Alhambra
(»der rote«, nämlich Turm), einst maur. Königsburg, das herrlichste Denkmal arabischer Baukunst in Europa, in paradiesischer Gegend der spanischen Provinz Granada auf der Spitze eines bewaldeten Bergs, 2 km von Granada, gelegen, von dieser Stadt durch ein üppiges, vom Darro durchströmtes Thal geschieden. Ein Teil der Bauanlagen datiert aus dem 13. Jahrh.; Mohammed Ibn al Ahmar vom Stamm der Nassriden wird als Gründer der Alhambra genannt. Im J. 1273 war die Hauptmasse der Festung vollendet; Mohammed II. führte den Bau derselben weiter. Dann begannen die Prachtbauten und die Ausführung der innern Dekoration, welche im 15. Jahrh. vollendet wurden. Nach der Eroberung durch die Christen ward ein großer Teil zerstört, namentlich durch Kaiser Karl V., welcher das Abgerissene durch einen unvollendet gebliebenen Palast in schwerem Renaissancestil ersetzen wollte. Was erhalten ist, reicht indessen hin, um der Phantasie ein Bild der schönsten Zeit maurischer Kultur vorzuführen. Die Anlage des Schlosses gruppiert sich um zwei offene Höfe, die mit Bassins, Fontänen, Säulenhallen und weit vorspringenden Dächern Kühlung und Schatten gewähren. Nach außen ist die Alhambra durch hohe, einfache, zinnenbekrönte Mauermassen abgeschlossen; nur an den vier Thoren zeigt sich reichere Dekoration, so an dem hufeisenförmig gewölbten, mit Arabesken gezierten sogen. Thor der Gerechtigkeit, durch welches man vom Fluß Jenil aufwärts, durch den herrlichen die Burg umgebenden Park kommend, eintritt. Man gelangt zunächst in den 22 m breiten, 40 m langen Myrtenhof, der an seinen beiden Schmalseiten von einer Säulenhalle eingefaßt wird. Dem Eingang entgegengesetzt an der Nordseite liegt hinter einem Vestibül in einem gewaltigen viereckigen Turm der Saal der Gesandten, ein Quadrat von 11 m, auf drei Seiten durch Fensternischen erweitert, mit Stalaktitenkuppel. Am besten erhalten sind ferner die
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östlich von dem genannten Hof gelegenen Räume. Ihren Mittelpunkt stellt ein zweiter offener Hof dar, etwas kleiner als der erste, 19 m breit, 34 m lang, aber an Reichtum, Zierlichkeit und Glanz der Ausstattung jenem überlegen. Auch ihn schmücken Springbrunnen, namentlich in der Mitte eine mächtige Schale von Alabaster, die auf zwölf Löwen von schwarzem Marmor ruht und dem Raum den Namen des Löwenhofs gegeben hat. Rings umziehen Bogenhallen auf schlanken Säulchen den Hof und erweitern sich in der Mitte der beiden Schmalseiten zu viereckig vortretenden Pavillons, die ebenfalls Springbrunnen enthalten. Östlich gelangt man in einen langen, hallenartigen Raum mit fünf tiefen Nischen, den Saal des Gerichts, während in der Mitte der Langseiten des Löwenhofs sich gegen N. der Saal der beiden Schwestern, von zwei großen Marmorplatten des Fußbodens so benannt, gegen S. ein kleiner Saal anschließt, der seinen Namen von dem Morde der berühmten Familie der Abencerragen (s. d. und Tafel »Baukunst VIII«, Fig. 6-12) erhielt. Diese Räume sind die schönsten und glänzendsten des Schlosses, an ihren Wandflächen und stalaktierten Kuppeln mit einer unerschöpflichen Pracht buntfarbiger Ornamente überdeckt, die Halle der Abencerragen außerdem durch eine zierliche Bogenstellung auf schlanker Mittelsäule aufs anmutigste mit zwei anstoßenden Kabinetten verbunden. Überall befinden sich kleinere Fontänen, die das Behaglich-Wohnliche, Träumerisch-Poetische dieser Räume vollenden. Die Ecke zwischen der Halle der zwei Schwestern und dem Myrtenhof füllt eine Anlage von Baderäumen, die mit den Wohngemächern in Verbindung stehen. Die künstlerische Ausbildung dieses Grundplans atmet die höchste Leichtigkeit und Anmut. Die Marmorsäulen schießen gleich dünnen Rohrstäbchen empor, und auch die Kapitäler haben diesen graziösen Charakter. Über den Säulen erhebt sich ein kräftiger Mauerpfeiler, der mit horizontalem Fries abschließt, in welchen der je zwei Säulen verbindende Bogen hineingespannt ist. Dazu gesellt sich eine in ihrer harmonischen Pracht unerreichte Ausstattung der Wandflächen, welche durch Streifen mit goldenen Inschriften auf azurblauem Grund abgeteilt und in einzelne Felder gefaßt sind, deren Flächen von prächtigen Arabesken in Gold, Blau und Rot strahlen. Die spanische Regierung läßt neuerdings die Alhambra stilgemäß restaurieren. Vgl. außer W. Irvings bekannten »Erzählungen von der Alhambra«: Gosche, Die Alhambra (Berl. 1854), und die Prachtwerke: Murphy, The Arabian antiquities in Spain (neue Ausg., Lond. 1856); Girault de Prangey, Monuments arabes et moresques d'Espagne ( Par. 1839); Owen Jones, Plans, elevations, sections and details of the Alhambra (Lond. 1848, 2 Bde.).