Alpenpflanzen
,
eigentümliche, die alpine und nivale
Region der
Alpen,
[* 2] also
Höhen von mehr als 1800 m,
bewohnende
Pflanzen mit meist verhältnismäßig großen und tiefgefärbten
Blüten und dichtem, polsterförmigem Rasenwuchs
mit kurzen, holzigen, im
Boden ruhenden Stämmchen. Diese
Flora besteht namentlich aus zahlreichen
Arten der
Gattungen
Steinbrech
(Saxifraga),
[* 3]
Enzian
(Gentiana),
Primel
(Primula), Miere
(Alsine),
Glockenblume
(Campanula), Leimkraut
(Silene),
[* 4] vielen
Kreuzblütlern,
Riedgräsern
(Carex sp.) u.
v. alpenpflanzen
, denen sich gewisse wenige
Zentimeter hohe
Weiden
(Salix herbacea, reticulata,
retusa) und die
Alpenrosen
(Rhododendron) anschließen.
Manche dieser Phanerogamen gehen, wenn auch in krüppelhaftem Wuchs, noch über die Schneegrenze hinauf; so haben sich z. B. Silene acaulis und Ranunculus glacialis noch über 3140 m gefunden. Darüber hinaus bilden ebenso wie gegen die Pole hin nur gewisse Kryptogamen, nämlich einige Moose [* 5] und steinbewohnende Flechten, [* 6] sowie mikroskopische Algen, [* 7] unter den letztern besonders der die Schneefelder und Gletscher überziehende rote Protococcus nivalis Ag., die letzten Spuren organischen Lebens.
Auf der Spitze der Jungfrau und selbst auf derjenigen des Montblanc bei 4520 m trifft man noch steinbewohnende Flechten (z. B. Lecidea confluens Fries). Zwischen den Floren der Alpenregionen und der klimatisch entsprechenden nördlich von den Alpen gelegenen geographischen Zonen (Lappland, Spitzbergen, Grönland etc.) zeigt sich ein gewisser Parallelismus. Die Alpen haben 294 hochalpine Arten, von denen 64 auch in den Hauptgebieten der arktischen Zone vorkommen.
Die letztern haben in überwiegender Zahl ihren Ursprungsherd in der gemäßigten Zone Nordasiens, nur wenige haben ihre Heimat im nordischen Küstengebiet Amerikas. Die gegenwärtige räumliche Trennung des alpinen und nordischen Wohngebiets bestand während der Eiszeit [* 8] noch nicht, wie aus Resten der nordisch alpinen Flora mitten im norddeutschen Tiefland bewiesen wird. Als rein alpine Arten zählt Christ nur 182 Arten auf, von denen sich jedoch viele von den Karpathen über die Alpen bis zu den Pyrenäen, südlich auch auf die Gebirge der mediterranen Halbinsel und östlich bis zum Kaukasus verbreiten.
Auch auf die mitteldeutschen
Gebirge ist eine Anzahl von Alpenpflanzen
übergegangen. Man hat gegenwärtig mit Erfolg
versucht, auch in der
Ebene zu kultivieren. Hierbei müssen ihnen möglichst dieselben Verhältnisse dargeboten werden, denen
sie an ihrem natürlichen Standort ausgesetzt sind; es ist nötig, ihnen die lichtesten
Orte zu geben, für eine ununterbrochene
Feuchthaltung zu sorgen und namentlich die
Vegetation im Frühjahr zu verzögern, was dadurch geschieht,
daß man während des
Winters größere Schneemassen aufbringt, festtritt und öfters begießt und im Frühjahr durch eine
Wand
Schutz
vor der Bestrahlung gibt. Auch auf die Zubereitung des
Bodens ist dabei ein Hauptgewicht zu legen.
Vgl.
Kerner, Die
Kultur der Alpenpflanzen
(Innsbr. 1864);
Weber, Die Alpenpflanzen
Deutschlands
[* 9] und der
Schweiz
[* 10] (4. Aufl.,
Münch. 1878, 4 Bde.);
Seboth, Die Alpenpflanzen
, mit
Text von
Gras
(Prag
[* 11] 1879-82, 3 Bde.);
Hartinger, Atlas [* 12] der Alpenflora, mit Text von Dalla Torre (Wien [* 13] 1882 ff.);
Christ, Pflanzenleben der Schweiz (Zür. 1879);
Müller, Alpenblumen, ihre Befruchtung [* 14] durch Insekten [* 15] (Leipz. 1881).