben und durch unerlaubte Handlungen mehr oder weniger sich verpflichten oder überhaupt Verbindlichkeiten eingehen und Rechte aufgeben, zum Teil mit Bindung anderer Personen (sog. hinkende Geschäfte, negotia claudicantia, vgl. des Nähern z. B. das preuß. Gesetz vom Der Entwurf eines Bürgerl. Gesetzbuches hat, wie das Sächs. Gesetzbuch, diese letztere Unterscheidung ¶
mehr
aufgegeben; er gebt davon aus, daß die Volljährigkeitserklärung dem berechtigten Bedürfnisse genüge.
Die Befugnis, eine Ehe einzugeben, gewährt das Reichsgesetz vom Männern nach zurückgelegtem 20., Frauen nach
zurückgelegtem 16. Lebensjahre (Ehemündigkeit, s. Ehe). Sehr verschiedene Alter
sstufen bestimmt das geltende Recht für die
Befugnis, eine letztwillige Verfügung (s. d.) zu errichten oder einen Erbvertrag
(s. d.) zu schließen. Auch sonst kommen auf dem Gebiete des Familienrechts verschiedene
Alter
sstufen in Betracht, z. B. für die Befugnis, eine Ehe ohne Einwilligung der Eltern zu schließen (Gesetz vom
§§. 29, 30, für Söhne 25, für Töchter 24 Jahre), für die Fürsorge in Ansehung der Kinder aus geschiedenen
Ehen, für die Dauer der Unterhaltspflicht in Ansehung unehelicher Kinder, für die Einwilligung des Kindes in die Legitimation,
u. s. w.
Das geltende Recht läßt zum Teil, z. B. Code civil und Badisches Landr. Art. 470, 480-484, 487, durch Heirat den minderjährigen Ehegatten eine erweiterte Geschäftsfähigkeit erlangen, zum Teil beide Ehegatten oder die minderjährige Ehefrau die Rechte des Volljährigen erlangen, im erstern Sinne z. B. Bayr. Landr. I, 7, §. 36, Rechte von Weimar [* 6] und Bremen, [* 7] im letztern Sinne württemb. Recht, Rechte von Lübeck, [* 8] Hamburg [* 9] und Wismar. [* 10] Die Mehrzahl der übrigen geltenden Rechte legt der Heirat eine solche Bedeutung nicht bei.
Eine Erweiterung der Befugnisse Minderjähriger in Ansehung der Dienstverträge und Arbeitsverträge findet sich in den meisten Gesindeordnungen, im preuß. Gesetz vom §. 6 und in einem württemb. Gesetz von 1865, wird auch vielfach in der gemeinrechtlichen Praxis angenommen. Im Anschlüsse an die Gewerbeordnung und das Handelsgesetzbuch, welche den selbständigen Gewerbebetrieb nicht von Erreichung der Volljährigkeit abhängig machen, sind zum Teil gesetzliche Vorschriften ergangen, welche die Befugnisse Minderjähriger auf diesem Gebiete abgrenzen, z. B. preuß. Gesetz vom bayr. Gesetz vom Art. 210, elsaß-lothr. Gesetz vom §. 3, u. a.
Weitere Alter
sunterschiede bestimmen für die Eidesmündigkeit die Strafprozeßordnung und die Civilprozeßordnung. (S. Eid.)
Strafrechtlich verfolgt kann nach §. 55 des Deutschen Strafgesetzbuchs nicht werden, wer bei Begehung der Handlung das 12. Lebensjahr nicht erreicht hat. Es kann nur Einstellung in eine Erziehungs- und Besserungsanstalt erfolgen. Ein Angeschuldigter, welcher zur Zeit der That noch nicht 18 Jahre alt war, ist freizusprechen, wenn er bei Begehung der Handlung die zur Erkenntnis der Strafbarkeit erforderliche Einsicht nicht besaß (§. 56). Besaß er sie, so sind statt der härtesten die im Gesetz bestimmten mildern Strafen zu erkennen (§. 57).
Die Gewerbeordnung enthält in den §§. 135 fg. Vorschriften über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter,
je nachdem sie 12 (13 seit Gesetz vom 14 oder 16 J. alt sind, und in Art. 57a, 60b, 62 über das für den Gewerbebetrieb im Umherziehen
erforderliche Alter.
Bei der Todeserklärung (s. d.) kommt meist das Alter
des
Verschollenen in Betracht. Das Preuß. Allg. Landr. II, 11, §§. 62 fg. enthält ferner Vorschriften über das zum Eintritte
in ein Kloster erforderliche Lebensalter.