Alleinseligmachende
Kirche. Da die Bekenner bestimmter, auf göttliche Offenbarung zurückgeführter Religionen die eigenen religiösen Vorstellungen als ausschließliche göttliche Wahrheit betrachten, stellen sie zugleich den eigenen Glauben fremden Glaubensmeinungen als den alleinseligmachenden gegenüber. So machte schon das älteste Christentum die alleinseligmachende Kraft des Evangeliums von Jesus Christus geltend (Apostelgesch. 4,12). Es war dies zunächst die Aussage über eine unmittelbare Gemütserfahrung, die aber auch auf die bestimmten Dogmen oder auf die Formen, in denen den Christen die neue religiöse Erfahrung aufgegangen war, übertragen wurde.
Daher kam es, daß jede kirchliche Partei ihre eigene Lehrüberlieferung für unfehlbar und diejenige Sonderkirche, die diese Lehre besaß, samt ihren Ordnungen und Institutionen (Gnadenmitteln) für alleinseligmachend erachtete. So bildete sich bereits gegen Ende des 2. Jahrh. der Begriff und Name «Katholische Kirche» und zugleich der Begriff des ausschließlichen Heils in ihr aus. Die Kirchenversammlungen statteten ihre Glaubensbekenntnisse regelmäßig mit Verdammungsformeln gegen Andersdenkende aus, und die Staatsgewalt lieh den priesterlichen Bannsprüchen freiwillig den weltlichen Arm.
Gleichzeitig gewöhnte man sich, außer den «Ketzern», die in der Lehre abwichen, auch die sog. «Schismatiker», die in Fragen der Verfassung, des Kultus und der Sitte der herrschenden kirchlichen Autorität den Gehorsam weigerten, des ewigen Heils für verlustig zu erklären. Besonders im Abendlande, wo man seit dem 5. Jahrh. die Verbindung mit der Kirche von Rom als das Hauptmerkmal der Zugehörigkeit zur Kirche Christi zu betrachten begann, wurde der Satz, daß außerhalb der kath. Kirche kein Heil sei, nicht bloß von Päpsten wie Leo d. Gr. und Gregor d. Gr., sondern auch von namhaften Kirchenlehrern, wie Augustinus, ausgesprochen.
Hieraus ergaben sich für die röm.-kath. Kirche die Sätze von selbst: «Außerhalb des kath. Glaubens kann niemand selig werden» (Professio fidei Tridentinae);
«Ohne den kath. Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen» (Tridentiner Konzil, Sitzung 5);
«Wenn jemand entgegen diesen Beschlüssen (des Tridentimer Konzils) lehrt oder denkt, so sei er verdammt» (Sitzung 25).
Alle Heiden und Ketzer, d. h. Nichtkatholiken, sind daher selbstverständlich nach kath. Dogma verdammt.
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Die Evangelischen lehren allerdings ebenfalls die alleinseligmachende Kraft der Kirche, verstehen darunter aber im Unterschiede von jeder Partikularkirche die wahre Kirche oder die Gemeinschaft der Heiligen, deren Glieder in sehr verschiedenen Sonderkirchen zerstreut sein können, und halten ausdrücklich an dem Grundsatze fest, daß die Zugehörigkeit zu einer bestimmten äußern Kirchengemeinschaft nicht notwendig zur Seligkeit sei. Die luth. Dogmatik des 16. und 17. Jahrh. verengte die freiere Anschauung der Reformatoren durch das immer ausschließlichere Betonen der «reinen Lehre», d. h. des strengen Festhaltens des orthodox-luth.
Lehrsystems, in welchem jedes Stück als unmittelbar oder mittelbar fundamental, d. h. als zur Seligkeit notwendig, erschien. Hierdurch war eine alleinseligmachende luth. Lehrkirche aufgerichtet, die im Grunde nicht weniger intolerant war als die alleinseligmachende röm. Priesterkirche, obwohl man protestantischerseits sich immer gescheut hat, die letzten Konsequenzen zu ziehen. Die neuere, von Schleiermacher angeregte, prot. Theologie lehrt, daß als einzige Bedingung der Seligkeit der persönliche Heilsglaube anzuerkennen sei, dieser aber nur auf Grund der geschichtlichen Erlösung und vermittelst der geschichtlichen Kirchengemeinschaft wahrhaft zu stande kommen könne. Hiermit sucht sie ebensowohl das Recht jenes Satzes, daß außer der Kirche Christi kein Heil sei, zu wahren, als auch dem Mißverständnisse zu wehren, als ob die Zugehörigkeit zur äußern Kirche und das Fürwahrhalten ihrer Dogmen die Hauptsache sei.