Alpenpflanzen
,
gewöhnlich die Gewächse, die in Hochgebirgen hauptsächlich oberhalb der
Baumgrenze vorkommen und
von hier aus häufig am Rande der
Gletscher, an den Ufern der Alpenflüsse in schattigen Schluchten, wo der Schnee
[* 3] lange liegen
bleibt, auch in tiefer gelegene Gegenden herabsteigen. Die Alpenpflanzen
haben im allgemeinen
einen niedern, rasenförmigen Wuchs, lebhaft gefärbte
Blüten und zeichnen sich häufig durch starke, oft wollige
Behaarung
aus. Da ihre Vegetationsperiode naturgemäß nur eine kurze ist und die Ausbildung reifer Samen
[* 4] oft sehr verzögert wird,
so sind die meisten Alpenpflanzen
ausdauernde Gewächse; die Anzahl der einjährigen beträgt
etwa 4 Proz. der Gesamtzahl.
Was den Alpenpflanzen
auf dem Wege der
Aussaat reifer Samen verloren geht, erreichen sie durch zahlreiche ausdauernde
Sprosse, die meist
dicht gedrängt stehen und so einen rasenförmigen Wuchs veranlassen. Im wesentlichen ähnliche Verhältnisse in
Bezug auf
Habitus und Lebensweise zeigen die Gewächse der kalten Zonen, und es findet sich außerdem auch eine
weitgehende Übereinstimmung z. B. in den
Arten der der nördl. Halbkugel und den
Pflanzen der arktischen Zone, so daß eine
gemeinschaftliche
Abstammung und ein gemeinsames Vorkommen beider in frühern kältern
Perioden, in den sog.
Glacialperioden,
wohl als sicher angenommen werden darf. - In botan. Gärten hat man die
Alpenpflanzen
mit Erfolg kultiviert.
Haupterfordernis für die Zucht im Tieflande ist möglichste Wiedergabe aller Standorts- und klimatischen Verhältnisse der alpinen Regionen jener Arten. Man pflanzt am besten auf künstlichen Felsanlagen, bei deren Aufbau man Rücksichten auf das natürliche Vorkommen der zu kultivierenden Pflanzen auf Kalk- und Urgesteinen zu nehmen hat und zwischen deren Steinen man entsprechende, mit der geeigneten Erde zu füllende Lücken zur Aufnahme der Pflanzen selbst läßt.
Volle Lichtwirkung unter alleiniger Mäßigung der Mittagssonne, stetes Feuchthalten der Kulturen durch täglich mehrmals
wiederholtes Überspritzen selbst der Wege und namentlich gute
Deckung im Winter mittels aufgehäufter
starker Schneemassen, nachdem man zuvor die
Pflanzen selbst mit
Moos oder Fichtenreisig überlegte, sind weiter unerläßlich.
Dazu kommt als Hauptbedingung des Gedeihens, daß man, den Verhältnissen des Hochgebirges entsprechend, die Schneedecke
im
Frühlinge möglichst lange zu halten sucht, um ein zu frühes
Treiben der Pflänzchen zu verhüten. Die bevorzugteste
Alpenpflanze
ist das
Edelweiß, Gnaphalium Leontopodium
L. (s. Gnaphalium und
Tafel:
¶
mehr
Alpenpflanzen
,
[* 5]
Fig. 3); ihm schließen sich die Alpenrosen (Almenrausch), Rhododendron ferrugineum L
[* 5]
(Fig. 9) und Rhododendron
hirsutum L (s. Rhododendron), wie auch die Edelraute, Artemisia mutellina Vill.
[* 5]
(Fig. 1, s. Artemisia), an. Auffallend schönblütige, meist tiefblaue Blumen haben die Enziane, deren schönste Art Gentiana
acaulis L.
[* 5]
(Fig. 13) auch als Gartenpflanze sehr geschätzt ist (s.
Enzian). Leicht ist im Garten
[* 6] auch die Silberwurz, Dryas octopetala L.
[* 5]
(Fig. 12), zu ziehen; sehr schwer dagegen lassen
sich die reizenden Soldanellaarten, deren zierlichste Soldanella minima Hoppe
[* 5]
(Fig. 2) ist, kultivieren (s. Soldanella). Zwerge
unter den Alpenpflanzen
sind Saxifraga
[* 7] Burseriana L.
[* 5]
(Fig. 8, s.
Saxifraga) und Primula minima L.
[* 5]
(Fig. 4, s. Primel). Von den Campanulaarten
ist Campanula caespitosa Scop.
[* 5]
(Fig. 6) eine der schönsten (s. Campanula); auch die Alpennelke, Dianthus alpinus L.
[* 5]
(Fig. 10), ist eine sehr schöne Alpenpflanze.
Eine bekannte Pflanze der niedern Alpenregion ist Cyclamen europaeum L. [* 5] (Fig. 11), unrichtig Alpenveilchen genannt (s. Cyclamen). Das eigentliche Alpenveilchen, Viola alpina L. [* 5] (Fig. 5), ist dem gewöhnlichen Veilchen sehr ähnlich, jedoch geruchlos. Viel Beachtung verdient der Alpenmohn, Papaver alpinum L. [* 5] (Fig. 7), wegen seiner großen gelben, oft auch weißen Blumen (s. Papaver). Außerdem finden sich in den Alpen [* 8] verschiedene Anemonen, Ranunkeln, Heidearten sowie gewisse Gramineen [* 9] und Cyperaceen.
Litteratur. Christ, über die Verbreitung der Pflanzen der alpinen Region der europ. Alpenkette (Zür. 1867);
ders., Das Pflanzenleben der Schweiz [* 10] (ebd. 1879);
Seboth, Die Alpenpflanzen
nach der Natur gemalt (mit Text von Graf, 4 Bde., Prag
[* 11] 1879-84);
Hartinger, Atlas [* 12] der Alpenflora (mit Text von W. von Dalla Torre, Lfg. 1-36, Wien [* 13] 1881-84);
Schröter, Taschenflora des Alpenwanderers (3. Aufl., Zür. 1892);
Wünsche, Die Alpenpflanzen
(Zwickau
[* 14] 1893);
Kerner, Die Kultur der Alpenpflanzen
(Innsbr. 1864).