Altaisches
Berggebiet
, amtlich auch Distrikt der
Altaischen
Bergwerke oder
Kolywan-Woskresensker Hüttenbezirk genannt,
eine der wertvollsten
Provinzen des
Russischen
Reichs, erstreckt sich von 49° nördl.
Br. an 900 km weit
nach N. und von 77° östl. L. von Greenwich 750 km ostwärts und umfaßt vier von den sechs
Bezirken des westsibir. Gouvernements
Tomsk, nämlich
Kaïnsk,
Barnaul, Kusnezk und
Biisk samt dem südl.
Teile des
Bezirks
Tomsk,
ein Gebiet von über 483000 qkm mit etwa 700000 E. Der überwiegende
Teil dieser
Bevölkerung
[* 2] besteht aus
Bauern, der kleinere aus
Berg- und Hüttenarbeitern, die teils in den Bauerndörfern angesiedelt, teils bei den Werken geblieben
sind, außerdem aus nomadisierenden Volksstämmen.
Die Thäler des Ob und des Alej trennen zwei sehr verschiedene Hälften. Die Osthälfte ist gebirgig und vielfach bewaldet, hat rauheres Klima [* 3] als die Westhälfte, eignet sich aber dennoch zum Ackerbau, da sie am Ob fruchtbaren Boden enthält. Die Westhälfte bildet zwischen dem Ob und Irtysch eine gegen die Steppe geneigte, zum Teil wellige Ebene, ist fast ganz waldlos, nur von schleichenden Bächen durchzogen, die Seen und Sümpfe bilden, reich an Koch- und Bittersalz, aber im ganzen mit ergiebiger Fruchterde bedeckt und wegen des etwas mildern Klimas mehr für die Viehzucht [* 4] geeignet. In Barnaul ist die mittlere Jahrestemperatur 0,34°. Die Vegetation ist an den südl. und nördl. Gehängen sehr verschieden, hier Steppe, dort sibir. Wald, oben die Alpenflora. An die Steppe pflegt sich zu unterst die Kiefer anzuschließen mit Birke und Espe, über 800 m Höhe folgt als Hauptbaum die Lärche.
Die Zirbelkiefer bildet die Waldgrenze, auf der Südseite 1700 m und auf der Nordseite 1350 m hoch, darüber reiche Alpenflora. Die Kultur folgt dieser Regionsverschiedenheit mit Hirse, [* 5] Weizen, Hanf u. s. w. häufiger im Süden und mit Sommer- oder Winterroggen häufiger am Nordhang. Ebenso zieht man vortreffliche Pferde, [* 6] auch Rinder, [* 7] Schafe [* 8] und Ziegen, viel Federvieh und Bienen, dagegen wenig Schweine. [* 9] Die Fischerei [* 10] in den Flüssen und Seen ist sehr ergiebig. Die Jagd liefert Zobel, Hermeline, gestreifte und andere Eichhörnchen, Murmeltiere, wilde Katzen, [* 11] Füchse, Bären, Wölfe, Ottern, Hasen, Rehe, Hirsche, [* 12] Elen- und Renntiere, Moschustiere, außerdem auch Luchse, Wildschafe, Dachse, Wildschweine u. s. w. Die ländliche Bevölkerung ist bei weitem die betriebsamste. Abgesehen von den in bergmännischen und metallurgischen Anstalten Beschäftigten, fehlt es an einem Bürger- und ¶
mehr
Handwerkerstande. Fast der ganze Handel liegt in den Händen wandernder Krämer, der sog. Susdaler, die alljährlich aus dem Moskauer und Wladimirer Gouvernement nach dem Altai reisen.
Außerordentlich groß ist der Reichtum an Erzen. Die Zahl der in Angriff genommenen Erzlagerstätten
[* 14] im A. B. beläuft sich
auf einige Tausend; die meisten liegen im westl. Teile des Gebirges. Sie liefern Silber, Kupfer,
[* 15] aber auch
Gold,
[* 16] Blei
[* 17] und sehr viel Eisen;
[* 18] vereinzelt, bei Sadowinsk, Tellur. Der Reichtum des an Altaisches Berggebiet
Erzen war schon früh bekannt. Die zahlreichen
Grubenbaue längst verschollener Urbewohner, Tschuden- oder Fremdlingsgruben genannt, haben als Fingerzeige zum Einschlagen
neuer Schächte und Grubenwerke gedient.
Peter d. Gr. sandte seit 1715 fruchtlose militär. Goldsandexpeditionen nach dem Irtysch und dem Saisansee. Schon 1720 wurde an ersterm die wichtige Paßfeste Ust-Kamenogorsk angelegt, aber erst 1723 in der Nähe des im N. des Schlangenbergs gelegenen Kolywansees Kupfer entdeckt, und 1729 unter Leitung des Nikita Demidow (s. d.) das erste Kupferhüttenwerk, Kolywanskij Sawod, bei dem Blauberg oder Sinaja (1652 m), erbaut, dessen Name allmählich auf den ganzen Distrikt überging. (S. Kolywan.) Darauf verpflanzte man 1731 die Schmelzwerke nach dem jetzigen Barnaul (s. d.), dem Mittelpunkt großartiger Hüttenwerke.
Die im Bereich des Hüttenbezirks befindlichen Bergwerke und Ländereien waren im Besitze Demidows, wurden aber 1746 Eigentum der russ. Krone. Seitdem eröffnete man eine Menge von Berg- und Hüttenwerken. Das Gold wird vorzüglich aus Seifen, außerdem durch Ausschmelzen aus den goldhaltigen Silbererzen gewonnen. Der Ertrag ist seit Eröffnung der Seifen 1815-49 beständig gestiegen, hat aber seitdem abgenommen; 1887 betrug er 300 Pud, d. i. ein Siebentel der gesamten russ. Goldgewinnung. [* 19]
Die Gewinnung des Silbers hat schon 1743 begonnen; 1887 ergab der Altai 613 Pud Silber. Die bedeutendsten Silberminen sind die bei Smjeïnogorsk (s. d.), in 415 m Höhe, das in breiter Thalsenkung liegt, umgeben von kahlen Granit- und Porphyrhügeln, und wo der erzführende, gewaltige Schwerspatgang eine Mächtigkeit von 20-100 m hat; sie haben von 1745 bis 1854 allein 82 161 Pud geliefert, sind jedoch jetzt nicht mehr so ergiebig. Kupfererze sind in Menge vorhanden, werden aber wegen Mangel an Absatz in geringer Menge ausgeschmolzen. Eine Steigerung der Eisengewinnung wurde erst in neuerer Zeit durch die Auffindung eines Steinkohlenlagers ermöglicht. Außer den Metallen und Kohlen bietet der Altai auch viele Edelsteine, [* 20] Jaspis, Chalcedon, Karneol u. s. w. In Kolywan werden in großartigen Schleifwerken Granit, Marmor u. s. w. geschliffen und zur Schmückung der kaiserl. Paläste verschickt. -
Vgl. Cotta, Der Altai.
Sein geolog. Bau und seine Erzlagerstätten (Lpz. 1871).