Alpenvereine
,
Alpenklubs, Vereine, die die Durchforschung der Alpenwelt zum Ziele haben. Der erste derselben war der engl. Alpine Club, ein Verein von Bergsteigern, der 1857 zusammentrat und seinen Sitz zu London [* 2] hat. Seine Mitglieder haben sich durch eine Reihe der kühnsten Bergfahrten bemerklich gemacht, deren Ergebnisse in mehrern glänzend ausgestatteten Werken niedergelegt sind. Unter diesen sind, außer verschiedenen Monographien einzelner Mitglieder, wie z. B. von Tyndall, Whymper und Freshfield hervorzuheben: das Prachtwerk «Peaks, passes and glaciers» (2 Serien, 4 Bde., Lond. 1860-62),
der treffliche
«Alpine
Guide» (2. Aufl., 3 Bde.,
1872-74) von J.
Ball und das
«Alpine Journal» (seit März 1863). Der
Verein zählt 475 Mitglieder, die hauptsächlich die Westalpen
bereisen, und von denen auch mehrfach Expeditionen in außereurop.
Gebirge, namentlich in den
Kaukasus
und Himalaja unternommen wurden. Dem
Alpine Club folgte der
Österreichische Alpenverein
, der sich im Nov. 1862 bildete und
sich die
Verbreitung und Erweiterung der Kenntnis der
Alpen,
[* 3] besonders der österreichischen, zum Zweck stellte und sich auch
bestrebte, das Interesse an der Alpenwelt zu fördern und ihre Bereisung zu erleichtern.
Die Resultate seiner
Arbeiten sind in den «Mitteilungen» (2 Bde.,
Wien
[* 4] 1863-64) und deren Fortsetzung, dem «Jahrbuch des
Österreichischen Alpenvereins»
(9 Bde., ebd. 1865-73),
niedergelegt. Der
Schweizer Alpenklub, der seit April 1863 besteht, stellt sich als seine nächste
Aufgabe die
Lieferung einer lebendigen Erläuterung zu Dufours topogr.
Atlas
[* 5] der
Schweiz.
[* 6] Es werden hiernach die Forschungen und Untersuchungen
unter einem dreifachen
Gesichtspunkte, einem topologisch beschreibenden, einem artistischen und einem naturwissenschaftlichen,
ausgeführt.
Der Verein zerfällt, wie die meisten in Sektionen mit wechselndem Vorort, gegenwärtig 40 Sektionen mit ungefähr 3000 Mitgliedern. Über seine Arbeiten, deren größte die Vermessung des Rhônegletschers ist, berichtet das «Jahrbuch des Schweizer Alpenklubs» (Bern [* 7] 1864 fg.),
welches mit trefflichen Karten ausgestattet ist. Organ der roman. Sektionen ist das «L'Echo
des
Alpes» (Genf
[* 8] 1870fg.). Der
Italienische Alpenverein
(Club alpino Italiano),
dessen Gründung zuerst im Aug. 1863 ¶
mehr
angeregt wurde, stellt die naturwissenschaftliche Erforschung der Alpen wie auch des Apennin als Hauptzweck seiner Bestrebungen
obenan und giebt seit 1865 zu Turin
[* 10] das «Bolletino del Club alpino Italiano» und seit 1882 die «Revista
mensile» heraus. Seine Mitgliederzahl beträgt 4668. Im Mai 1869 erfolgte zu München
[* 11] die Gründung des Deutschen
Alpenvereins
, aus dessen Vereinigung mit dem Österreichischen 1874 der Deutsche
[* 12] und Österreichische Alpenverein entstand,
der größte unter allen alpinen Vereinen. Er ist in Sektionen gegliedert, deren eine von der Generalversammlung des Vereins
auf die Dauer von drei Jahren zum Vorort gewählt wird; aus den Mitgliedern dieser Sektion wird ein Centralausschuß
gewählt, der mit der Leitung der Geschäfte des Vereins und mit der Ausführung der von der Generalversammlung gefaßten Beschlüsse
betraut ist.
Nach dem Stande vom Mai 1895 besaß der Verein 221 Sektionen mit 33 769 Mitgliedern. Die drei größten Sektionen sind: München mit 2815, Austria in Wien mit 1650 und Berlin [* 13] mit 1484 Mitgliedern. Die Thätigkeit des Vereins ist sowohl eine wissenschaftliche als auch eine praktische. An regelmäßigen Veröffentlichungen liegen vor: «Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins» (1869-73),
«Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins» (seit 1874),
«Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins» (seit 1875). Auch gab er eine von hervorragenden Forschern bearbeitete «Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Alpenreisen» (5 Abteil., Münch. 1879-82),
einen «Atlas der Alpenflora» (500 Blatt, [* 14] von Hartinger, Text von Dalla-Torre, 4 Bde., ebd. 1884),
sowie das dreibändige Werk «Die Erschließung der Ostalpen» (Berl. 1892-94) heraus. Der Verein giebt auch Karten und Panoramen heraus, die als Beilagen zu der «Zeitschrift» erscheinen. Als hervorragend wissenschaftliche Arbeiten und Unternehmungen sind zu erwähnen: Die topogr. Aufnahme des Berchtesgadener Gebietes, die geolog. Kartierung der Karwendelgruppe, Gletschervermessungen in den Hohen Tauern, den Ötzthaler und Ortleralpen, die Errichtung der meteorolog.
Hochstation ersten Ranges am Sonnblickgipfel (3095 m), gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Meteorologie. Von großem Belang ist die Thätigkeit, die der Verein in den Alpen entfaltet und die sich vornehmlich in der Errichtung von Schutzhütten, in der Anlage von Wegen und in der Ausbildung und Regelung des Führerwesens äußert. Der Verein besitzt (1892) 135 Schutzhütten, von denen 46 bewirtschaftet sind, und verfügt über eine Führerunterstützungskasse mit einem Vermögen von 30000 M. Den Führern im österr. und deutschen Alpengebiete wird von der Behörde im Einvernehmen des Vereins die Genehmigung erteilt; manche Sektionen veranstalten auch Führerunterrichtskurse.
Die Einnahmen des Vereins betrugen 1892: 197000 M., die Ausgaben 174000 M. Der Verein gewährt auch Beihilfe zu Aufforstungen und sammelte 1882 für die durch Hochwasser betroffenen Bewohner Tirols und Kärntens den erheblichen Betrag von 154 935 Fl. Gleichfalls im Mai 1869 erfolgte zu Wien die Gründung des Österreichischen Touristenklubs, der seine Thätigkeit anfangs auf die Österreichischen Kalkalpen beschränkte, dieselbe später aber auch auf fernere Alpengruppen auszudehnen begann; er besitzt 94 Sektionen mit 13000 Mitgliedern. Im April 1874 erfolgte die Gründung des Club Alpine Français zu Paris, [* 15] der 42 Sektionen mit 5293 Mitgliedern zählt und seine Aufmerksamkeit nicht nur den Französischen Westalpen, sondern auch andern Gebirgen, wie den Pyrenäen, Cevennen u. s. w. zuwendet. Er giebt das prächtig ausgestattete «Annuaire de Club Alpine Français» heraus (seit 1875),
sowie ein «Bulletin mensuel» (seit 1882). 1878 führte
eine Spaltung im Österreichischen Touristenklub in Wien zur Gründung des Österreichischen Alpenklubs, dem sich die jüngern
und unternehmungslustigern Mitglieder zuwandten und der in der Folge zu einer hervorragenden Pflegstätte der sportlichen
Hochtouristik wurde. Er zählt (1894) 605 Mitglieder, von denen die meisten als treffliche Hochtouristen
bekannt sind; sein Organ ist die «Österreichische Alpenzeitung» (seit 1879). Diesen bedeutendern Alpenvereine
schließen sich zahlreiche
kleinere an, so der Steirische Gebirgsverein (gegründet 1868), die Società degli Alpinisti Tridentini (gegründet 1872),
die Sociéte des Touristes du Dauphiné (gegründet 1875), die Società Alpina Friuliana (gegründet 1881),
der Club Alpine Bele (gegründet 1883), die Società Alpina delle Giulie (gegründet 1883), der Club Alpino Ticinense (gegründet
1886), der Niederösterreichische Gebirgsverein (gegründet 1890) u. a. m. Im ganzen befinden
sich (Ende 1889) in den Alpen 548 Schutzhütten und alpine Unterkunftshäuser (200 in den West-und 318 in den Ostalpen), von
denen 323 den alpinen Vereinen gehören (dem Deutschen und Österreichischen Alpenverein 131, dem Club Alpino Italiano 64, dem
Österreichischen Touristenklub 43, dem Schweizer Alpenklub 34, dem Club Alpine Français 25, dem Österreichischen Alpenklub 3,
und mehrern kleinen Vereinen 23). In Höhen von über 3000 m liegen in den Westalpen 22, in den Ostalpen 9 Hütten.
[* 16] In den Westalpen sind die drei höchsten Hütten: Capanna Osservatorio sulla Punta Gnifetti 4540 m (Monte-Rosa-Gruppe), Refuge
aux Bosses du Dromadaire 4450 m (Montblanc), Capanna della Cravatta al Monte-Cervino 4114 m (Matterhorn);
in den Ostalpen: Capanna sulla Disgrazia 3660 m (Bernina-Alpen), Erzherzog-Johann-Hütte 3464 m (Großglockner), Hochfeiler Hütte 3250 m (Zillerthaler Alpen).
Nach dem Vorbilde der Alpenvereine
haben sich auch in andern Gebirgen ähnliche Vereine gebildet, so ein Ungarischer, ein Galizischer
und ein Siebenbürgischer Karpatenverein, ein Beskidenverein, ein Juraklub, Vogesenklub, Schwarzwaldverein, Spessartklub,
Taunusklub, Rhönklub, Thüringer-Wald-Verein, der Sächsische Erzgebirgsverein, zwei Riesengebirgsvereine, Gebirgsverein
der Grafschaft Glatz,
[* 17] Gebirgsverein für Böhmen,
[* 18] Gebirgsverein für die sächs.-böhm. Schweiz u. a. m.;
ferner die Société Ramond zur Erforschung der Pyrenäen, die Associacio d'Escursion Catalana in Barcelona,
[* 19] die Norske Turist
Forening in Kristiania,
[* 20] der Appalachian Mountain Club in Boston,
[* 21] der Club alpin de Crimée in Odessa.
[* 22]
Alpenwirtschaften heißen die reinen Viehwirtschaften in höhern Gebirgsgegenden, wo die Futterverwertung, des kalten und feuchten Klimas und der kurzen Vegetationszeit halber, Hauptsache, der Getreidebau nicht mehr möglich ist (s. Alp). Die Alpenwirtschaft ist das Hauptgewerbe des Hochgebirges. Jetzt ist man, namentlich seitens des Alpwirtschaftlichen Vereins und der von ihm errichteten alpwirtschaftlichen Versuchsstation, eifrig bestrebt, ¶
mehr
die bis dahin im allgemeinen sehr vernachlässigte Bewirtschaftung der Alpen besonders durch Düngung zu heben, infolgedessen der Ertrag bedeutend gesteigert ist. Molkerei, Fabrikation von Käse, Zieger, Milchzucker, Molkenessig, seltener von Butter, nebenbei bisweilen Mästung von Schweinen mit den Molkereirückständen bilden hierbei die Hauptquellen der Einnahme. (S. Sennerei.) Nach der statist. Aufnahme (1864) der schweiz. Alpen beträgt die Gesamtfläche (ohne Wald und Felsen) 11088 qkm, der Kapitalwert 77186000 Frs., der an die Gemeinden u. a. zu zahlende Bergzins 3⅓ Mill. Frs., die Anzahl der Kühe 153320, der Stöße (s. d.) 270389. Gesamtreinertrag 10,891 Mill. Frs. –
Vgl. Schatzmann, Schweiz.
Alpenwirtschaft (Aarau [* 24] 1859‒66);
ders., Alpwirtschaftliche Volksschriften, 2. Bdchn. (ebd. 1873‒74);
Anleitung zum
Betriebe der Alpenvereine
(ebd. 1876);
Die der Schweiz, hg. vom schweiz. Statistischen Bureau; Die in Kärnten (2 Tle., Klagenf. 1873‒81);
Wilckens, Die der Schweiz, des Allgäus und der westösterr.
Alpenländer (Wien 1874); Statistischer Atlas über die Viehzucht [* 25] und Milchwirtschaft der Schweiz, hg. von Anderegg und Mengold (Zür. 1884); Alp- und milchwirtschaftliche Monatsblätter (redigiert von Schatzmann, Aarau; seit 1866: Alpen- und Jurachronik, redigiert von Rödiger, ebd. 1887 fg.).