Alluvium
(lat., »angeschwemmtes Land«,
Alluvionen, Alluvialbildungen, rezente
Bildungen), im
Gegensatz zu dem Wortlaut der Inbegriff aller
Produkte
der geologischen Jetztzeit, der Alluvialperiode, und nicht nur diejenigen
Bildungen, welche Anschwemmungen darstellen. Neben
den Quellabsätzen, den an
Bäche,
Flüsse,
[* 2]
Seen und
Meere gebundenen
Absätzen, den
Delta- und Dünenbildungen, würden nicht
nur die durch die
Gletscher transportierten
Gesteine,
[* 3] die Torfbildungen, die
Korallenkalke der heutigen
Meere, sondern auch das
Auswurfs- und Lavamaterial der heute thätigen
Vulkane
[* 4] zum Alluvium
zählen, sofern sie nur während der jetzigen
geologischen
Periode gebildet wurden.
Die Abgrenzung des Alluviums
gegen die direkt vorausgehende
Periode, das
Diluvium,
[* 5] ist, wie immer bei zwei sich folgenden geologischen
Perioden, schwierig und wird im wesentlichen von der Untersuchung ausgehen müssen, ob die fragliche
Bildung
unter den heute am
Orte des Vorkommens herrschenden
Bedingungen möglich ist oder nicht. Die längs der heutigen
Küste sich
hinziehenden
Dünen, deren
Sand der
Sturm bald hierhin, bald dorthin weht, sind Alluvium;
Dünen, deren Höhenzug entfernt
von der
Küste liegt, und die kein Spielzeug der
Winde
[* 6] mehr sind, müssen dem
Diluvium zugezählt werden.
Die Absätze der Flüsse sind bis zu Höhen, zu denen das Wasser erfahrungsmäßig, wenn auch selten, steigen kann, alluviale, die vom heutigen Flußlauf, auch abgesehen von etwanigen Korrektionen durch Menschenhand, nie mehr erreichbaren Hochgestade diluviale Erscheinungen. Die Endmoräne eines Gletschers ist selbst im Fall des Nichtzusammenhangs mit demselben noch als alluvial zu bezeichnen, wenn man anzunehmen berechtigt ist, daß der Periode des Rückgangs des Gletschers auch wieder eine solche des Vorschreitens folgen kann, die den momentan unterbrochenen Zusammenhang zwischen Moräne und Gletscher wiederherstellt; das Moränenmaterial der süd- und norddeutschen Ebenen wurde unter von unsern heutigen wesentlich abweichenden, also diluvialen, Verhältnissen abgelagert.
Ebenso kann man trotz der vielen
Spezies, die dem Alluvium
und dem
Diluvium gleichzeitig angehören, von
alluvialen
Leitfossilien
sprechen, sofern Einschlüsse in fraglichen
Bildungen, den heutigen
Tier- und Pflanzenformen derselben Lokalität vollkommen
entsprechend, die betreffende
Bildung als eine alluviale charakterisieren, während beispielsweise hochnordische
Formen, in
Bildungen
Deutschlands
[* 7] aufgefunden, diese in das
Diluvium verweisen. Nur die menschlichen Reste, welche man früher als bestes
Leitfossil des Alluviums
betrachtete, haben ihre Wichtigkeit in dieser Beziehung verloren, seit der Diluvialmensch außer
Frage gestellt ist.
Die Wichtigkeit des Alluviums
liegt zunächst in den während der Alluvialperiode wirkenden geologischen
Faktoren selbst, welche unendliche
Massen von Gesteinsmaterial transportieren, bilden und umbilden. (Vgl.
Fluß,
Quellen,
Gletscher,
Vulkane,
Dünen,
Delta
[* 8] etc.) Außerdem aber liegt die hohe Bedeutung des Alluviums
in theoretischer Beziehung
darin, daß es der einzige geologische Zeitabschnitt ist, den wir nach
Ursache und
Wirkung, nach
Prozeß
und
Produkt vollkommen erkennen und studieren können. Hiernach wird das Alluvium
zum eigentlichen Ausgangspunkt geologischer
Forschung, wie dies
Hoff (»Geschichte der durch
Überlieferung nachgewiesenen natürlichen Veränderungen der Erdoberfläche«,
Gotha
[* 9] 1822) wohl zuerst formulierte,
Lyell aber in seinen »Principles of geology« (Lond.
1830, 12. Aufl. 1876) zum leitenden
Prinzip erhob. Eine
Periode geologischer Vorzeit ist nur dann als vollkommen
bekannt und erkannt zu bezeichnen, wenn es gelungen ist, für alle während derselben gelieferten
Produkte
Analogien unter
den
Bildungen der geologischen Jetztzeit, des Alluviums
, aufzufinden, nicht minder aber auch das Wirken aller heute thätigen
Faktoren in der herrschenden
Phase der
Entwickelung des Erdkörpers ausnahmslos nachzuweisen.