Alhambra
(»der rote«, nämlich
Turm),
[* 2] einst maur. Königsburg, das herrlichste Denkmal arabischer
Baukunst
[* 3] in
Europa,
[* 4] in paradiesischer Gegend der spanischen
Provinz
Granada
[* 5] auf der
Spitze eines bewaldeten
Bergs, 2 km von
Granada,
gelegen, von dieser Stadt durch ein üppiges, vom
Darro durchströmtes
Thal
[* 6] geschieden. Ein Teil der Bauanlagen datiert aus
dem 13. Jahrh.;
Mohammed
Ibn al Ahmar vom
Stamm der Nassriden wird als
Gründer der Alhambra
genannt. Im J. 1273 war die
Hauptmasse der
Festung
[* 7] vollendet;
Mohammed II. führte den
Bau derselben weiter.
Dann begannen die Prachtbauten und die Ausführung der innern Dekoration, welche im 15. Jahrh. vollendet wurden. Nach der Eroberung durch die Christen ward ein großer Teil zerstört, namentlich durch Kaiser Karl V., welcher das Abgerissene durch einen unvollendet gebliebenen Palast in schwerem Renaissancestil ersetzen wollte. Was erhalten ist, reicht indessen hin, um der Phantasie ein Bild der schönsten Zeit maurischer Kultur vorzuführen. Die Anlage des Schlosses gruppiert sich um zwei offene Höfe, die mit Bassins, Fontänen, Säulenhallen und weit vorspringenden Dächern Kühlung und Schatten [* 8] gewähren.
Nach außen ist die Alhambra
durch hohe, einfache, zinnenbekrönte Mauermassen abgeschlossen;
nur an den vier
Thoren zeigt sich reichere
Dekoration, so an dem hufeisenförmig gewölbten, mit
Arabesken gezierten sogen.
Thor der
Gerechtigkeit, durch welches man vom
Fluß
Jenil aufwärts, durch den herrlichen die
Burg umgebenden
Park kommend, eintritt.
Man gelangt zunächst in den 22 m breiten, 40 m langen Myrtenhof, der an seinen beiden Schmalseiten von
einer
Säulenhalle eingefaßt wird. Dem Eingang entgegengesetzt an der Nordseite liegt hinter einem Vestibül in einem gewaltigen
viereckigen
Turm der
Saal der
Gesandten, ein
Quadrat von 11 m, auf drei Seiten durch Fensternischen erweitert, mit Stalaktitenkuppel.
Am besten erhalten sind ferner die
¶
mehr
östlich von dem genannten Hof [* 10] gelegenen Räume. Ihren Mittelpunkt stellt ein zweiter offener Hof dar, etwas kleiner als der erste, 19 m breit, 34 m lang, aber an Reichtum, Zierlichkeit und Glanz der Ausstattung jenem überlegen. Auch ihn schmücken Springbrunnen, namentlich in der Mitte eine mächtige Schale von Alabaster, die auf zwölf Löwen [* 11] von schwarzem Marmor ruht und dem Raum den Namen des Löwenhofs gegeben hat. Rings umziehen Bogenhallen auf schlanken Säulchen den Hof und erweitern sich in der Mitte der beiden Schmalseiten zu viereckig vortretenden Pavillons, die ebenfalls Springbrunnen enthalten.
Östlich gelangt man in einen langen, hallenartigen Raum mit fünf tiefen Nischen, den Saal des Gerichts, während in der Mitte der Langseiten des Löwenhofs sich gegen N. der Saal der beiden Schwestern, von zwei großen Marmorplatten des Fußbodens so benannt, gegen S. ein kleiner Saal anschließt, der seinen Namen von dem Morde der berühmten Familie der Abencerragen (s. d. und Tafel »Baukunst VIII«, [* 9] Fig. 6-12) erhielt. Diese Räume sind die schönsten und glänzendsten des Schlosses, an ihren Wandflächen und stalaktierten Kuppeln mit einer unerschöpflichen Pracht buntfarbiger Ornamente [* 12] überdeckt, die Halle [* 13] der Abencerragen außerdem durch eine zierliche Bogenstellung auf schlanker Mittelsäule aufs anmutigste mit zwei anstoßenden Kabinetten verbunden.
Überall befinden sich kleinere Fontänen, die das Behaglich-Wohnliche, Träumerisch-Poetische dieser Räume vollenden. Die Ecke zwischen der Halle der zwei Schwestern und dem Myrtenhof füllt eine Anlage von Baderäumen, die mit den Wohngemächern in Verbindung stehen. Die künstlerische Ausbildung dieses Grundplans atmet die höchste Leichtigkeit und Anmut. Die Marmorsäulen schießen gleich dünnen Rohrstäbchen empor, und auch die Kapitäler haben diesen graziösen Charakter.
Über den Säulen
[* 14] erhebt sich ein kräftiger Mauerpfeiler, der mit horizontalem Fries abschließt, in welchen der je zwei Säulen
verbindende Bogen
[* 15] hineingespannt ist. Dazu gesellt sich eine in ihrer harmonischen Pracht unerreichte Ausstattung der Wandflächen,
welche durch Streifen mit goldenen Inschriften auf azurblauem Grund abgeteilt und in einzelne Felder gefaßt
sind, deren Flächen von prächtigen Arabesken in Gold,
[* 16] Blau und Rot strahlen. Die spanische Regierung läßt neuerdings die Alhambra
stilgemäß
restaurieren.
Vgl. außer W. Irvings bekannten »Erzählungen von der Alhambra«:
Gosche, Die Alhambra
(Berl. 1854), und die Prachtwerke:
Murphy, The Arabian antiquities in Spain (neue Ausg., Lond.
1856);
Girault de Prangey, Monuments arabes et moresques d'Espagne ( Par. 1839);
Owen Jones, Plans, elevations, sections and
details of the Alhambra
(Lond. 1848, 2 Bde.).