Titel
Algier
(spr. alschihr; frz. Alger; span. Argel; arab. Al-Dschesair, d. h. die Inseln, das Icosium der Römer, [* 2] im arab. Mittelalter Mesrana genannt).
1) Das mittlere der drei Departements der franz.
Kolonie Algier
oder
Algerien
[* 3] (s. d.), mit der Hauptstadt Algier
, hat 170801 qkm, (1891) 1 468 127 E.,
darunter 192477 im Territoire Militaire, und zerfällt in die fünf
Arrondissements Algier
,
Medea, Miliana,
Orléansville und Tisiusu (territoire civil) und in die
Subdivisionen
Aumale und
Medea (territoire militaire). –
2)
Arrondissement im Departement Algier
, hat (1891) 519763 E. und 69 Gemeinden. –
3) Hauptstadt des Departements Algier
, zugleich erster
Kriegs- und Handelsplatz von
Algerien, liegt dicht am Mittelmeer,
an der Westseite einer geräumigen, vom
Kap Pescada im W. und
Kap Matisu im O. begrenzten, halbmondförmig nach N. geöffneten,
herrlichen
Bucht.
Unmittelbar hinter der sehr schmalen Strandebene erhebt sich das Hügelland Sahel, im Busarea (fast 7 km
im NW. der Stadt) 402 m hoch, mit subtropischer
Vegetation, zahlreichen Gärten,
Weinbergen, Kapellen und
Grabmälern wunderthätiger
Marabuts.
Die Stadt steigt aus der Ebene amphitheatralisch an einem steilen Hügel in Form eines Dreiecks auf, dessen Spitze die Kasbah oder Citadelle (123 m) bildet, und besteht aus zwei verschiedenen Stadtteilen: dem untern oder europ. und dem obern oder maur. Quartier. In jenem stehen nur noch wenige hervorragende maur. Häuser; fast die ganze Ostseite begrenzt der 1866 vollendete Boulevard de la Republique, ein 1200 m langer Viadukt auf einer doppelten Reihe von Bogen, [* 4] unter denen Magazine und Markthallen [* 5] sich befinden.
Auf diesem Boulevard, dem daran gelegenen Gouvernementsplatz, mit einer Reiterstatue des Herzogs von Orléans, [* 6] und der zwischen ersterm und dem Nationaltheater sich öffnenden Place de la République bewegt sich hauptsächlich das Leben der Stadt. Auf dem Boulevard sind fünf Banken, an der Place du Gouvernement die Moschee el-Dschedid und in unmittelbarer Nähe, auf der kleinen Place Bruce, der Winterpalast des Generalgouverneurs, der erzbischöfl. Palast und die kath. Kathedrale.
Die Place de la République ist von schönen neuen Bauten umgeben. Das ganze Quartier, das schönste der Stadt, ist erst in neuerer Zeit entstanden. Vom Gouvernementsplatze aus laufen die Hauptverkehrsadern, nach Norden [* 7] die Rue de la Marine und Rue Bab el-Oued, an deren Ende das an den Jardin Marengo [* 8] anstoßende Lyceum sich befindet, nach Süden die Rue Bab-Azoun, alle mit schönen Arkaden. In der Marinestraße befindet sich noch die Moschee el-Kebir, die schönste der Stadt. Die obere Stadt besteht aus einer Menge von winkligen, mit Treppen [* 9] versehenen Gassen, die meist nach der Kasbah hinaufführen; die Häuser sind unscheinbar von außen, im Innern aber oft kostbar ausgestattet. Der neue Stadtteil im S. von der Place de la République ¶
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398 wird von den schönen promenadenartigen Straßen Rue de Constantine und Rue d'Isly durchzogen und enthält viele schöne Bauten, so die Post, den Justizpalast, die Kirche St. Augustin u.a. Vor der Porte Bab el-Oued liegt auf der Nordseite die gleichnamige Vorstadt, an der Südseite die Vorstadt Agha und weiter das Dorf Mustapha, dessen oberer Teil aus einer reizenden Villenkolonie besteht, wo auch der Generalgouverneur seine Sommerresidenz hat. Die Hauptpromenade bildet außer dem Boulevard der Jardin de Marengo, am Nordende der Rue Bab el-Oued.
Der Hafen (95 ha) wurde unter Napoleon III. durch drei Steindämme (700, 1235 und 210 m) gegen NO., O. und S. geschützt. Er ist für Aufnahme von 40 Kriegs- und 300 Handelsschiffen berechnet und für den Handel A.s mehr als ausreichend. Militärisch geschützt werden Hafen und Stadt durch ein ausgedehntes Befestigungssystem. Die Stadt hat eine kath. Kathedrale, mehrere andere Kirchen, eine engl., eine prot. Kirche, mehrere Synagogen, 22 Moscheen und viele kleinere, dem Andenken von Heiligen oder Marabuts geweihte Bethäuser.
Die Zahl der Einwohner, zur Zeit der Türkenherrschaft übertrieben bis auf 100000 geschätzt, betrug 1838: 30395, darunter 18387 Eingeborene,
1886: 74792, darunter 16759 Eingeborene, 1891: 82585, darunter 20928 Eingeborene und 38041 Franzosen. Den Kern der einheimischen
Bevölkerung
[* 11] bilden die Mauren, die ihren Lebensunterhalt im Kleinhandel, als Handwerker, Seidenwirker,
Goldsticker, Schuhmacher und Sattler suchen. Die Israeliten (8486) sind jetzt reiche Kaufleute und Besitzer von Fabriken,
Häusern und Gütern. Algier
ist Sitz des Generalgouverneurs, der obersten Militär- und Civilbehörden sowie der Behörden für
die Provinz (Präfekt) und des Arrondissements Algier
, eines Appellhofs, eines kath. Erzbischofs, eines prot.
und israel. Konsistoriums sowie der höchsten Geistlichkeit der Moslems.
An Bildungsanstalten hat Algier
eine Militärakademie, ferner im schönen, in der Vorstadt Isly auf einem Hügel
gelegenen Universitätsgebäude eine École de Médecine und drei Écoles préparatoires, nämlich für Rechte, für Mathematik
und Naturwissenschaften und für Litteratur mit einer orient. Sektion und einem Kurse für die arab.
Sprache,
[* 12] eine Medrese für Mohammedaner, ein Lyceum, Pensionate für den höhern Unterricht, zahlreiche Elementarschulen für
alle Konfessionen,
[* 13] ein archäol.
Museum, eine öffentliche Bibliothek, zwei Theater, [* 14] seit 1856 eine histor. Gesellschaft, die die «Revue Africaine» erscheinen läßt, mehrere Buchdruckereien, Buchhandlungen, Lesekabinette, mehrere Zeitungen, arab. und franz. Journale, Gesellschaften für Kunst, Landwirtschaft u.s.w.; auch Wohlthätigkeitsanstalten und -Vereine, Waisenhäuser, Armenhaus, Sparkasse, Militär- und Civilhospitäler, ein großes Militärlazarett u.a. sind vorhanden.
Handel. Die Hauptquelle des Erwerbs ist der Handel, da der wichtigste Handelsplatz der Küste und der Endpunkt aller Straßen des Binnenlandes ist. Die Einfuhr (1887: 85¼ Mill. Frs.) gehört größtenteils Frankreich an, doch beteiligen sich Spanien [* 15] (1888: 8,7 Mill. Frs.) mit Weinen und Früchten, Italien [* 16] (1888: 2,1 Mill. Frs.) mit Reis, Wein, Töpferwaren und Cement, England (1888: 9,7 Mill. Frs.) mit Steinkohlen, Baumwollgeweben und Eisen, [* 17] die brit. Besitzungen im Mittelmeer (1888: 2,1 Mill. Frs.); Österreich [* 18] mit Bauholz und Stahl und Rußland (1888: 5,6 Mill. Frs.).
Die Ausfuhr zur See (1887: 50,5 Mill. Frs.) richtet sich außer nach Frankreich besonders nach England (1888: 10,4 Mill. Frs.),
den engl. Besitzungen im Mittelmeer (1888: 2,8 Mill. Frs.), Belgien
[* 19] (1888: 8,1 Mill. Frs.), Spanien (4 Mill.
Frs.), Portugal und Italien und besteht hauptsächlich in grünen Gemüsen, Blättertabak, Flachs, Wein, Kartoffeln, Schafen,
ferner in Schafwolle, Hörnern, Klauen, frischen und getrockneten Früchten und Crin d'Afrique. Der Küstenverkehr erreichte
(1888) 36422 t in der Ausfuhr (meist nach Dellys im Osten und Scherschell im Westen von in der Einfuhr 19313 t.
Seit ist der Verkehr mit Frankreich der franz. Flagge vorbehalten. In Algier
sind folgende Banken vertreten: Die Bank von
Algier
, die Compagnie Algérienne, der Crédit foncier et agricole d'Algérie und eine Filiale des Crédit Lyonnais. Außerdem
bestehen Wechselstuben, einige Bankiers, eine Handelskammer und Konsulate aller handeltreibenden Nationen.
Verkehrswesen. Algier
hat Eisenbahnverbindung mit Oran (426 km) und mit Constantine (464 km) und hat durch die
Compagnie générale transatlantique mit Marseille
[* 20] (417 Seemeilen) täglich Postverbindung, mit Port-Vendres und den Küstenplätzen
bis Tunis einmal wöchentlich; nach Frankreich führen drei der franz. Regierung gehörige Kabel. In neuerer
Zeit ist Algier
infolge seines milden Seeklimas (+12° C. im Winter bis 20° C. im Sommer) auch als Kurort sehr in Aufnahme gekommen
und wird während des Winters von brustkranken Europäern sowie zahlreichen Reisenden besucht, da hier für alle Bedürfnisse
auch des verwöhntesten Großstädters ausreichend gesorgt ist. Die nächsten Umgebungen A.s, der Fhos
oder Fhas (Weichbild), dessen Kommunen und zugehörigen Ortschaften seit 1848 in die Bannmeile der Stadt gezogen sind, zeichnen
sich durch reizende Lage, üppige Vegetation, schöne Gärten, besonders den herrlichen Versuchsgarten hinter dem Schlachthof,
maur. Villen, Landhäuser der Konsuln aus. –
Vgl. Schneider, Der klimatische Kurort Algier
(3 Bde.,
Dresd. 1869-78).
(Hierzu Plan: Algier.
)