Alpen,
[* ] Benennung für eine besondere Art von Gebirgen (s. d.).
30 Seiten, 42'366 Wörter, 293'366 Zeichen
[* ] Benennung für eine besondere Art von Gebirgen (s. d.).
das mächtigste Gebirge Europas und im Herzen dieses Erdteils, in der Mitte zwischen Äquator und Nordpol, zwischen 43½ und 48° nördl. Br. und 5 und 16½° östl. L. von Greenwich gelegen, dem allgemeinen Umriß nach ein langgezogener, quer gegen den Meridian gerichteter, von S. über N. in NO. verlaufender Schlangenbogen, dessen im W. sehr scharfe Krümmung sich gegen O. zusehends verflacht. Die Länge dieses Bogens von Savona bis Wien mißt etwa 1100 km. Ihrem plastischen Aufbau und ihrer geolog.
Zusammensetzung nach bestehen jedoch die Alpen aus zwei gegen NW. und N. konvexen Bogen, die sich zwischen dem Lago Maggiore und dem Bodensee schräg gegeneinander legen. Beide Bogen enthalten je in ihrer Mitte die größten Massenerhebungen: die Gebirgsstöcke des Montblanc und Monte-Rosa im W. und die Ötzthaler Alpen im O. Dort aber, wo der westalpine Bogen auf den ostalpinen stößt, befindet sich eine Unterbrechung in dem stetigen Höhenzuge. Diese Zweiteilung tritt auf jeder guten Übersichtskarte (besonders auf Schichtenkarten) deutlich zu Tage.
Grenzen. Die Grenzen des Alpengebirges lassen sich nicht allenthalben durch eine scharfe Linie bezeichnen, weil der Übergang vom Gebirge zur Ebene nicht immer sprungweise, sondern oftmals sehr allmählich erfolgt; in letzterm Falle wird daher die Grenze durch einen mehr oder weniger breiten Saum vergegenwärtigt, dessen Lage am besten beim Anblick aus großer Ferne bestimmt wird, da an Ort und Stelle die unbedeutenden Aufragungen der nächsten Umgebung gegenüber der höhern, aber weiter abstehenden Hauptmasse des Gebirges unverhältnismäßig stark zur Geltung kommen. Im allgemeinen können folgende Orte als Markpunkte für den Verlauf der Alpengrenze betrachtet werden:
1) Äußerer Saum: Savona, Nizza, Moustiers, Digne, Carpentras, Valréas, Crest, Voreppe, Chambéry, Annecy, Bonneville, Thonon, Vevey, Bulle, Thun, Luzeru, Zug, Uznach, St. Gallen, Bregenz, Kempten, Füssen, Murnau, Neubeuern, Traunstein, Salzburg, Laufen, Straßwalchen, Gmunden, Steyr, Wilhelmsburg, Greifenstein, Wien;
2) innerer Saum: Savona, Colle Altare, Ceva, Boves, Saluzzo, Pinerolo, Ivrea, Arona, Lavello, Como, Bergamo, Brescia, Salo, Verona, Vicenza, Schio, Conegliano, Gemona, Cividale, Kirchheim, Krainburg, Franz, Windischgraz, Marburg;
3) östlicher Saum: Marburg, Eibiswald, Stainz, Graz, Hartberg, Friedberg, Güns, Kirchschlag, Ödenburg, Neudörfel, Neunkirchen, Wurflach, Leobersdorf, Baden, Wien. Innerhalb dieser Umgrenzung umfassen die Alpen ein Gebiet von 176000 qkm; ihre größte Breite findet sich in der Mitte des ganzen Gebirgszugs und mißt von Kempten nach San Bonifacio 275 km; der schmalste Durchschnitt ist jener von Chambery nach Avigliana mit 125 km. Mitunter werden die Grenzen des Alpengebietes weiter gezogen, indem jenes ganze Gebiet ins Auge gefaßt wird, das in hydrogr.
Beziehung von den Alpen abhängig ist, und das sich beispielsweise im W. bis zur Rhône, im N. bis zur Donau, im S. bis zum Po und zur Adria erstreckt. Daher findet man häufig weit größere Zahlen als Ausmaß der Alpen verzeichnet, doch gelten dieselben nicht dem Gebirge allein, sondern auch einem Teile der angrenzenden Ebenen. Diese, die als Basis des Gebirges zu betrachten sind, liegen in sehr verschiedener Höhe, und zwar im Süden weit tiefer als im Norden. Während der Südfuß der Alpen auf der Poebene zwischen 50 und 300 m schwankt, liegt der Nordfuß auf der schweiz. Hochebene zwischen 400 und 600 m, auf der oberbayr.
Ebene zwischen 600 und 900 m und im österr. Donaulande zwischen 200 und 500 m. Die westl. Begrenzungslinie erhebt sich von 50 bis gegen 400 m, die östliche hält sich ziemlich regelmäßig zwischen 300 und 400 m. Den mächtigsten Anblick gewähren deshalb die von Süden aus betrachtet, und zwar nicht nur wegen der tiefern Lage des Standortes, sondern auch, weil man sich dort innerhalb der Krümmung des Gebirgszugs befindet. Am berühmtesten ist mit Recht die Alpenansicht vom Mailänder Dom, die vom Monte-Viso bis zu den Gipfeln an den Quellen des Oglio reicht; sehr schön ist auch die vom Markusturme zu Venedig, vom Ortler bis zum Triglav.
Auf der Nordseite genießt man den schönsten Anblick der Alpen vom Gipfel des Feldberges oder von dem des Belchen im Schwarzwalde, von wo aus man dieselben, den herrlichen Gipfeln des Berner Oberlandes gegenüberstellend, vom Montblanc bis zum Zugspitz übersieht. Auch der Frauenturm zu München gewährt eine umfassende Ansicht. Innerhalb der Alpen selbst sind von den leicht erreichbaren Gipfeln ihrer Rundsicht wegen am berühmtesten: Faulhorn, Pilatus, Rigi, Säntis, Pfänder, Hohe Salve, Kitzbühler Horn, Schmittenhöhe, Gaisberg, Schafberg, Dobratsch u. a. m.
Höhe. Der Höhe nach unterscheidet man in den Alpen die Region der Niederalpen, die bis zur Grenze
des Baumwuchses, also ungefähr bis 1800 m reicht; die Region der Mittelalpen, von der Baumgrenze bis zur Firnlinie reichend, also von 1800 m bis 2800 m; die Region der Hochalpen, das Gebiet des «ewigen Schnees» (Firn) umfassend. Am reichlichsten sind diese Stufen auf der Nordseite der Alpen, besonders in den Ostalpen, entwickelt, da sich dort das Gebirge sehr allmählich zur Ebene abdacht. Der Südabfall ist steiler, so daß man dortselbst im Abstiege häufig die verschiedensten Klima- und Vegetationsgebiete durchschreitet und in wenigen Stunden aus der Eisregion in Kastanienwaldungen herabgelangt. Die Mehrzahl der hervorragendern Alpengipfel erreicht 3000-4300 m Höhe. Die Westalpen sind höher als die Ostalpen, welche nur einen einzigen Gipfel von über 4000 m Höhe, den Piz Bernina (4052 m), aufweisen. Die sechs höchsten Alpengipfel sind: Montblanc (4810 m), Monte Rosa (4638 m) Dom (4554 m), Lyskamm (4538 m), Weißhorn (4512 m), Matterhorn (4505 m);
die übrigen Gipfel messen schon unter 4500 m. Die Durchschnittshöhe beträgt 1400 m.
Geologischer Bau. Die Alpen sind gleich den meisten übrigen großen Gebirgszügen der Erde ein Faltungsgebirge, entstanden durch einen tangentiellen Zusammenschub der festen Erdkruste. Der Betrag der Faltung ist sehr bedeutend; man hat gefunden, daß die Alpen, wenn man ihre Falten ausgleichen könnte, 120 km an Breite gewinnen würden, so daß also das Alpenland durch den Zusammenschub beinahe auf die Hälfte seiner ursprünglichen Breite gebracht wurde. Trotzdem sind in den Alpen die Falten nicht das eigentlich formgebende Element; das Gebirge tritt uns vielmehr als gewaltige Ruine eines Baues entgegen, dessen ursprünglich tektonischen Grundzüge durch die Einwirkung von Denudation und Erosion stellenweise bis ins Unkenntliche verändert wurden. Mächtige Bergketten verlaufen heute, wo sich nach dem tektonischen Grundriß des Gebirges ein tiefes Faltenthal befinden sollte, und an Stelle eines hochgeschwungenen Faltenzugs begegnet man nicht selten einer tiefeinqeschnittenen Thalung. Die Menge des durch Wasser abgetragenen und weggeführten Materials dürfte die Hälfte der ursprünglichen Gesamtmasse betragen.
Die Felsarten der Alpen sind teils krystallinisch, teils sedimentär. Das Grundgerüste der Alpen wird von einem krystallinischen Kern gebildet, der von einem Mantel sedimentärer Gesteine umgeben ist. Der krystallinische Kern bildet aber kein zusammenhängendes Ganzes, sondern teilt sich in einzelne (etwa 36) «Centralmassen», die durch geschichtete Gesteine voneinander getrennt werden. Die am vollkommensten krystallinisch ausgebildeten Gesteine, besonders Gneis und Granit, bilden stets den Kern des Massivs, während die unvollkommen ausgebildeten Gneise, Amphibolgneise, Glimmerschiefer, Talkschiefer, Chloritschiefer, Kalkglimmerschiefer, grüne und graue Schiefer mit krystallinischen Kalklagen, Kalkthonschiefer u. s. w. nach außen zu folgen.
Die Struktur der Centralmassen ist entweder eine fächer- oder eine gewölbeartige, je nachdem der Betrag der Faltung ein größerer oder ein geringerer gewesen. In den westlichen Alpen haben die Centralmassive eine ellipsoidische Gestalt, in den östlichen Alpen treten mehr rückenartig fortlaufende Längsmassen hervor. In ihrer Gesamtheit bilden die Centralmassen die Mittelzone der Alpen, die nördlich und südlich von je einer Zone sedimentärer Gesteine begleitet wird.
Diese Anordnung kommt jedoch erst in den Ostalpen zur vollen Geltung, da in den Westalpen die südl. Sedimentärzone größtenteils niedergebrochen und daher heute nicht mehr vorhanden ist. Die Art und Weise, in der die einzelnen sedimentären Formationen in den Alpen auftreten, läßt erkennen, daß die letztern aus ursprünglich vereinzelten Gebieten von eigenartiger geolog. Entwicklungsgeschichte bestehen, die erst in verhältnismäßig junger Zeit von gleichsinnigen dynamischen Bewegungen erfaßt und zu einem einheitlichen Kettengebirge umgestaltet worden sind.
Die paläozoischen Formationen sind im allgemeinen spärlich entwickelt, was darauf hindeutet, daß die Alpen zu jener Zeit größtenteils Festland gewesen sind. Silur und Devon sind mit Sicherheit nur in den Ostalpen nachgewiesen, Carbon und Perm dagegen finden sich schon in größerer Verbreitung sowohl in den Ost- wie Westalpen; die letztern Bildungen sind jedoch nicht marinen Ursprungs, sondern kamen in Binnenseen oder in Ästuarien zur Ablagerung. Erst zu Beginn der mesozoischen Periode fand eine umfassende Submersion eines Teils des Alpengebietes statt, indem die Ostalpen, bislang mit den Westalpen und dem böhm. Festlande zusammenhängend, sich durch Senkung von beiden lostrennten.
Die Senkung erfolgte allmählich und hielt durch lange Zeit an, was aus der enormen Mächtigkeit der ostalpinen triasischen Bildungen und aus dem häufigen Wechsel der Facies, der die Ablagerung aus einer Tiefsee ausschließt, hervorgeht. In ähnlichem Maße, als die Senkung vorschritt, lagerten sich die Sedimente aufeinander, so daß das Meer immer verhältnismäßig seicht blieb und gewiß niemals jene Tiefe von mehrern tausend Metern erreichte, wie sie der Mächtigkeit jener Sedimente entsprechen würde.
Die Westalpen waren zur Triaszeit größtenteils Festland und sanken erst mit Anbruch der Juraperiode allmählich unter den Meeresspiegel hinab, weswegen auch das westalpine Kalkgebirge im Gegensatze zu dem ostalpinen vorzugsweise aus Malm- und Kreidebildungen besteht. Die Ostalpen hinwieder begannen schon vor und während der Kreidezeit neuerdings über den Meeresspiegel sich zu erheben, und zwar begann die Hebung im Osten und schritt von da gegen Westen vor, was aus dem Umstande ersichtlich wird, daß in der angegebenen Richtung immer jüngere Formationsglieder über die ältern die Oberhand gewinnen.
Nur die Wiener Randstein- oder Flyschzone scheint zur Kreide- und ältern Tertiärzeit, im Gegensatze zu den sich hebenden Nordostalpen, einen langsam, aber stetig sich senkenden Meeresstrich gebildet zu haben und ist demnach als die eigentlich geologische und nur der Ausbildung nach veränderte Fortsetzung der schweiz. Kalkalpen zu betrachten. Während zur jüngern Tertiärzeit die Gebirgsbildung der Ostalpen schon beendet war, hatten die Westalpen und die Flyschzone erst während des Miocäns begonnen, sich über den Meeresspiegel zu erheben, und die Aufwölbungen und Überschiebungen der schweiz. Molasse bekunden, daß der Faltungsprozeß bis in die allerjüngste Zeit hinein andauerte. Die Grenze zwischen diesen beiden großen, in ihrer Entstehungsgeschichte so sehr verschiedenen Teilen des Alpengebietes wird im N. durch die Rheinlinie, im S. durch den Lago Maggiore bezeichnet. Der Trias-Lias-Zug, der den ganzen Nordrand der Ostalpen von Wien her begleitet, setzt nicht über den Rhein hinüber, sondern wendet
(Doppelseitige Farbkarte)
Maßstab 1:2.550.000
sich im Rhätikon, der eingangs erwähnten allgemeinen Biegung des ostalpinen Gebirgsbogens entsprechend, gegen SW. und S., woselbst er durch transversal von W. herübergreifende Kreidebildungen plötzlich abgeschnitten wird. Weiter südlich, jenseit des Einsturzgebietes des Prättigaus, tauchen triasische Kalke wieder auf und verbreiten sich bis in die Gegend der Bernhardin- und Splügenpässe, nach Oberhalbstein und über den Albulapaß bis zum Ortler. In den Alpen westlich vom Rhein fehlen die Ablagerungen der Trias- und Liasperiode entweder ganz, oder treten nur in einzelnen Streifen auf, ohne zusammenhängende Gebirgszüge von größerer Ausdehnung zu bilden. Im Süden fehlen die Kalkalpen westlich vom Lago Maggiore ganz.
Weitere Unterschiede zwischen Ost- und Westalpen sind in letzter Linie durch die geogr. Verteilung der dem Alpengebirge im N. vorgelagerten alten krystallinischen Massen bedingt. Während die Ostalpen bei ihrer Entstehung nur an ihrem östl. Ende mit der Südspitze der «Böhmischen Masse» zusammenstießen, stellten sich der Entfaltung der Westalpen der Schwarzwald, die Vogesen und das Französische Centralplateau entgegen; infolgedessen wurde die faltende Kraft, die sich in den Ostalpen über weitere Entfernungen verteilen konnte, in den Westalpen gewissermaßen konzentriert und mußte deshalb hier eine stärkere Aufbäumung der Gebirgsmassen bewirken.
Der Mangel an großen Längenthälern ist eine unmittelbare Folge dieser Erscheinung; den drei großen Längsthalzügen der Ostalpen: Inn-Salzach-Enns, Mur-Mürz, Rienz-Drau, ist in den Westalpen als gleichwertig nur der Thalzug Rhône-Rhein gegenüberzustellen. Ost- und Westalpen bestehen nämlich nach den neuern geolog. Forschungen aus einzelnen aneinandergeschobenen Parallelketten, die ebensovielen Faltenzügen entsprechen. In den Ostalpen war der Zusammenschub gering, der Faltenwurf beschränkte sich auf Gewölbebildung, die Ketten blieben voneinander getrennt, so daß sich in den Mulden zwischen ihnen Längsthäler herausbilden konnten; ja im äußersten Osten treten die Ketten sogar fingerförmig auseinander.
In den Westalpen dagegen war der Zusammenschub äußerst heftig, die Ketten konnten sich nach Norden nicht ungehindert ausbreiten und wurden infolgedessen so heftig an- und ineinander gepreßt, daß sie in der Plastik des Gebirges nicht allenthalben selbständig hervortreten, sondern vielfach nur von dem Geologen nachgewiesen werden können. So sehr wurden die Falten zusammengepreßt, daß es zur vollständigen Überkippung kam, zur sog. Fächerbildung, die, im Gegensatze zu der Gewölbestruktur der Ostalpen, für einen großen Teil der Westalpen charakteristisch ist.
Die starke Krümmung des westalpinen Gebirgsbogens und die damit Hand in Hand gehende Verkürzung seines innern Randes gegenüber dem äußern, hatte in dem erstern auch seitliche Druckwirkungen zur Folge, die senkrecht auf die allgemeine Faltung gerichtet waren und stellenweise das Übergewicht über diese gewannen. Daher kommt es, daß die Umbiegung des Adulasystems, die unter dem Widerstände der Ostalpen erfolgte, nicht das einzige Beispiel ihrer Art geblieben ist, sondern sich im Innern des Gebirgsbogens auch anderwärts wiederholt.
Das meridiane Streichen einzelner Glieder der Tessiner und der Monte-Rosa-Gruppe, sowie die Hinneigung zu der Bildung von Ringgebirgen in den östl. Teilen der Grajischen und der Cottischen Alpen sind Folgen der Behinderung, die der Faltungsprozeß an der Innenseite des großen Bogens in sich selbst gefunden hat, und die Bedeutung dieser Erscheinung wird dadurch nicht wenig vermehrt, daß ähnliche Vorkommnisse an der Außenseite der Alpen gänzlich fehlen.
Das verwickelte innere Gefüge der Westalpen, ihre große Höhe und die häufige Wiederkehr der fächerförmigen Aufrichtung der Schichten erscheinen also in gleicher Weise durch den passiven Einfluß der alten ruhenden Massen bedingt, die sich einer weitern Ausbreitung des Gebirges gegen W., NW., N. und NO. entgegenstellten. Die bedeutende Höhe und die geringe Breite dieses Gebirgsgürtels wiederum verursachen, daß man in demselben einer so außerordentlichen Tiefe der Thaleinschnitte begegnet.
Denn da sich hier das Gefälle der Flüsse jederzeit auf eine kürzere Strecke verteilte als in den breitern Ostalpen, die noch dazu nicht gerade auf den kürzesten Wegen entwässert werden, so war die Wirkung der Erosion gesteigert, und es konnte eine raschere Tieferlegung der Thalsohlen erzielt werden. Am Fuße des gewaltigsten Bergriesen der Alpen, des 4810 m hohen Montblanc, ist Chamonix in einer Höhe von nur 1052 m gelegen! Einen auffallenden Zug besitzen die Westalpen ferner in dem stark zickzackförmigen Verlauf ihrer Hauptwasserscheide, der als eine unmittelbare Folge der überwiegenden Querthalbildung zu betrachten ist.
In den Ostalpen, deren Entwässerung durch Längenthäler geregelt wird, nimmt der Höhenzug des Gebirges, und mit ihm die Wasserscheide, einen mehr geradlinigen Verlauf. Die Querthäler sind hier zu kurz, als daß sich wesentliche Unterschiede hinsichtlich ihrer Verzweigung geltend machen könnten, und vermögen deshalb die Wasserscheide nur zu ganz geringen Ausweichungen zu bewegen. Der nach Süden einspringende Winkel der Wasserscheide in ihrem Verlaufe vom St. Gotthard über die Bernina zur Reschenscheideck ist jedoch durch den fast rechtwinkligen Aufeinanderstoß des westl. und des östl. Alpenbogens bedingt.
Die Thäler in den Alpen unterscheidet man als Längs- und Querthäler; erstere stimmen mit der Richtung der Gebirgsketten überein und zeichnen sich bei meist geringem Gefälle durch eine bedeutende Längenausdehnung aus; letztere verlaufen senkrecht zu der Gebirgsrichtung und sind meist kurz und steil. Beispiele ersterer Art sind die bereits erwähnten Thäler der Rhône, des Rheins, Inns, der Salzach, Enns, Mur, Mürz, Drau u. s. w., Beispiele der letztern Art sind die Thäler der Neuß, des Tessin, Oglio, das Ötzthal, Zillerthal, Gasteiner Thal u. a. m. Bezeichnend für die Querthäler ist ihre Stufenbildung, die darin besteht, daß in verschiedener Höhe gelegene, mehr ebene Thalböden durch Steilabfälle miteinander verbunden sind.
Ist der Abfall jäh und kurz, dann bildet der Thalbach daselbst einen Wasserfall (Handeckfall, Krimmler Fälle, Gasteiner Fall, Gößnitzfall, Waldbachstrub u. s. w.); verteilt sich die Abstufung jedoch auf eine längere Strecke, und fließt daselbst der Bach in einer tiefen Schlucht, dann nennt man dies eine «Klamm» (Kitzlochklamm, Liechtensteinklamm, Wimbachklamm u. s. w.). Eine dritte Gruppe von Thälern bilden die Durchbruchsthäler, die Gebirgsketten quer durchbrechen (Rhônethal zwischen Martigny und Genfer See, Innthal zwischen Wörgl und Kufstein, Salzach zwischen Bischofshofen und Salzburg, Enns zwischen Admont und Steyr u.s. w.).
Die Alpen sind das Hauptquellengebiet von Mitteleuropa, doch nehmen sie nur auf einer kurzen
Strecke, von den Freiburger über die Berner den Gotthard, Albulapaß bis zum Arlberg, die europ. Hauptwasserscheide in sich auf. Diese tritt von den Vogesen her über den Jura, den Genfer See im N. umziehend, in die Alpen ein und verläßt diese, um nördlich um den Bodensee herum dem Schwarzwald und weiterhin dem Fichtelgebirge zuzustreben. Sie fällt innerhalb der Alpen mit der Wasserscheide des Rheingebietes gegen Rhône-, Po- und Donaugebiet zusammen. Das sind die Hauptstromgebiete der Alpen, denen gegenüber die Gebiete der Etsch und der adriatischen sowie der mittelländischen Küstenflüsse nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Mittelpunkt der Wasserverteilung der Alpen ist der Stock des St. Gotthard, im besondern der Pizzo Pesciora, von welchem Reuß (Rhein), Rhône und Tessin sich in die Nordsee, das Mittelmeer und nach der Adria hin ergießen. Auch die Fuorcla di Lunghino zwischen Septimer und Maloja ist in dieser Beziehung von hervorragender Bedeutung, da sich auf ihr die Flußgebiete vom Rhein, Po und Inn (Donau) berühren. Sonst giebt es in den Alpen keinen Punkt, von dem die Gewässer nach drei verschiedenen Meeren hin abfließen. Als Berührungspunkte dreier Flußgebiete wären noch anzuführen: die Enchastraye in den Meeralpen (Rhône, Var, Po), der Passo dei Pastori in den Spölalpen (Donau, Etsch, Po), der Bodenknoten am Toblinger Riedl in den Ampezzaner Dolomiten (Donau, Etsch, Piave) und noch einige andere von geringerer Bedeutung.
An Mineralquellen sind die Alpen sehr reich, und manche derselben, wie die Thermen (Wildbäder) von Ragaz-Pfäffers im schweiz. Kanton St. Gallen, Bormio im Oberveltlin und Gastein in den Tauern, die Schwefelthermen von Air-les-Bains in Savoyen und Leukerbad im Wallis, der Eisensäuerling von St. Moritz und der Natronsäuerling von Schuls-Tarasp im Engadin, die Solen von Ischl im österr. Salzkammergut und von Reichenhall in Oberbayern, gehören zu den geschätztesten und besuchtesten Heilquellen Europas.
Der Erzreichtum der Alpen ist im Verhältnis zu ihrer Ausdehnung nicht bedeutend, und der Bergbau ist nur in den Ostalpen von Wichtigkeit. In den West- und Mittelalpen sind die meisten der ehemals sehr zahlreichen Bergwerke aufgegeben worden, einesteils wegen der durch die starken Lagerungsstörungen der Gesteine bedingten Unsicherheit hinsichtlich der Bauwürdigkeit der Erzgänge, andernteils wegen des Mangels an billigen Brennstoffen, der die Verhüttung der Erze verteuert, sowie wegen der zu großen Transportkosten.
Der Bergbau liefert deshalb in den Alpengebieten der Schweiz, Frankreichs und Italiens nur Anthracitkohlen, etwas Eisen und Nickel, Blei und Steinsalz. Dagegen sind die Ostalpen verhältnismäßig reich an Erzen und Steinsalz. Steiermark und Kärnten liefern das beste Eisen, Kärnten Blei, Krain Zink und Quecksilber; Salinen finden sich in Oberösterreich und Salzburg, Tirol und Oberbayern. Gold und Silber fehlen fast ganz, abgesehen von einigen unbedeutenden Vorkommnissen in den Hohen Tauern, während nutzbare Bausteine (wie Granit, dichte Kalksteine, Marmor u. s. w.), Schiefer und Topfstein nicht selten sind. An Mineralien sind die Centralalpen überall reich. Berühmte Fundstätten sind u. a. die Umgebungen des Montblanc und des St. Gotthard, die Mussaalpe in Piemont, das Fassathal in Südtirol, der Greiner im Zillerthal u. s. w.
Über Alpenseen und Alpengletscher s. Seen und Gletscher.
Einteilung der Alpen. Schon die Römer haben im Alpengebiete einzelne Territorien unterschieden, die zumeist nach Provinzen oder nach den Völkerstämmen benannt wurden, die sie bewohnten. So entstanden die Bezeichnungen Alpes poeniae, Alpes rhaeticae, Alpes carnicae u. s. w., die sich bis auf heute erhalten haben. Während jedoch die Römer, jeden Interesses an der Gebirgswelt bar, bei ihrer Einteilung nicht das Gebirge an und für sich, sondern lediglich das Land im Auge hatten, hat man in unserer Zeit sich vielfach bestrebt, das Gebirge um seiner selbst willen Zu zergliedern.
Man hat sich jedoch hierbei meistenteils nicht so sehr von orographischen als vielmehr von hydrogr. Momenten leiten lassen und hat das Gebirge solcherart nach Maßgabe der wichtigern Flußläufe wohl in Parzellen zerschnitten, nicht aber in Gruppen zergliedert. Es war dieser Vorgang, den bis vor kurzem die ausgezeichnetsten Alpengeographen befolgten, ebenso einseitig wie der Versuch Désors, eine Alpeneinteilung einzig und allein auf Grund der Centralmassen zu schaffen.
Gegenwärtig hat sich die Erkenntnis Bahn gebrochen, daß bei einer naturgemäßen Einteilung solche Teile des Gebirges in eine Gruppe zusammengefaßt werden müssen, die sich durch Einheitlichkeit ihrer Physiognomie auszeichnen, die also eine durch den innern Bau und die Zusammensetzung des Materials, sowie durch die Übereinstimmung des plastischen Aufbaues bedingte Ähnlichkeit der orographischen Gestaltung aufweisen. Es ist nicht zu verkennen, daß die bisherige Einteilung der (von Sonklar, Studer, Wäber, von Haardt u. a.), die in Wirklichkeit einzig und allein das Flußnetz berücksichtigen, den Vorteil größerer Einfachheit für sich haben; aber diese Einfachheit ist nicht in der Natur des Gebirgen begründet und führt zu einer Täuschung über die wahre Anordnung der Gebirgsmassen. Die allgemeinen plastischen Verhältnisse und der geolog. Entwicklungsgang verlangen eine Zweiteilung des Alpengebirges in Ost- und Westalpen, und zwar erscheint nach den neuesten Forschungen als natürliche Grenze zwischen beiden eine vom Rhein über den Greinapaß zum Lago Maggiore gezogene Linie, was mit der Depression, die der Gebirgszug in dieser Gegend erleidet, auf das beste übereinstimmt.
Demnach zerfällt das Alpengebirge in: I. Westalpen, diese teilen sich folgendermaßen: Alpen. Innerer Gneisalpenzug; B. Äußerer Gneisalpenzug; C. Französische Kalkalpen. II. Ostalpen, zu teilen in: Alpen Gneisalpen;
B. Schieferalpen;
C. Nördliche Kalkalpen;
D. Südliche Kalkalpen;
E. Becken von Klagenfurt. (Die weitern Unterabteilungen s. unter den Artikeln Westalpen und Ostalpen; vgl. die Karten: Einteilung der Alpen, Westalpen, Ostalpen.)
Klimatische Verhältnisse. Die Alpen bilden eine wichtige klimatische Scheide, denn der Kamm ihrer südlichsten Hauptkette trennt das mitteleurop. Klimagebiet von dem mediterranen. Zu jenem, welches sich durch blattwechselnde Laubhölzer und gesellig lebende Gräser auszeichnet, gehören die nördlich vorgelagerten Hochebenen mit einer mittlern Jahrestemperatur von 8 bis 10° C., zu dieser, der Zone der immergrünen Laubhölzer und der Olive, die lombard. und die provencal. Tiefebene mit 12-14° Mitteltemperatur. Der Alpengürtel zwischen beiden Zonen vereinigt auf dem engen Raume von fünf Breitengraden in scharfen Gegensätzen alle Klimate vom wärmern gemäßigten bis
zum kalten Polarklima. Südfrüchte und Edelkastanien, Rebe und Olive gedeihen am Fuße der firn- und gletschertragenden Spitzen; saftig grüne Alpentriften und fruchtbare Getreidefelder wechseln mit kahlen Felsen und Schutthalden, dunkle Nadelwälder mit üppigem Laubholz. Vom Fuße bis zu den Gipfeln nimmt die mittlere Temperatur der Alpen durchschnittlich um 0,58° C. für je 100 m Erhebung ad (1° C für 175 m). Die obere Grenze des Laubwaldes fällt ungefähr mit der Höhenisotherme von 4,8° C. zusammen, diejenige des Getreidebaues mit 5,2°, die des Nadelholzes mit 1°. Eine mittlere Temperatur von 0° findet sich am Nordrande bei etwa 2000 m Höhe, in den Centralalpen bei 2100, in den südlichen Alpen bei 2400 m. Die Firngrenze, d. h. die Linie, oberhalb der der Firn auch im Hochsommer bleibt, entspricht keiner bestimmten Mitteltemperatur, da ihre Lage auch noch durch andere Umstände, vor allem durch die Niederschlagsmenge mitbedingt wird (s. Gletscher).
Die mittlere Temperatur der höchsten Gipfel mag wohl -12 bis -15° C. betragen, und das Klima derselben entspricht ungefähr demjenigen des 70.° nördl. Br. Abgesehen von den örtlichen, durch die Gegensätze von Berg und Thal, von Firn und Vegetation u. s. w. bedingten Winden, herrschen in den Alpen der Nordostpassat und der Südwest-Antipassat vor, zu dem auch der Föhn (s. d.) zu rechnen ist. Für die Alpen sind alle Winde von SO. über S. bis gegen NW. feuchte Winde, nur das Viertel von N. bis O. bringt trockne Luft.
Die Regenmenge der Alpen ist größer als diejenige der Ebenen am Rande; am größten in den Thälern des Südabhangs, geringer in den Hochthälern des Innern, z. B. Engadin und Oberwallis. Die Regenmenge wächst mit der Höhe bis zu einer gewissen Grenze (etwa 2000 m), dann nimmt sie wieder ab. Im Mittel beträgt sie in den Alpen 1,08, am Südabhang 1,46, im Tessin sogar 1,7, am Nordabhange 0,92 und am Westabhange 1,19 m, während die süddeutsche Hochebene 0,68, das Engadin 0,85 und die Poebene 0,98 m aufweisen.
Im N. herrschen die Sommer-, im W. und S. die Herbstregen vor. Die Zahl der Regentage ist geringer, als man nach den Regenmengen erwarten sollte; so hat der St. Gotthard bei jährlich 278 Nebeltagen und einer Regenmenge von 1,98 m nur 107 Regen- und Schneetage, die nördlich vorgelagerte Hochebene dagegen bei dreimal geringerer Regenmenge durchschnittlich 120-160 Regen- und Schneetage. Bereits in einer Höhe von etwa 2300 m zählt jeder Monat Schneetage; in den Hochregionen, von etwa 3000 m aufwärts, nehmen dieselben rasch zu, ohne indes die Regentage ganz zu verdrängen.
Der Schnee der Hochalpen ist trocken und feinkörnig und wird vom Winde oft in wilden Wirbelstürmen, im Berner Oberlande Guxeten genannt, um die Gipfel gejagt. Durch abwechselndes Schmelzen und Zusammenfrieren verwandelt er sich allmählich in Firn, und dieser wieder in Gletschereis. Lösen sich Schnee- oder Eismassen von hochgelegenen Punkten ab und stürzen zu Thale, so bilden sie die oft sehr gefährlichen Lauinen oder Lawinen (s. d.). Nicht weniger gefährlich als die Lawinen sind die Verheerungen des Wassers in den Alpen. Heftige Gewitter, am Südabhange oft von Hagel begleitet, lange andauernde Regen, starke, durch den Föhn bedingte Abschmelzung des Schnees und der Gletscher bringen die Bergbäche zu raschem Anschwellen.
Die tief eingeschnittenen, felsigen und steinigen Betten, die im Hochsommer fast wasserleer sind, füllen sich schnell mit trüben Wassermassen, die donnernd, mit wütender Gewalt Felsblöcke, Bäume u. s. w. mit sich reißend, durch die Runsen niederstürzen, um die Felder und Wälder der Thäler unter Geröll, Schutt und Schlamm zu begraben. Infolge der unsinnigen Entwaldung der Alpen, die leider auf dem Südabhange noch jetzt fortgesetzt wird, nimmt trotz aller Schutzbauten diese Gefahr nicht merklich ab; in der Schweiz sucht man in letzter Zeit dieselbe durch Aufforstung der Quellgebiete zu verringern.
Auf dieselbe Ursache, d. h. auf die Entblößung des Bodens von der schützenden Walddecke läßt sich großenteils auch der unregelmäßige Wasserstand der Alpengewässer überhaupt zurückführen, die in der trocknen Jahreszeit wasserarm sind, um zur Zeit der Schneeschmelze oder bei dem langen Regen des Herbstes zu verheerenden Fluten anzuschwellen. Auf die Wirkung des Wassers sind auch die vielen Erdschlipfe und Erdlawinen, Steinschläge und Bergstürze zurückzuführen, denen die Thäler der Alpen ausgesetzt sind.
Teils durch die chemische, teils durch die mechan. Wirkung des Wassers werden Erd- und Steinarten aufgelöst, verwittert oder weggeführt. Ganze Erdschichten können dadurch ihrer Stütze beraubt und an stark geneigten Stellen zum Gleiten gebracht werden; durch das Eindringen des atmosphärischen Wassers in die Spalten der Gesteine, verbunden mit der Einwirkung vou Frost und Hitze, werden manche Felsarten, besonders einzelne Schiefer-, Kalk- und Dolomitgesteine, in ihrem Zusammenhange gelockert, einzelne Massen lösen sich nach langem oder heftigem Regen, zur Zeit der Schneeschmelze u. s. w. ab und stürzen als Steinschläge zu Thal. Zeigt sich diese Erscheinung in großem Maßstabe, lösen sich ganze Felsschichten gleichzeitig ab, so entstehen Bergstürze (s. d.).
Pflanzenwelt. Die Alpenpflanzen bilden die hauptsächlichste Zierde der Flora Europas nördlich vom 40.° nördl. Br.; diese enthält hier die größte Zahl eigentümlicher, sonst nicht weiter auf der Erde verbreiteter Arten. Viele derselben sind zwar durch die ganze Alpenkette gemeinsam zu finden, viele andere aber sind beschränkt; die schönen Sträucher des Alpen-Goldregens (Cytisus alpinus Mill.) und der Coronilla emerus L. leben nur in den Westalpen bis zum Jura, der seltenere Cytisus Weldeni dagegen nur in den Ostalpen-Ausläufern; manche kalte Stauden sind auf einzelne Berggruppen beschränkt, und so lassen sich die Standorte zunächst nach vier Hauptgruppen sammeln: Westalpen (und Jura), Schweizer Central- und Nordalpen, Tiroler Südalpen, und Ostalpen.
Den West- und Südfuß des mächtigen Gebirges umrandet die mediterrane, südeurop. Flora, die im Tessin mit Cistusgebüschen und Baumheide bis 300 m hoch ansteigt. Der Nordfuß geht in die allgemeine mitteleurop. Flora (s. Europa) über und zeigt eine weite Ausbreitung vieler gemeiner alpinen Arten über die Mittelgebirge und weiterhin. Der Ostfuß begegnet in Illyrien den Formen der pontischen Gebiete Europas, welche bis gegen Wien hin die Oberhand haben. - Die natürliche Pflanzendecke, unten vielfältig durch Kultur verändert, bildet in der ganzen Kette gleichmäßig die fünf Schichten der vorherrschenden Laubwälder (Eiche, Buche, Ahorn u. s. w.), der vorherrschenden Tannen-, Fichten-, Arven- (oder Zirbelkiefer-) und Lärchenwaldungen, die der Alpensträucher (Krummholz, Alpenrosen oder Rhododendren), die der Alpenmatten
und blumenreichen Triften, und endlich die der alpinen Gerölle mit lockerm, sich allmählich im ewigen Schnee verlierendem Pflanzenwuchs weniger sehr harter Stauden (in der Schweiz noch 340 Arten zerstreut über 2600 m hoch vorkommend!), Moose und Steinflechten. Die Flora der Hochalpenregion zeigt auffallende Übereinstimmung mit derjenigen der arktischen Zone, weniger in den äußersten Vorposten der Holzpflanzen. Eigentümlich verschieden ist auch die Reihenfolge, in der in den von unten nach oben, in der nordeurop.
Zone von S. nach N. die gleichen Holzgewächse nacheinander verschwinden. In den Alpen bleibt zuerst die Eiche zurück, dann folgen Kiefer, Buche, Birke, Fichte und Erle; im N. dagegen verschwindet zuerst die Buche, dann die Eiche, Kiefer, Fichte und Birke. Die Rebe gedeiht in den nördlichen Alpen bis zu etwa 500, in den Centralalpen bis zu 600, am Südabhange bis zu 900 m ü. d. M. Die mittlere Getreidegrenze liegt bei 900, bez. 1300 und 1550 m, jedoch steigt die Kultur an einzelnen Stellen bis zu 1200 und 1650, in den Südalpen sogar bis zu 1950 m empor. - Die Regionen erreichen selbstverständlich in den Hauptgruppen der und je nach der Lage der einzelnen Berge eine verschiedene Höhe, sind auch nicht so scharf umgrenzt, wie man glauben möchte, sondern zeigen vielfältige natürliche Übergänge. Im Tessin herrscht die eßbare Kastanie bis 900 m, die Buche bis über 1500, die Nadelhölzer bis 2200 und einzelne Bäume gehen im Strauchgürtel sogar bis 2100 m; im Allgäu fehlt die Kastanie, die Buche herrscht bis 1400 m, der Nadelwald von da bis 1750 m und die Arve (Zirbelkiefer) steigt vereinzelt bis 1870 m. In diesen Regionen sinkt die Vegetationszeit allmählich von acht auf fünf Monate, um sich in den beiden obersten auf vier oder zwei Monate zu verkürzen. Zwergweiden, die nicht mehr Gesträuche zu nennen sind, steigen im Allgäu noch über 2500 m hoch (Salix herbacea L.), und hier ist die Heimat der mannigfaltigen Primulaceen, Gentianen, niedern Kruciferen, Steinbrecharten, Ranunkeln, Glockenblumen und Nelkengewächse mit frostharten Gräsern, Riedgräsern und Binsen. (S. Alpenpflanzen.)
Tierwelt. Diese ist im ganzen weniger als die Pflanzenwelt an bestimmte Klimate und Höhenstufen gebunden und bietet deshalb in den Alpen wenig Eigentümliches, nur finden sich als Überreste aus der Eiszeit (s. d.) eine Anzahl nordischer Formen. Abgesehen von den großen gezüchteten Rinder-, Ziegen- und Schaf-, auch wohl Pferdeherden, ist sie nicht besonders zahlreich; die früher den Alpen einheimischen Tiere sind durch die wachsende Kultur teils ausgerottet, teils in die unwirtlichsten und unzugänglichsten Gegenden zurückgedrängt worden.
Den obersten Zonen sind eigentümlich: der Steinbock, der fast nur in den Grajischen Alpen noch vorkommt, die Gemse, das Murmeltier, das unmittelbar unter der Schneegrenze haust, der Alpenhase und die Alpenschneemaus (Hypudaeus alpinus Wegl.) auf dem Finsteraarhorn nach von Tschudi bis 3700 m. Vorkommende Vögel sind: der Lämmergeier, der Steinadler, das Schneehuhn, der Schneefink, die Alpendohle und die Alpenkrähe, der Alpenfluhvogel. In den mittlern Stufen hausen das Auerhuhn, das Birkhuhn und das Steinhuhn, der Nußheher, der Alpensegler, der Mauerläufer, der Alpensalamander, die redische, die schwarze und die gemeine Viper.
Wolf und Fuchs, Wildkatze und Luchs, Wiesel und Hermeline, sonst Thalbewohner, sind wie der Bär, der am häufigsten in den Südrhätischen und Ortleralpen vorkommt, durch die Kultur aus den untern Gegenden verdrängt worden und streifen und wohnen nun selbst noch oberhalb der Baumgrenze. Die Alpengewässer sind reich an Fischen, besonders an Forellen (See-, Bach- und Rotforellen), Saiblingen, Schmerlen, Hechten, Barschen und Äschen. Die meisten niedern Tierarten sind nicht bis zur Schneelinie verbreitet und die Zahl der Arten nimmt von unten nach oben rasch ab, es finden sich aber eine nicht unbedeutende Anzahl den Alpen ausschließlich eigentümliche Arten oder Ortsrassen.
Als ständige, nicht verschlagene Bewohner werden über 2200 m folgende niedere Tiere beobachtet: 2 Schnecken, etwa ein Dutzend Schmetterlinge, von Käfern eine Anzahl Lauf-, Raub- und Flugkäfer, eine Chrysomeli;
von Hautflügern die Felshummel, eine Blattwespe, die Bienenameise (Mutilla europaea L.), ferner eine Grille, einige Spinntiere, darunter mehrere Milben und bis 3240 m ein Weberknecht (Opilio glacialis Brem.), eine Höhe, bis zu der selbst der Gletscherfloh (s. d.) nicht steigt.
Bevölkerung. Die ältesten Spuren menschlicher Ansiedelungen in den Alpen sind die Pfahlbauten, deren Überreste überall in den Seen am Rande des Gebirges, besonders zahlreich im Genfer, Züricher und Bodensee, auch im Starnberger oder Würmsee und in vielen kleinern, zum Teil versumpften Auswaschungsseen der Hochebene vorkommen. Auch der Südrand der Alpen hat im Lago Maggiore spärliche Überreste von Pfahlbauten aufzuweisen. Wie die vorgefundenen Stein- und Bronzewaffen und Werkzeuge beweisen, sind die ältesten dieser Pfahlbauten vorrömisch, und das Volk, welches sie zum Schutz vor feindlichen Angriffen in die Seen hinausbaute, mag zu den Kelten oder Galliern gehört haben, die auch in röm. Zeit in verschiedene Stämme, wie Allobroger, Kaluriger, Nantuaten, Helvetier, Karner u. s. w., geteilt, die Alpen bewohnten. Ob die Rhätier, welche, von den Seen am Südfuße der Alpen nach N. bis zum Bodensee und zur bayr. Hochebene, das heutige Graubünden, Veltlin, Tirol und Vorarlberg nebst dem bayr. Hochlande bewohnten, ebenfalls keltischen oder, wie von Niebuhr und O. Müller angenommen wird, etrur. Stammes waren, ist noch unentschieden.
Alle Völkerschaften der Alpen wurden nach und nach, die Helvetier z. B. 57 v. Chr., die Rhätier 15 v. Chr., von den Römern unterworfen und blieben, Sprache und Sitten der Eroberer annehmend, unter röm. Herrschaft bis zur Völkerwanderung, welche german. und slaw. Völker zur dauernden Ansiedelung in den Alpen führte. Burgundionen, Alamannen und Bajuvaren besetzten den nördl. Teil, der in Sprache und Sitte seither germanisch geblieben ist. Langobarden und Ostgoten drangen in die südl. Thäler, Slowenen oder Winden gegen das Ende des 6. Jahrh. in den Südosten der Alpen ein, in dem die slaw. Sprache die herrschende geblieben ist. Durch die Völkerwanderung weniger berührt, behielten die Westalpen ihre kelt.-röm. Bevölkerung; auch auf dem Südabhang gewann diese rasch wieder die Oberhand, und die Stämme der Ostgoten und Langobarden gingen teilweise in ihr auf.
Auf dem Gebiete der Alpen finden sich also alle drei großen Völkerfamilien des indo-german. Sprachstammes, die Germanen (Deutsch-Schweizer, Bayern, Tiroler, Österreicher u. s. w.) in der Mitte, im N. und O., Romanen (Franzosen, Italiener, Furlaner
und Rhäto-Romanen) im W. und S., Slawen im SO. Von den etwa 9 Mill. Bewohnern der Alpen mögen 33,4 Proz. deutscher, 25,6 französischer, 29,4 italienischer, furlanischer oder ladinischer, 10,0 Proz. slaw. Zunge sein. Die franz. Sprache herrscht in den Westalpen, in Savoyen, in der Dauphine, der Provence und in der südwestl. Schweiz und dringt über die Wasserscheide in das Pogebiet ein. Die ital. Sprache beherrscht den Südabhang der Alpen, die Alpenländer der Lombardei, den Kanton Tessin und vier Thäler des Kantons Graubünden in der Schweiz, Südtirol, Venetien und Görz. In Friaul geht sie in die furlanische Sprache über.
Die rhäto-roman. Sprache (ladinisch) ist auf den Kanton Graubünden (Bündner Oberland, Schams, Oberhalbstein und Engadin) und auf die Thäler Fassa, Gröden, Enneberg und Buchenstein in Südtirol beschränkt und wird allmählich teils vom Deutschen, teils vom Italienischen verdrängt. Die Slawen der Alpen bewohnen in Kärnten und Krain das ganze Savegebiet, das untere Gailthal in Kärnten, die rechte Seite des Drauthals und unterhalb Unterdrauburg beide Seiten, das unterste Murthal, das obere Isonzothal und das südöstl.
Vorland der Alpen, das Krainer Kalkplateau mit Ausnahme der deutschen Sprachinsel Gottschee. Die deutsche Sprache, in viele Dialekte geteilt, beherrscht das ganze übrige Alpengebiet und bildet im ital. Gebiete zahlreiche Sprachinseln, so in den Thälern von Gressoney, Alagna und Anzasca am Südfuße des Monte-Rosa, im Formazzathale an der obern Toce, im Averser Thal in Graubünden, in den Sette und Tredeci Communi der Vicentinischen und in Sappada (Bladen). Die bunteste Abwechselung der Sprachen zeigen Graubünden, Südtirol und der Gerichtsbezirk Tarvis in Kärnten.
Die Gegensätze zwischen dem warmen Süd- und dem rauhern Nordabfall, zwischen dem dem Ackerbau zugänglichen Voralpen- und Thalboden und dem armen, nur für die Viehzucht geeigneten Mittel- und Hochalpenland, vor allem aber die allerdings durch viele Übergänge und Mischungen teilweise verwischte Stammesverschiedenheit der Alpenbewohner machen es fast unmöglich, einen scharf hervorstechenden alpinen Typus aufzustellen. Im allgemeinen jedoch ist der Alpenbewohner schlanker gebaut, gelenkiger und sehniger als der Bewohner des Hügellandes und der Ebene, dafür fehlt ihm aber oft die nachhaltige Kraft, die den Bauern der niedern Gegenden eigen ist.
Der Schritt des berggewohnten Älplers ist geschmeidig, der Tritt sicher, die Haltung frei und ungezwungen. Die Sinne, besonders Auge und Ohr, sind scharf; das Gesicht zeigt gewöhnlich ausgeprägte Züge, bei den Frauen oft von überraschender Feinheit. Große, den Mittelwuchs überragende Gestalten finden sich besonders im bayr. Hochlande, in Tirol, im Berner Oberland und in Graubünden. In vielen Alpengegenden sind die Frauen, an harte Arbeit gewöhnt, verhältnismäßig kräftiger als die Männer. Im steten Kampfe mit einer übermächtigen Natur stählen sich Körper und Geist des Alpenbewohners; mit der Gefahr vertraut, ist er entschlossen, bei aller Kühnheit besonnen und besitzt mehr Geistesgegenwart und Findigkeit als der Bauer der Ebenen.
Als Schattenseite zu diesen allgemeinen Kennzeichen des Älplers tritt in manchen Thälern der Kretinismus (s. Kretinen). Die Städte der Alpen sind meist klein, eng zusammengedrängt; die meisten besitzen kaum 15000 E. Die Dörfer, in den tiefen Thälern und im Voralpenlande bequem und behäbig ausgebreitet, drängen sich in den Hochthälern zu wirren Häuserklumpen rings um die Kirche zusammen. Ein großer Teil der Bevölkerung wohnt aber, besonders im N., außerhalb der Städtchen und Dörfer, in vereinzelten Höfen, im Sommer in den Sennhütten der Alpweiden. Während auf der Nordseite der Holzbau in den Alpen vorherrscht, sind die Dörfer und sogar die Sennhütten des S. und W. meist aus Steinen erbaut und die stadtartig gebauten ital. und franz. Alpendörfer bilden mit ihren finstern, fast fensterlosen, ruinenartigen Steinhäusern einen scharfen Gegensatz zu den freundlichen und zierlichen Holzbauten des Nordabhangs.
Erwerbsquellen. Die Bodenkultur der Alpen richtet sich nach dem Klima, der Lage und dem Boden. Die Grenzen der Kulturzonen sind oben angegeben. In den tiefern Lagen, besonders im S. und W., sind Mais, Weizen und Spelz die herrschenden Getreidearten, in den höhern werden sie durch Hafer und Roggen ersetzt, und die Gerste bildet die obere Grenze des Getreidebaues. Hülsenfrüchte und Kartoffeln, im S. auch Kastanien sind neben dem Getreide und den Produkten der Viehzucht die Hauptnahrung.
Südfrüchte kommen nur am südl. Abfalle vor, dagegen steigt der Obstbau hier und da bis in die Zone der Nadelhölzer empor. Kirsch-, Apfel- und Birnbäume finden sich in den Central- und Westalpen in geschützten Thälern noch bis zu 1200-1500 m. Der Weinbau, der besonders in Steiermark, Südtirol, Veltlin, Wallis und Piemont geschätzte Weine liefert, überschreitet selten die untere Laubwaldregion. In den Thälern und den niedrigen Voralpen mit der Landwirtschaft verbunden, wird die Viehzucht, hauptsächlich die Rinderzucht, in den obern Regionen als Alpenwirtschaft selbständig betrieben und liefert für den Handel Käse, Butter und Milchzucker.
Besonders bekannt ist die Alpenwirtschaft der nördl. Voralpen mit ihren Greyerzer und Emmenthaler Käsen u. s. w. Weder die Schweinezucht, noch die Pferdezucht der Alpen sind von großer Bedeutung; letztere beschränkt sich größtenteils auf das Voralpengebiet, doch werden auch in den Hochalpen, besonders im S., treffliche Maultiere für den Saumverkehr und im Pinzgau (Salzburg) schwere Zugpferde gezüchtet. Größere Ziegen- und Schafherden werden nur da gehalten, wo die Alpweiden für die Rinder schwer zugänglich oder zu spärlich sind, so in Graubünden und im Tessin. Die Rinderherden werden im Sommer dem weichenden Schnee nach allmählich von den untern Alpstufen oder Staffeln zu den obern zur Weide getrieben und im Herbst wieder zurück, um in den Stallungen der Thaldörfer zu überwintern (s. Alp). Die Zahl der hauptsächlich mit der Alpenwirtschaft beschäftigten Alpenbewohner mag etwa ein Fünftel der Gesamtbevölkerung betragen. (S. Alpenwirtschaften.)
Da Ackerbau und Viehzucht nicht hinreichenden Ertrag liefern, um die verhältnismäßig starke Bevölkerung zu ernähren, so ist ein großer Teil derselben auf andere Erwerbsquellen angewiesen und beschäftigt sich mit dem Fällen und Flößen des Holzes, mit Bergbau und Verhüttung der Erze, an den großen Bergstraßen mit Durchgangsverkehr, d. h. mit der Beförderung von Reisenden und Waren. Von eigentlichen Industriezweigen der Alpenbewohner verdienen Erwähnung: die Eisenindustrie von Steiermark, Oberösterreich und Tirol, die Zucht der Seidenraupe und die Seidenspinnerei am
Südabfall, die Holzschnitzerei des Berner Oberlandes und der Salzburger und Tiroler Alpen, die Baumwollindustrie von Glarus, die Musselinfabrikation und Stickerei von St. Gallen, Appenzell u. s. w. Zu Industriezweigen haben sich aber in den vielbesuchten Gegenden auch das Führer- und Wirtshauswesen entwickelt. Ersteres steht an vielen Orten, so im Montblancgebiet, in den meisten Schweizerkantonen und in den gesamten deutschen und österreichischen Alpen, unter staatlicher Aufsicht; die Führer erhalten nach Vorschlag der Alpenvereinssektionen von der polit.
Behörde die Genehmigung, werden mit einem Abzeichen und einem Führerbuche versehen und sind an einen bestimmten Tarif gebunden. Die Wirtshausindustrie ist, zugleich als Ursache und Wirkung des Fremdenbesuchs, sehr ungleich ausgebildet. Während in den deutschen und schweizerischen Alpen die Wirtshäuser und Gasthöfe den Reisenden durchweg ein ordentliches Unterkommen sichern und teilweise, wie die Gasthöfe in den besuchtesten Gegenden der Schweiz, Salzburgs und Tirols, eines europ. Rufs genießen, sind die Westalpen mit Ausnahme der Umgebung des Montblanc und, abgesehen von dem Gebiet der oberital.
Seen, auch der Südabhang nur spärlich mit Gasthäusern, oft niedersten Ranges, versehen. Auf fast allen wichtigen Bergpässen sorgen Hospize (Tauernhäuser, Cantonnièren) für die Beherbergung der Reisenden, für Arme unentgeltlich. Für die Reisen in den Hochalpen endlich sind besonders in den deutschen und schweizerischen Alpen durch die Bemühungen der Alpenvereine Unterkunftshütten (Klubhütten u. s. w.) errichtet worden, die dem Bergsteiger ein schützendes Obdach mit Lager- und Feuerstelle gewähren.
Zu den Gegenden des stärksten Touristenverkehrs in den Alpen gehören das Chamonixthal, das Berner Oberland mit Interlaken, die Ufer des Vierwaldstätter Sees mit Luzern und dem Rigi, das Nicolaithal mit Zermatt im Wallis, das Engadin in Graubünden, das Gebiet der ital. Seen, die Salzburger und die Ufer der Seen des Salzkammergutes. Montreux am obern Genfer See, Davos in Bünden, Meran in Südtirol und viele andere Plätze sind als klimatische Kurorte bekannt, und außerdem bieten die Alpen besonders in ihren deutschen und schweiz. Teilen eine sehr große Menge von Sommerfrischen für die zahllosen Reisenden, die jedes Jahr, von der freundlichen Anmut der Voralpen oder der wilden Großartigkeit der Hochalpen angezogen, die Alpen zu ihrem Reiseziel wählen.
Der größte Teil der Reisenden beschränkt sich auf die Vor- und Mittelalpen. Das eigentliche Hochalpengebiet, die Schneeregion, wird, weil weniger leicht zugänglich, auch weniger oft besucht, obwohl auch diese Region in der neuesten Zeit viel von ihren früher gefürchteten Schrecknissen verloren hat. Besonders häufig werden als Zielpunkt von Gletscherfahrten und Besteigungen gewählt die Massive des Montblanc, Monte-Rosa und Finsteraarhorn, die Berninagruppe, die Ötzthaler und Ortleralpen, die Hohen Tauern, das Wettersteingebirge, die Salzburger und die Dolomit- und Porphyrkegel der Südtiroler Alpen.
Alpenkunde. Bis gegen das Ende des 18. Jahrh. waren die in der Wissenschaft wie in der Kunst und Dichtung noch ziemlich unbekannt. Sie galten als ein rauhes, wildes Land, beschwerlich und gefährlich zu bereisen, und wenn auch einzelne Pioniere der Wissenschaft, wie die Züricher Naturforscher Konrad Geßner (1516-65), J.J. Scheuchzer (1672-1733), von Haller (1708-77) und H. B. de Saussure (1740-99), es wagten, das gefürchtete und mißachtete Gebiet zu erforschen, so gaben sie damit nur eine Anregung, die erst im 19. Jahrh. kräftig wirkte, während sie die Zeitgenossen wenig berührte. In neuerer Zeit ist nun die Erforschung der Alpen eine Lieblingsaufgabe der Naturwissenschaften und der Geographie geworden.
Auf dem Gebiete der Geologie der und der Gletscherbeobachtungen sind zu erwähnen die Namen Agassiz, L. von Buch, Charpentier, Cotta, Desor, Dollfuß, Escher von der Linth, Forbes, von Hauer, Sir R. Murchison, von Richthofen, von Sonklar, B. Studer, Theobald, Tyndall, K. Vogt, Alpen Heim, E. Sueß, Neumayr, Simony, von Gümbel, F. Pfaff, O. Heer, E. von Mojsisovics, Stur, Stache, Vacek, Teller, Bittner, Fritz Frech, Diener, Geyer, Richter, Forel, Finsterwalder u. a.; mit der Fauna haben sich beschäftigt F. von Tschudi, mit der Flora Wahlenberg, Hegetschwyler, H. Christ, Kerner u. a.; die physik.
Geographie wurde durch die Gebrüder H. und von Schlagintweit gefördert. Weniger genau untersucht als die deutschen und schweizerischen Alpen, haben doch auch die französischen und die italienischen, jene in Lory, Favre und de Mortillet, diese in Sismonda, Gastaldi u. a. ihre Erforscher aufzuweisen. Für die Topographie der Alpen wird namentlich durch die Karten der Generalstäbe gesorgt, und seitdem alle Teile der von den verschiedenen Alpenvereinen (s. d.) durchwandert werden, hat die Topographie nicht unwesentliche Fortschritte gemacht.
Ebensowenig wie im 18. Jahrh. sich die Wissenschaft an die Alpen wagte, beschäftigten sich Kunst und Dichtung mit ihnen.
von Haller mit seinem berühmten Gedicht «Die Alpen», bezeichnet auch hier den Wendepunkt, seither sind die Alpen auch hierin zum Lieblingsgebiet geworden (vgl. Götz, Deutsch-schweiz. Dichter und das moderne Naturgefühl, Stuttg. 1887). Die Schönheit der Alpenwelt wird von Dichtern aller Zungen gefeiert, das Leben der Bewohner geschildert, und Vorwürfe aus den Alpen finden sich sowohl in den Landschaften wie in den Genrebildern vieler Galerien in überraschender Menge; vorzugsweise sind Calame und Diday, von Kalkreuth, Vautier, Defregger u. a. hervorzuheben.
Von den zahlreichen Photographen, die die Alpen zu ihrem Wirkungsfelde gewählt haben, sind Charnaux in Genf, Johannes in Partenkirchen, Valdi und Würthle in Salzburg, Beer in Klagenfurt, Beck in Straßburg, vor allen aber die Amateur-Photographen Donkin in London, Vittorio Sella in Florenz und Baptist Hämmerle in Dornbirn die bekanntesten. Hauptsächlich für topogr. Zwecke, zum leichten Zurechtfinden und als Ergänzung der Karten, dienen die von Alpenvereinen veröffentlichten Panoramen.
Litteratur. Agassiz, Etudes sur les glaciers (Neuchâtel 1840);
Desor, Excursions et séjours dans les glaciers et les hautes régions des Alpes (ebd. 1844);
ders., Nouvelles excursions (ebd. 1845);
Schaubach, Die Deutschen Alpen (5 Bde., Jena 1845-47; 2. Aufl. 1865-74);
Agassiz, Nouvelles études (Par. 1847);
Schlagintweit, Untersuchungen über die physik.
Geographie der Alpen (Lpz. 1850 u. 1854); B. Studer, Geologie der Schweiz (2 Bde., Bern 1851-53); Schlagintweit, Neue Untersuchungen über die physik. Geographie der Alpen (Lpz. 1854); Tschudi, Tierleben der Alpenwelt (ebd. 1854; 11. Aufl. 1890); Becker, Österr. Vaterlandskunde, Tl. 1 (Wien
1855); Tyndall, Glaciers of the Alps (Lond. 1860);
ders., Mountaineering in 1861 (ebd. 1862);
Berlepsch, Die in Natur- und Lebensbildern (Lpz. 1861; 5. Aufl. 1885);
Desor, De l'orographie des Alpes (Neuchâtel 1862; deutsch Wiesb. 1864);
Studer, Geschichte der physik.
Geographie der Schweiz (Zür. 1863); Berlepsch, Schweizerkunde (Braunschw. 1864; 2. Aufl. 1875); Ruthner, Aus den Tauern. Berg- und Gletscherreisen (Wien 1864); ders., Aus Tirol. Berg- und Gletscherreisen, neue Folge (ebd. 1869); G. Studer, Über Eis und Schnee. Die höchsten Gipfel der Schweiz und die Geschichte ihrer Besteigung (3 Abteil., Bern 1869-71); Allgemeine Beschreibung und Statistik der Schweiz (hg. von Wirth, 3 Bde., Zür. 1870-75); Der Alpenfreund. Monatsschrift für Verbreitung von Alpenkunde (Gera 1870-79);
Tyndall, Hours of Exercise in the Alps (Lond. 1871; deutsch, 2. Aufl., Braunschw. 1875i);
Whymper, Scrambles amongst the Alps (Lond. 1871; deutsch Braunschw. 1872);
Studer, Index der Petrographie und Stratigraphie der Schweiz und ihrer Umgebungen (Bern 1872);
Herm. Schmid und Karl Stieler, Aus deutschen Bergen (Stuttg. 1872);
Tuckett, Hochalpenstudien (2 Bde., Lpz. 1873-74);
Rütimeyer, Über Thal- und Seebildung.
Beiträge zum Verständnis der Oberfläche der Schweiz (1. und 2. Aufl., Bas. 1874); Obermüller, Die Alpenvölker. Histor.-ethnolog. Forschung (Wien 1874);
Suesi, Die Entstehung der Alpen (ebd. 1875);
Noë, Deutsches Alpenbuch (6 Bde., Glogau 1875-88);
Ziegler, über das Verhältnis der Topographie zur Geologie.
Text zur topogr. Karte vom Engadin und Bernina (2. Aufl., Zür. 1876);
Pfaff, Die Naturkräfte in den Alpen (Münch. 1877);
Gsell-Fels, Die Schweiz (2 Bde., ebd. 1877);
Heim, Untersuchungen über den Mechanismus der Gebirgsbildung (2 Bde., Bas. 1878);
Pfaff, Der Mechanismus in der Gebirgsbildung (Heidelb. 1880);
Gsell-Fels, Die Bäder und klimatischen Kurorte der Schweiz (Zür. 1880; 3. Aufl. 1892);
Umlauft, Die österr.
Alpenländer in Wort und Bild (2 Bde., Wien 1881);
Haardt, Die Einteilung der Alpen (ebd. 1882);
Grube, Alpenwanderungen (3. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1885-86);
Illustrierter Führer im österr.
Alpengebiet (Wien 1885);
Umlauft, Die Alpen (ebd. 1885-86);
Zsigmondy, Die Gefahren der Alpen 13. Aufl., Augsb. 1893);
Alpen. Böhm, Einteilung der Ostalpen (Wien 1887);
C. Diener, Der Gebirgsbau der Westalpen (ebd. 1891);
Dent, Mountaineering (Lond. 1892);
Fraas, Scenerie der Alpen (Lpz. 1892);
Die Erschließung der Ostalpen, hg. vom deutschen und österr.
Alpenverein (3 Bde., Berl. 1892-94); Moesch, Geolog. Führer durch die Alpen, Pässe und Thäler der Centralschweiz (Zür. 1894);
Purtscheller und Heß, Der Hochtourist in den Alpen (2 Bde., Lpz. 1894);
die Schriften der Alpenvereine (s. d.);
die Arbeiten von Payer und von Sonklar in den Ergänzungsheften zu den Petermannschen «Mitteilungen» (Gotha).
Reisehandbücher: Ball, Guide to the Alps (3 Bde., Lond. 1863 fg.);
Murray, Handbook for travellers ect. (ebd.);
Baedekers Reisehandbücher: Schweiz, Oberitalien, Südbayern, Tirol und Salzburg (Lpz.);
Waltenberger, Specialführer durch die deutschen und österreichischen Alpen (3 Bde., Augsb. 1879-80);
Meyers Reisebücher (Lpz.);
Amthor, Führer durch Tirol (7. Aufl., Lpz. 1892);
von Tschudi, Der Turist in der Schweiz (32. Aufl., Zür. 1892);
Joanne, Itinéraires ect. (Par.);
Berlepsch, Die Schweiz (22. Aufl., Zür. 1890);
Trautwein, Das bayr. Hochland und das angrenzende Tirol und Salzburg;
Martelli e Vaccarone, Guide delle Alpi Occidentali (Tur. 1889).
Unter den Karten:
1) Allgemeine: Raymond, Carte topographique et militaire des Alpes (13 Bl., Par. 1820);
Herm. Berghaus, Karte der Alpen, nach Mayrs Atlas der Alpenländer umgearbeitet (8 Bl., Gotha 1870);
Steinhauser, Alpenkarte (Wien 1875): Michel, Alpenkarte (Münch. 1878 fg.);
2) Westalpen: Karten des franz. und des ital. Generalstabes;
Favre, Carte des parties de la Savoie ect. (Winterth. 1861);
3) Schweiz: General Dufour, Topogr. Atlas (1:100000, 25 Bl.); Topogr. Atlas im Maßstab der Originalaufnahmen (1:50000 das Hochland, 1:25000 das Flachland, Alpen, 546 Bl.);
Studer und Escher von der Linth, (Winterth.);
Ziegler, Hypsometrische Karte der Schweiz (ebd.);
Leuzinger, Neue Karte der Schweiz (Bern); Alpine Club map of Switzerland (Lond.);
Generalkarte (4 Bl., hg. vom Topographischen Bureau, bearb. von Dufour, 1:250000, Bern); 4) Deutsche Alpen:. Neue Specialkarten (hg. vom k. k. Militärgeographischen Institute in Wien);
Heyberger, Topogr. Specialkarte für die Alpen Bayerns u. s. w. (Münch.);
Mey und Widmayer, Karte des bayr. Oberlandes (ebd.);
Maschek, Neueste Touristenkarte (Wien).
Unter den Reliefkarten: Schweiz: von J. Bürgi (Basel), E. Beck (Bern), Imfeld (Sarnen) und Scholl (St. Gallen);
Deutsche von Pauliny (Wien) und Keil (Salzburg).
Die besten Übersichtskarten sind: Ravenstein, Karte der Ostalpen in 9 Bl. (1:250000); Lenzinger, Reliefkarte von Tirol, Südbayern und Salzburg (1:500000); ders., Reliefkarte der Schweiz (1:530000); Petters, Neue Karte der Alpen (1:850000, Augsb. 1894).
(Alpes), Name dreier franz. Departements: Nieder-, Ober-, Seealpen (s. diese Artikel).