Israéliteuniverselle, ein im Jahr 1860 zu
Paris
[* 3] gegründeter, über die ganze
Erde ausgedehnter
Verein, dessen aus 55 Mitgliedern (25 in
Paris selbst wohnhaft) bestehendes Zentralkomitee seinen Sitz in
Paris hat, und der
es sich zur Aufgabe stellt:
1) überall für die Gleichstellung und den moralischen Fortschritt der
Juden zu wirken;
2) denjenigen, welche in ihrer
Eigenschaft als
Juden leiden, eine wirksame
Hilfe angedeihen zu lassen;
IsraéliteUniverselle, ein 1860 in Paris auf Anregung einer Anzahl hervorragender Israeliten gegründeter
Verein, welcher sich von da über die ganze Erde verbreitet hat. Der erste Präsident war Königswarter (bis
1863), dann folgte Adolphe Cremiéux, hierauf Salomon Munk (1866-67), 1868-80 wieder Crémieux und seit 1881 bis jetzt S.
H. Goldschmidt. Der Zweck der U. ist die Verteidigung des Judentums gegen jeglichen Angriff, die Ermunterung zum Betriebe
jeder Art von Handwerksarbeit, die Gründung von Unterrichtsanstalten, die Emancipation der Israeliten
von Ausnahmegesetzen durch gesetzliche Mittel, die geistige und sittliche Wiedergeburt durch Förderung der Kultur und Verbreitung
von Kenntnissen unter den Juden in solchen Ländern, wo die Kultur und Wissenschaft noch auf tiefer Stufe stehen.
Alle politischen, socialen, nationalen und religiösen Fragen sind von dem Programm ausgeschlossen. Der Verein wird geleitet
durch ein aus 60 Mitgliedern aller Länder bestehendes Centralkomitee, welches seinen Sitz in Paris hat und mittels der Bezirks-
und Lokalkomitees mit den Mitgliedern in Verbindung steht. In jedem Orte, wo der Verein 10 Mitglieder zählt, kann ein Lokalkomitee,
wo mehrere Lokalkomitees bestehen, ein Bezirkskomitee gebildet werden. Der Jahresbeitrag beträgt 5 M.
Alljährlich findet in Paris eine Generalversammlung statt, in welcher über die Wirksamkeit des Vereins und die finanzielle
LageBericht erstattet wird.
Außerdem giebt es Hauptkomitees in Amsterdam,
[* 28] Budapest,
[* 29] Neuyork,
[* 30] Philadelphia
[* 31] u. a. Nach dem letzten, 1895 erschienenen Jahresbericht
hat die U. 1894 über 698000 Frs. eingenommen, 668000 Frs. ausgegeben. An Effekten und sonstigen Werten
besitzt der Verein ein Vermögen von 931 830 Frs., außer der Stiftung des Baron von Hirsch in Paris, die, 1873 mit einer Summe
von 1 Mill. Frs. begründet, jetzt 1 140 578 Frs. beträgt und deren Erträgnisse (jährlich 55000 Frs.) ausschließlich den
Schulen in der Türkei zukommen. In Argentinien werden für die durch Baron Hirsch dort ansässig gemachten
russ. Juden durch die U. Schulen mit span. Unterrichtssprache gegründet.
Der Verein hat bereits 56 Knaben- und Mädchenschulen gegründet und dauernd unterstützt. Zunächst giebt es in Paris eine
Vorbereitungsschule für Jünglinge und Mädchen aus dem Orient und Afrika, die zu Lehrern und Lehrerinnen
ausgebildet werden, um dann in ihrer Heimat zu wirken. Die im Orient und in Afrika gegründeten Schulen sind zahlreich. Das
Lehrer- und Lehrerinnenpersonal betrug 1891 über 300, die Schülerzahl 12000 in 35 Knaben- und 21 Mädchenschulen. Über drei
Viertel der Schüler erhält den Unterricht unentgeltlich. Die Unterrichtssprache richtet sich nach der
Sprache
[* 32] des Landes oder der Mehrzahl der Schüler. 1894 wurde in Adrianopel eine rabbinische Schule gegründet.
Auch der Förderung des Handwerks unter den Juden im Orient, in der Türkei und in Afrika widmet der Verein seine dauernde Aufmerksamkeit.
Die Zahl der Werkstätten belief sich 1891 auf 22, in denen gegen 620 Lehrlinge untergebracht sind. Neben
den Knaben-Handwerkstätten sind auch für junge Mädchen Werkstätten (15 mit 360 Schülerinnen) gegründet, in welchen
sie zu weiblichen Berufsarten, Nähen u. s. w. ausgebildet werden. Ferner widmet die U. der Förderung des Ackerbaues ihre
Pflege. Bei Jaffa (Palästina)
[* 33] wurde von ihr eine Ackerbauschule gegründet, welche 100 Schüler
zählte, die nach ihrer Ausbildung u. a. in Ackerbaukolonien, die jetzt in Palästina von russ. und rumän. Juden gegründet
worden, lohnende Beschäftigung finden.
Nach dem Vorbilde oder im Anschluß der U. haben sich mehrere verwandte Vereine gebildet. Zunächst gründeten
die engl. Juden 1871 einen Verein, welcher sich Englisch-Jüdische Association in Verbindung mit der AllgemeinenJüdischenAllianz
(Anglo-Jewish Association, in connexion with the Alliance israélite universelle) benennt. Dieser Verein verfolgt dieselben
Zwecke wie die U.; er unterscheidet sich von derselben nur durch die Unabhängigkeit des leitenden Komitees. Ein
anderer Verein bildete sich 1873 in Wien nach dem Vorbild der U. und unter dem Namen «Israelitische Allianz zu
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Wien»; er bezweckt vornehmlich die Verbesserung der Lage der Juden im eigenen Lande, besonders in Galizien, hat aber auch das
Auge
[* 35] auf die allgemeinen Interessen des Judentums gerichtet und hat sich besonders bei der großen Katastrophe der Judenverfolgung
in Rußland 1881-82 durch Thätigkeit und Opfer ausgezeichnet.