(AltainOola,»Goldgebirge«, chines.
Kinschan), das nördlichste der vier Gebirgssysteme Innerasiens, erstreckt sich unter 50-52½° nördl.
Br. vom
Irtisch bis südlich vom
Baikalsee, d. h. von 84 bis 104° östl. L. v. Gr.,
und hat eine Längenausdehnung von 1447 km, während sein Gebiet über 429,000 qkm umfaßt. Mit bedeutenden
Ausstrahlungen
greift der Altai weit in die Umländer aus, so zunächst mit dem Ektag Altai, dem Tannu
und der Oola Ulangum tief in die
Mongolei hinein.
um die
Pforte in drei
Durchgänge zu gliedern. Im eigentlichen Altai unterscheidet man den
Altai Bielki, den nordwestlichen Eckpfeiler des zentralasiatischen
Hochlandes, der in der
Bjelucha oder den
Katunjasäulen mit 3352 m
Höhe kulminiert, und
die Sajanische
Kette, ein schmalrückiges, auf der
Grenze von
Sibirien und der
Mongolei
nach O. streichendes Kammgebirge mit wenigen bequemen
Pässen, das vom
Jenissei durchbrochen wird und in seinem östlichen
Teil im Munku Sardik die
Höhe von 3473 m erreicht. Der Kossogolsee im O. dieses
Gebirges liegt 1701 m hoch. Nach N. zweigt
sich bisTomsk die
Kette von
Kusnezk und Salaïrsk ab, die sich im Taskül 1539 m hoch erhebt.
Kohlenlager sind in bauwürdigen
Lagern noch nicht aufgefunden worden. Das Flußgold spielt nur eine untergeordnete
Rolle, dafür
ist, besonders im westlichen Altai, die Zahl der silber- und kupferhaltigen
Erzlagerstätten überaus groß.
Diese Erzlager befinden sich alle im Gebiet der sedimentären und kristallinischen
Schiefer oder im
Porphyr, keine im
Granit;
sie füllen unregelmäßige, stellenweise sehr mächtige Zerspaltungen oder
Räume aus; der bergmännische
Ausdruck »stockförmige
Massen« entspricht am besten ihrer Form.
Bereits mehr als 1000 solcher
Erzlagerstätten wurden gefunden, gegenwärtig beschränkt sich der
Abbau
derselben jedoch wesentlich auf die Umgebung der
OrteSmeinogorsk (Schlangenberg), Riddersk, Syranowsk, Belousowsk und
Nikolajewsk;
denn der große Bergort
Salair mit seinen silberhaltigen Schwerspatlagerstätten im
Talkschiefer liegt weit nördlich vom eigentlichen
Altai, jenseit der breiten
Niederung des Obthals. Die Erzgruben wurden die Hauptveranlassung der Besiedelung
des Altai mit
Russen in dem
Bergbau
[* 5] treibenden Gebirgsteil.
Schon das mysteriöse
Volk der
Tschuden hat hier mit steinernen Geräten
Bergbau getrieben; dann scheint dieser jahrhundertelang
geruht zu haben. Im J. 1726 ließ sich der
StaatsratNikitaDemidow die
Freiheit der
Bergwerke im A. verleihen und legte 1728 das
erste Kupferhüttenwerk, Koliwan Sawod, bei dem 1625 m hohen Blauberg an. Als 1736 in der Schlangenberger
Grube reiche
Gold- und Silbererze gefunden wurden, trat
Demidow 1746 alle seine altaischen
Gruben und
Hüttenwerke an das kaiserliche
Haus ab, dem das gesamte Gebiet des Altai noch jetzt als Privatbesitz gehört.
DerErtrag an
Gold,
[* 6] das vorzüglich aus
Seifen, außerdem durch Ausschmelzen aus den goldhaltigen Silbererzen
gewonnen wird, ist bis 1849 in beständigem Steigen gewesen, hat aber seitdem abgenommen; 1875 betrug er 4570 kg (etwa ein
Siebentel der gesamten Goldgewinnung
[* 7] Rußlands). Der
Ertrag an
Silber betrug in demselben Jahr 8750 kg. Die bedeutendsten
Silberminen sind die von
Smeinogorsk; sie haben 1745-1854 allein 82,161
Pud (à 16,6 kg) geliefert, sind aber jetzt ebenfalls
nicht mehr so ergiebig.
durchforschte, ergab indessen als Resultat, daß die Rente wohl eine Unterbrechung erleiden werde, aber sich wieder steigern
müsse, da die Lager
[* 13] unmöglich erschöpft sein können. Notwendig zur Fortführung und Hebung
[* 14] des Bergbaus ist jedoch, daß
die Kohlen der kusnezkischen Becken (südlich von Tomsk) benutzbar werden; denn die früher ausgedehnten Waldstrecken,
welche die Russen vorfanden, sind durch Abtrieb ohne Sorge für Wiederbewaldung sowie durch häufige Waldbrände bereits stark
gelichtet. Die trocknen Südwestwinde wirken zum Verschwinden des Waldes, der aus Fichten, Kiefern, Lärchen, Birken und Espen
besteht, wie zum Überhandnehmen der Steppe mit. - Neben dem Bergbau hat sich im A. eine lebhafte Steinindustrie
entwickelt;
eine Zeichenschule sorgt für Entwickelung des Geschmacks. - Der Sommer ist in dieser kontinentalen Region der
Erdoberfläche sehr warm, der Winter aber auch sehr kalt;
kein Jahr vergeht, ohne daß das Quecksilber
einige Male erstarrt, und obwohl Zucker- und Wassermelonen vortrefflich im Freien gedeihen, so gelingt es doch nicht, irgend
einen Obstbaum unbeschützt am Leben zu erhalten.
Die Steppenflora reicht bis zu 300 m; die Waldflora nimmt den Raum ein zwischen 300 und 1200 m,
und oberhalb des Waldes steigt unter der starken Verwitterung des Schiefergesteins die Alpenflora am Nordabhang
bis 1950 m, am Südabhang bis 2250 m. Die Fauna ist hier und da noch reich an Wild (Edelhirsche, Elentiere, sibirische Rehe),
aber auch an Wölfen, Füchsen, und auf den Höhen findet sich mit dem Marder
[* 17] zugleich der Zobel; häufig
ist auch der Bär. An Vögeln ist kein großer Reichtum, zu den Waldhühnern gesellt sich in der Alpenregion das Schneehuhn.
Die einheimische Bevölkerung
[* 18] des Altai bilden Mongolen, Kalmücken und sporadisch Kirgis-Kaisaken. Eingewanderte, zu Sibiriaken
gewordene Russen wohnen am dichtesten im BezirkMinussinsk (am Jenissei) und längs der Straßen. In den Tannu-
und Ulangumketten sitzen verschiedene spärliche Überreste jagdtreibender Völker, deren Ursprung schwer zu deuten ist. An
diese Bergvölker grenzen im NW. die Bergkalmücken, Mongolenstämme, welche, durch die Schwierigkeiten der hier noch stark
bewaldeten Berge in der Viehzucht
[* 19] beengt, sich bald der Jagd, bald auch, durch die europäisch-sibirische Bevölkerung angeregt,
dem Ackerbau Zugewendet haben und den Sibiriaken in der Lebensweise ähneln. Die Kirgis-Kaisaken (dem türkischen
Stamm angehörend) breiten sich vor der Hauptmasse des Altai längs seiner Nordseite aus; die Sibiriaken haben sich hauptsächlich
der Thalsohlen und Grubendistrikte bemächtigt. Die gesamte Bevölkerung des Altai-Sajanischen Gebirgsabschnitts berechnet Wenjukow
(»Die russisch-asiatischen Grenzlande«, deutsch, Leipz.
1874) zu 690,400 Seelen, darunter 440,000 Sibiriaken und Russen, 120,000 Mongolen, 35,000 Kalmücken, 26,000 Buräten, 54,400 turkisch-finnische
Stämme (Urjanchen, Darchaten etc.),
10,000 Kirgisen, 5000 Chinesen, Mandschuren. Im Durchschnitt wohnen 1,5 Menschen auf dem
Quadratkilometer.
(türk.; chines. Kin-schan, d. h. Goldberg), der nördl. Gebirgssaum des östl. Hochasiens auf
der russ.-chines. Grenze (s. Karte: Sibirien II. Altai-Baikalsee). Früher nannte man den ganzen vielfach gruppierten Gebirgsrand
Hinterasiens von 83-143° östl. L. von Greenwich, von den dsungarischen Ebenen am Saisansee
bis zu den Küsten des Ochotskischen Meers, Altaisches Gebirgssystem. Da jedoch jenseit des 103.° östl.
L. anstatt des westöstl. Normalverlaufs der Wechsel der Gänge und die Nordostrichtung der Ketten eintritt und ein neues Gebirgssystem
von verschiedenem geolog.
Alter anhebt, versteht man nach Alex. von Humboldts Vorgange unter Altaisystem nur die Gebirge, die zwischen 47 und 55°
nördl. Br. von 83-109° östl. L. oder bis zu der obern Selenga und dem obern Orchon in einer Länge von etwa 1500 km sich
erstrecken und die Quellgebiete des Irtysch, Ob und Jenissei umgeben. Das westlichste und Hauptglied dieses Systems ist der
bis 2000 m hohe in engerm Sinne. Von ihm zweigen östlich strahlenförmig die Ketten des Sajanischen Gebirges
(s. d.), des Tannugebirges (s. d.), des Changaigebirges (s. d.)
und des Großen Altai ab. Letzterer, auch Ektag-Altai und im östl. TeileSüdlicher Ä. genannt, erstreckt sich fast bis zum großen
Hoang-ho-Knie, die Wüste Gobi in zwei Teile scheidend; er bildet den Südrand des abflußlosen Kobdobeckens
und erreicht nicht die Höhe des westl., eigentlichen Altai. Dieser, auch das Kolywansche Erzgebirge genannt und wegen seines
Mineralreichtums berühmt, erstreckt sich, kaum ein Viertel des ganzen Systems bildend, von den Bergwerken des 415 m hohen
Schlangenbergs oder Smjeïnogorsk (im NO. von Semipalatinsk) und von dem Zusammenflüsse der Uba mit dem
Irtysch bis zum Telezker See (488 m) und dem aus diesem hervortretenden Obiquellflusse Bij oder Bija, der in die Katunja fällt,
und nimmt in dieser Begrenzung nach Humboldt ungefähr 136000 qkm ein, d. i. einen dreimal größern Raum als die Schweiz.
[* 20]
Sein Bau ist nicht so einfach kettenförmig wie der des Großen er besteht vielmehr aus einer großen Zahl
konvergierender und sogar sich kreuzender Züge, welche im Bjelucha, 3352 m, ihre größte Höhe erreichen. Als Tarbagatai
(s. d.) zieht im S. ein Zweig weit in die Kirgisensteppe. Die mittlere Höhe
des Altai überhaupt schätzt man auf 12-1500 m, diejenige der Hauptzüge auf 1830-2700 m, die
der Schneegrenze auf 2150 m; seine Spitzen, zerrissene Kegel und Pyramiden, ragen bis 3000 m und mehr darüber hinaus.
Überall strecken sich zwischen den Bergketten entweder weit ausgedehnte Hochebenen hin, die mit Schnee
[* 21] oder Sumpf bedeckt,
hier und da durch niedrige Felsreihen oder Steinblöcke unterbrochen sind, oder breite Thäler, deren
steile Gehänge nur Lichenen oder Zwergbirken zeigen, während die Gründe reiche Weide
[* 22] für Hirsche,
[* 23] Elen- und Renntiere abgeben.
Der Fuß des Gebirges ist mit Pappeln, Weiden, Dorngebüsch u. s. w. bedeckt; Weiden, Birken und Hagedorn erfüllen die tiefern
Thäler.
Die Abhänge bekleiden Nadelwälder von Lärchen, Fichten, Tannen, Zirbelkiefern oder sibir. Cedern, untermischt
mit Birken. Die Birke findet sich bis in 1460 m Höhe; Lärchen und andere Bäume gehen, obwohl nur verkümmert, noch höher hinauf.
Auf den höchsten Hochebenen finden sich nur Zwergfichten. Im N. des schönen Telezker Sees faßt die Kette des
über 1600 m hohen Kusnezkischen den obern Tom auf der Ostseite ein. Die Hauptkette streicht fast in Meridianrichtung gegen
N., bis sie sich im O. von Kusnezk teilt. Der östl. Zweig läuft als bewaldeter, goldreicher
Kusnezkischer Alatau (s. d.), Bjelogori oder AbakanischeKette bis zur Breite
[* 24] von Atschinsk¶
und Krasnojarsk und endet mit dem 1666 m hohen Taskül; der andere nimmt seine Richtung nach NW. auf Tomsk hin. Die im NW.
von Kusnezk gelegene Salaïrkette zwischen Ob und Tom, niedriger als die erstern, ist wegen ihres Silbers, ihr Ostabhang wegen
seines Goldreichtums berühmt. In geolog. Beziehung besteht die Hauptmasse des Gebirges aus krystallinischen
und altsedimentären Schiefergesteinen mit verschiedenen untergeordneten Einlagerungen; durchbrochen werden dieselben von
weitgedehnten Granitmassen und, in viel beschränkterm Maße, von Porphyr, von sehr häufig auftretendem, alle andern Formationen
durchsetzendem, also neuerm Serpentin und Grünstein.
Gneis scheint kaum vorzukommen, vielfach aber Glimmerschiefer und seine Verwandten. Die Sedimentgesteine
gehören der Silur-, Devon- und Kohlenperiode an; Thonschiefer mit eingelagertem Sandstein, Ouarzit, Hornstein und Kalkstein.
Unregelmäßig gangförmig eingelagert erscheinen die Erzlagerstätten, vorherrschend aus Schwerspat und Quarz mit Schwefelmetallen
und deren Zersetzungsprodukten bestehend. Von Gesteinen der spätern Perioden ist nirgends eine Spur; an den Fuß der Gebirge
legen sich die neuern diluvialen und alluvialen Bildungen, so daß also erst in der Diluvialzeit die Wasserbedeckung
des weiten Raums zwischen dem Arktischen und SchwarzenMeere begonnen haben muß. Nördlich vom Altai, im NW. von Kusnezk, ist
die echte Steinkohlenformation ausgedehnt vorhanden und setzt sich bis gegen Tomsk fort.
Die Bevölkerung des Ä. ist eine sehr spärliche. Eine dichtere russ.
Bevölkerung lebt in Dörfern als Bauern und in denBerg- und Hüttenwerken als Bergarbeiter nur im nördl. und westl. Teile des
Bergbereiches, beginnt aber allmählich in den zum Ackerbau geeigneten Flußthälern in das Innere des Altai vorzudringen. Überreste
der frühern Kosakenbevölkerung finden sich noch vereinzelt in Stanizen und in den jetzt nur nominell
als Festungen geltenden Ortschaften Buchtarminsk und Ust-Kamenogorsk. Die Urbewohner des Altai sind ausschließlich Völkerschaften
türk. Zunge.
1) Die Altaier, gewöhnlich Bergkalmücken genannt, westlich von der Katun und südlich vom Telezker See (türk. Altyn-Köl =
Goldsee). Die Dwojodaner (doppelzinspflichtige Kalmücken), östlich von der obern Katun, zahlen jetzt
nur den Russen Jasak (s. d.) und werden zu den Altaiern gerechnet. Die früher eine selbständige Völkerschaft bildenden Tölössen
am Südufer des Telezker Sees sind seit langer Zeit in den Bergkalmücken aufgegangen.
2) Die Teleuten, im Gebiete der untern Katun, sind erst seit diesem Jahrhundert aus dem Batschat (bei Salaïr)
übergesiedelt und stehen sprachlich den Altaiern sehr nahe.
4) Die Schwarzwaldtataren (russ. Tschernowvje-Tatary) in den Waldgebirgen nördlich vom Teleszker
See.
5) Die Schoren, nordöstlich vom Teleszker See bis zum obern Tom. - Die Berkalmücken beschäftigen sich ausschließlich mit
Viehzucht und Jagd und leben in Filzjurten, im Sommer auf den offenen Bergterrassen, im Winter in den
geschützten bewaldeten Schluchten. Die Schwarzwaldtataren und Schoren leben in Rindenjurten oder Bretterhütten und beschäftigen
sich mit Fischfang, Jagd (besonders Eichhörnchen) und dem Einsammeln von Cedernüssen. Sie halten wenig Vieh und bebauen
nur kleine Ackerstücke.
Die Kumandiner und Teleuten leben in Dörfern fast wie russ. Bauern und treiben Ackerbau
und Bienenzucht.
[* 39] Rein mongol. Typus zeigen nur die Physiognomien der Altaier und Teleuten. Außer den Teleuten, die hier alle zum Christentum bekehrt
sind, sind die türk. Ureinwohner des Altai zum größten Teil noch Götzendiener schamanischen Glaubens. Zu
den Urbewohnern (d. h. Jasak zahlenden) werden aber auch die sog.
Kamenschtschiki oder Felsenbewohner gerechnet, obgleich sie nach Abstammung, Sprache
[* 40] und ReligionRussen sind. Sie stammen nämlich
teilweise von Kosaken und russ. Bauern aus den Hüttenwerken ab, die auf chines. Gebiet geflohen waren und sich später mitsamt
ihren Wohnsitzen freiwillig wieder Rußland ergaben. -
Vgl. Cotta, Der Altai, sein geolog.
Bau und seine Erzlagerstätten
(Lpz. 1871); Radloff, Aus Sibirien (ebd. 1884).