Alkuin
(Alchuine, eigentlich Alhwin, d. h. Freund des Tempels), vertrauter Ratgeber Karls d. Gr., einer der gelehrtesten Männer seines Zeitalters, ward aus angelsächsischem Geschlecht um 735 in Northumberland geboren und erhielt in der Klosterschule zu York eine ausgezeichnete Erziehung. Nachdem er eine Wallfahrt nach Rom [* 2] gemacht, ward er 766 von seinem Lehrer Älbehrt, als derselbe Bischof von York geworden, zum Vorsteher der dortigen Schule ernannt. Auf einer zweiten Reise nach Rom 781. traf er in Parma [* 3] mit Karl d. Gr. zusammen, der ihn einlud, an seinen Hof [* 4] zu kommen. Er siedelte 782 nach dem Frankenreich über und erhielt die Einkünfte mehrerer Klöster zu seinem Unterhalt angewiesen.
Unter Alkuins
Einfluß wurde der
Hof
Karls der Ausgangspunkt der
Bildung für das bisher barbarische
fränkische Reich. Nachdem
Alkuin
seit 790 wieder mehrere Jahre im
Kloster zu
York zugebracht, folgte er 793 von neuem dem
Ruf
Karls, der
seiner zur Schlichtung der adoptianischen Streitigkeiten, welche die fränkische
Kirche spalteten, und zur Fortsetzung des
begonnenen großen Werks der Volkserziehung dringend bedurfte. Alkuin
bekämpfte den
Urheber jenes Dogmenstreits, den
Bischof
Felix
von
Urgel, so erfolgreich, daß dieser 800 zu
Aachen
[* 5] seine
Lehre
[* 6] widerrief, beseitigte die Unordnungen, welche während seiner
Abwesenheit im fränkischen
Schulwesen eingerissen waren, und zog sich dann in die
Stille des Martinsklosters
zu
Tours
[* 7] zurück, wo er als
Abt eine
Gelehrtenschule gründete und leitete, die, von
Karl glänzend ausgestattet, sich bald zu
einem Hauptsitz der
Wissenschaft erhob und dem
Abendland jahrhundertelang viele seiner angesehensten
Lehrer gab. Alkuin
starb 19. Mai 804. In der
Geschichte nimmt er durch die großen
Verdienste, die er sich um die Begründung und Verbreitung der
Kultur und wissenschaftlichen
Bildung im
Reich
Karls d. Gr. erworben hat, einen ehrenvollen Platz ein. Er gründete nicht bloß eine
große Anzahl neuer Bildungsanstalten, sondern veranlaßte auch die Ordensgeistlichkeit zu fleißigen
Studien.
Von seinem
Charakter zeugt die
Thatsache, daß er mit kühner Offenheit
Karl d. Gr. auf sein gewaltsames, unchristliches
Verfahren
bei der
Bekehrung der
Sachsen
[* 8] aufmerksam machte und auf Abstellung desselben drang. Alkuins
Schriften, welche den streng sittlichen
und gelehrten, aber gegen außerkirchliche Litteratur mißtrauischen Verfasser verraten, bestehen in biblischen
Kommentaren,
Homilien,
Schriften für den
Unterricht in den Anfangsgründen der
Philosophie,
Mathematik,
Rhetorik und
Grammatik.
Lebensbeschreibungen der Heiligen, Gedichten und zahlreichen Briefen. Ohne ein originaler Geist zu sein, hat er doch das geistige Erbe des Altertums in christlicher Umprägung der Nachwelt überliefert. Eine vollständige Ausgabe seiner Werke lieferte Frobenius (Regensb. 1777, 2 Bde.) und neuerdings Jaffé in der »Bibliotheca rerum germanicarum«, Bd. 6 (Berl. 1873).
Vgl. Lorentz, Alkuins
Leben
(Halle
[* 9] 1829);
Monnier, Alcuin et Charlemagne (2. Aufl., Par. 1864);
Werner, Alkuin
und sein
Jahrhundert
(Wien
[* 10] 1881).
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Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Alkuin
(Alcuinus, eigentlich Alchuine, verderbt aus Alhwin, d. i. Tempelfreund, auch mit ¶
mehr
noch stärkerer Latinisierung Albinus genannt), vertrauter Ratgeber und Lehrer Karls d. Gr., durch Geist, Kenntnisse und wissenschaftlichen
Einfluß vielleicht der bedeutendste Gelehrte des 8. Jahrh., stammte aus vornehmem angelsächs.
Geschlecht. Geboren um 785, erhielt er gründlichen Unterricht in der Schule von York, deren Leitung er später übernahm.
Auf einer Reise nach Rom wurde er mit Karl d. Gr. bekannt und kam auf dessen Einladung 782 mit einigen Schülern
ins Frankenreich. Er erhielt zum Unterhalt die Einkünfte zweier Klöster, betrachtete aber England stets als seine Heimat
und ging 790 dorthin zurück, zugleich mit einer Botschaft Karls an König Offa. 793 folgte er einer neuen
Einladung Karls, erhielt das berühmte Martinskloster in Tours zur Leitung und blieb daselbst Abt bis zu seinem Tode 19. Mai 804. In
diesem Kloster richtete Alkuin
eine Schule ein nach dem Muster von York, er selbst aber leitete bis 801 die Hofschule, in der sich
die angesehensten Hofleute mit Karl und seinen Töchtern vereinigten. Alkuin
hieß in diesem Kreise
[* 12] Flaccus,
Karl selbst David oder Salomo, seine Töchter Delia u. s. w. Auch in polit.
Angelegenheiten wurde Alkuin
zu Rat gezogen, so in dem Streite Karls gegen die von Rom begünstigte Bilderverehrung. Alkuin
ist wohl
ohne Zweifel der Verfasser der in dieser Angelegenheit unter Karls Namen geschriebenen Carolini libri (s. d.).
Die Bedeutung A.s liegt nicht in Weiterbildung der Wissenschaft, sondern darin, daß er das Wissen des Altertums in das Reich
Karls d. Gr. verpflanzte. Außer vielen theol. Werken hinterließ er mehrere für den Unterricht in den Anfangsgründen der
Philosophie, Mathematik, Rhetorik und Grammatik bestimmte, meist aus Boethius und Isidorus Hispalensis kompilierte
Schriften, sowie Gedichte und eine große Anzahl Briefe. Unter seinen Schülern sind hervorzuheben Hrabanus Maurus und Haymo,
der nachmalige Bischof von Halberstadt.
[* 13] Eine Ausgabe der Werke A.s lieferte Froben (Albini s. Alcuini opera, 2 Bde.,
Regensb. 1778; wiederholt in Migne, «Patrologiae
cursus completus. Patres latini», Bd. 100 u. 101, Par. 1851),
seiner Briefe Jaffé in der «Bibliotheca rerarum germanicarum», Bd. 6: «Monumenta Alcuina» (Berl. 1873). -
Vgl. Lorentz, A.s Leben (Halle 1829);
Monnier, Alcuin et Charlemagne (Par. 1861);
Werner, und sein Jahrhundert (Wien 1881).