Titel
Algen
[* 2] (Algae, hierzu Tafel »Algen«
),
kryptogamische Pflanzenklasse aus der Abteilung der
Thallophyten, ein- oder vielzellige,
stets
Chlorophyll enthaltende, meist im
Wasser lebende
Gewächse, deren
Körper keine Unterscheidung von
Stengel,
[* 3]
Wurzeln und Blättern
erlaubt, aber in Form,
Größe und
Entwickelung die größten Verschiedenheiten
zeigt. Bei den einzelligen Algen
besteht jedes
Individuum aus einer einzigen
Zelle,
[* 4] während bei den
Fadenalgen mehrere
Zellen reihenförmig zu Zellfäden
vereinigt sind.
Bei andern Algen
sind zahlreiche
Zellen flächen- oder körperförmig vereinigt, und der
Thallus nimmt dann oft bei ansehnlicher
Größe eine strauch- oder blattartige Gestalt an, die
Organe der höhern
Pflanzen in der Form nachahmend. Der
Körper
der Algen
besteht aus lauter einander ziemlich gleichen, runden oder cylindrischen, bei den
Tangen oft parenchymatisch vereinigten
Zellen, welche stets
Chlorophyll enthalten. Dies tritt formlos, in
Körnern oder in
Bändern auf, und wo es sich allein findet,
hat die Alge die den höhern
Pflanzen eigne rein grüne Färbung.
Bei vielen sind aber dem
Chlorophyll noch andre
Farbstoffe beigemengt und zwar entweder goldgelbes Phykoxanthin,
wie bei den
Diatomeen, die daher braune oder olivengrüne Färbung haben, oder neben diesem noch ein drittes
Pigment, das Phykocyan,
bei den spangrün gefärbten Algen
(Phykochromaceen). Bei den meist olivenbraunen
Ledertangen ist es intensiv braunrot und heißt
Phykophäin. Bei den lebhaft roten
Florideen ist dieses dritte
Pigment das rote
Phykoerythrin. Außer diesen
Farbstoffen, die
immer an das
Protoplasma gebunden sind, finden sich in den
Zellen der Algen
häufig Stärkekörner.
Wie die übrigen
Thallophyten, zerfallen die Algen
je nach der Art ihrer geschlechtlichen
Fortpflanzung, deren Erforschung man
Thuret,
Bornet,
Pringsheim,
Cohn u. a. verdankt, in vier große Hauptabteilungen:
1) Protophyta, ohne geschlechtliche Fortpflanzung sich durch Teilung, Schwärmzellen, unbewegliche Brutzellen oder Sporen vermehrend, mit den beiden Ordnungen Chlorophyllophyceae und Cyanophyceae.
2) Zygosporeae. Die geschlechtliche Fortpflanzung besteht in Kopulation [* 5] zwischen zwei gleichartigen Zellen, und zwar verschmelzen entweder zwei Schwärmzellen miteinander, wie bei der Ordnung der Zoosporeae, oder die Kopulation findet zwischen unbeweglichen Zellen statt, wie bei den Konjugaten. Das Produkt der Kopulation ist eine Zygospore.
3) Oosporeae. Der Geschlechtsakt wird von zwei verschiedenen Zellen ausgeübt, von denen die eine, die weibliche Zelle oder das Oogonium, aus seinem Protoplasma die Eizelle, d. h. die Anlage einer spätern neuen Pflanze, erzeugt, während die männlichen Zellen oder Antheridien ihren Inhalt in unbeweglicher oder beweglicher Form (in letzterm Fall als sogen. Spermatozoiden) mit der Eizelle vermischen. Das aus der befruchteten Eizelle zunächst hervorgehende Produkt ist die Oospore. Zu dieser Abteilung gehören die Ordnungen der Coenobieae, Sphaeropleae, Coeloblasteae, Oedogonieae, Characeae und Fucoideae.
4) Carposporeae. Die geschlechtliche
Fortpflanzung wird durch Antheridien und ein mehrzelliges weibliches
Organ, das
Karpogon,
vermittelt, welches ein haarförmiges Empfängnisorgan, die
Trichogyne, trägt und sich nach der
Befruchtung
[* 6] in eine mehrzellige,
die
Sporen erzeugende
Frucht, das
Cystokarp, umwandelt. Die Abteilung umfaßt die
Ordnung der Coleochaeteae
und Florideae. Die sehr verschiedenen
Formen der ungeschlechtlichen
Vermehrung sind bei der folgenden
Charakteristik der einzelnen
Ordnungen der Algen
ebenfalls berücksichtigt.
1.
Ordnung: Chlorophyllophyceae (protophytische Algen
mit Chlorophyllinhalt), von sehr einfachem
Bau, oft einzelne, isoliert lebende
Zellen oder zu verschieden gestalteten, gallertartigen Zellkolonien vereinigt.
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Sie vermehren sich auf ungeschlechtlichem Wege, indem sich ihre Zellen in Tochterzellen teilen, oder sie lassen durch Zweiteilung Schwärmzellen hervorgehen, die zu neuen Pflanzen sich ausbilden. Gattungen: Palmella Lynb., Pleurococcus Menegh., Characium A. Br., Gloeocystis Näg. u. a.
2. Ordnung: Cyanophyceae (protophytische Algen
mit Phykocyan, s. S. 341), unterscheiden sich durch spangrüne,
blaugrüne oder violette Färbung von der vorigen Ordnung. Die stets ungeschlechtliche Vermehrung erfolgt durch Teilung oder
durch Umwandlung vegetativer Zellen in Sporen. Mehrere Arten der Gattung Nostoc leben als Pseudoparasiten in Gewebehohlräumen
von Laub- u. Lebermoosen, im Stamm von Gunnera, in der Wurzel
[* 8] von Cycas, im Blatt
[* 9] von Azolla u. a. Gattungen:
Chroococcus Näg.,
Gloeocapsa Ktz.
[* 2]
(Fig.
1), Rivularia Roth, Sirosiphon Ktz.,
Scytonema Ag., Nostoc Vauch.,
Limnochlide Ktz.,
Oscillaria Bosc.
3. Ordnung: Zoosporeae (Algen
mit Schwärmsporenpaarung), pflanzen sich geschlechtlich durch Verschmelzung von Schwärmsporen
fort, außerdem ungeschlechtlich durch andre, meist größere Schwärmzellen. Süßwasserbewohner, in die Familien der Pandorineen,
Hydrodiktyeen und Ulothricheen zerfallend; die erstere
[* 2]
(Fig. 2) begreift Formen, die entweder einzelne
Zellen von der Form gewimperter Schwärmsporen bilden, oder zu kugeligen, auch tafelförmigen Kolonien vereinigt sind, aus deren
Gallerthülle die Wimpern der einzelnen Zellen hervorragen.
Die durch wiederholte Zweiteilung in einer Mutterzelle erzeugten, mit zwei Wimpern, einem roten Pigmentfleck und einer farblosen Spitze versehenen Schwärmsporen berühren sich bei der Paarung [* 2] (Fig. 2 bei III) und verschmelzen zu einer Kugel, die, entsprechend der Vereinigung von zwei Schwärmern, vier Wimpern und zwei rote Flecke zeigt [* 2] (Fig. 2 bei IV). Später verschwinden Wimpern und Flecke, die zur Ruhe gekommene Kugel umhüllt sich mit einer festen Haut, [* 10] ihr vorher grüner Inhalt wird rot, und sie stellt nun die Zygospore dar, die auf austrocknendem Schlamm eine Ruhezeit durchmacht, dann, angefeuchtet, zunächst einen roten Schwärmer hervorgehen läßt, der wieder zur Ruhe kommt und in 16 zu einer neuen Pandorina-Kolonie zusammentretende Zellen zerfällt.
Gattungen: Pandorina Bory
[* 2]
(Fig. 2), Stephanosphaera Cohn, Chlamydomonas Ehrbg.,
Hydrodictyon Roth, Pediastrum Roth
[* 2]
(Fig. 3), Ulothrix Ktz.
u. a. Durch endophyte, aber nicht eigentlich parasitäre Lebensweise zeichnen sich mehrere
ebenfalls zu den Zoosporeen gehörige, bis jetzt noch unvollständig bekannte Algen
aus. So lebt Chlorochytrium Lemnae in Intercellularräumen
von Lemna trisulca, Endosphaera biennis im Blattparenchym von Potamogeton lucens, Phyllobium dimorphum
im Blatt von Lysimachia
[* 11] Nummularia.
4. Ordnung: Conjugatae (kopulierende Algen). Hier kopulieren behufs der geschlechtlichen Vermehrung zwei unbewegliche, vegetative Zellen miteinander, das Produkt der Vereinigung ist eine von den vegetativen Zellen verschiedene Zygospore. Ungeschlechtliche Vermehrung findet durch Zellteilung, niemals durch Schwärmsporen statt. Die Ordnung umfaßt vier Familien. Die meist frei im Wasser schwimmenden, selten auf feuchtem Boden lebenden Zygnemaceen bestehen aus cylindrischen Zellfäden, in denen Chlorophyllkörper in Form von Bändern und Platten auftreten. Behufs der Kopulation wächst z. B. bei der Gattung Spirogyra [* 2] (Fig. 4) aus zwei
[* 2] ^[Abb.: Fig. 1. Eine Gloeocapsa. A einfaches Individuum; B-E wiederholte Zweiteilungen in mehrere Individuen, welche kolonienweise vereinigt bleiben.]
[* 2] ^[Abb.: Fig. 2. Entwickelung von Pandorina. I eine schwärmende Familie;
II eine geschlechtliche Familie, von welcher einzelne Zellen aus der Hülle austreten;
III zwei sich paarende Schwärmer; IV dieselben nach ihrer Vereinigung; V eine eben entstandene, VI eine ausgewachsene Zygospore.]
[* 2] ^[Abb.: Fig. 3. Pediastrum Rotula, eine achtzellige Familie.]
[* 2] ^[Abb.: Fig. 4. Kopulation von Spirogyra. I zwei benachbarte Fäden, die sich bei a und b zur Kopulation vorbereiten;
II Fäden, welche in Kopulation begriffen sind; bei a schlüpft der Plasmakörper der einem Zelle in den der andern über, bei b haben sich beide Plasmakörper vereinigt.] ¶
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Zellen nebeneinander liegender Fäden je ein schlauchförmiger Fortsatz hervor; die beiden entstandenen Fortsätze berühren sich, die sie trennende Wand wird gelöst, und der Plasmainhalt der einen Zelle tritt durch den Kopulationsschlauch in die andre hinüber, um mit dem Inhalt derselben zu verschmelzen und dadurch die Zygospore zu bilden, welche sich bald mit einer dicken Haut umzieht, nach dem Absterben der übrigen Fadenteile überwintert und im nächsten Frühjahr zu einer neuen Pflanze auskeimt. In andern Fällen, z. B. bei Zygogonium, kommt die Zygospore innerhalb des Kopulationsschlauchs zur Ausbildung.
Der in den vegetativen Zellen vorhandene Chlorophyllkörper stellt bei Spirogyra ein ein- oder mehrfaches, an den Rändern gezacktes Band dar. [* 13] Die zierlichen Desmidiaceen bewohnen hauptsächlich Torfsümpfe, in denen sie zwischen andern Algen leben. Meist sind sie durch eine mittlere Einschnürung in zwei symmetrische Hälften geteilt und bilden einzellige, sternförmige, mondförmige, strahlig gelappte oder walzenförmige Gestalten oder sind auch zu Zellbändern vereinigt.
Gattungen: Desmidium Ag., Closterium Ntzch., Cosmarium Cord., Micrasterias Ag., Euastrum Ehrbg. [* 12] (Fig. 5), Staurastrum Mey. u. a. Ebenso zierliche Formen wie die Desmidien bietet die Familie der Diatomeen (Diatomaceae oder Bacillariaceae) dar; sie unterscheiden sich jedoch von denselben durch einen eigentümlichen Farbstoff, das Diatomin, welches das Chlorophyll verdeckt und es gelb oder braun erscheinen läßt, sowie durch reichliche Ablagerung von Kieselerde in der Zellmembran.
Nach dem Glühen der Diatomeen bleibt die Kieselerde als zierliches, Form und Skulptur der ursprünglichen Zelle wiedergebendes Skelett [* 14] zurück. Die Diatomeen leben als isolierte Zellen oder sind zu band- und scheibenartigen Zellfamilien vereinigt; manche sind in Gallerthüllen eingeschlossen, andre sitzen auf Gallertstielen andern Pflanzen auf. Häufig sind ihre Formen symmetrisch zweihälftig, von ovaler, kahnförmiger, nadelförmiger, geigenförmiger Gestalt, in andern Fällen asymmetrisch.
Ihre Zellhaut zeigt eine feine Skulptur, z. B. eine stärker hervortretende Mittellinie, einen zentralen und zwei endständige Knoten und zahlreiche dichte Seitenstreifen. Jede Diatomeenzelle besteht aus zwei ungleichen Schalenhälften, einer ältern größern und einer jüngern kleinern, von denen erstere mit ihren Rändern über den Rand der letztern übergreift, etwa wie ein Schachteldeckel über die Seitenwand der Schachtel. Die Seite, an welcher die Schalenränder übereinander greifen, heißt Gürtelband- oder Nebenseite, die andre, meist reichlicher gezeichnete die Hauptseite.
Durch diese Zweischaligkeit wird eine eigentümliche Teilungsart der Diatomeen veranlaßt; bei derselben werden nämlich zwei neue Zellhälften gebildet, die mit ihren Gürtelbändern stets in die alten bleibenden Schalenhälften hineingreifen und also kleiner als diese werden; jede neugebildete ganze Zelle besteht demnach aus einer alten und einer neuen Schale. Da sich der Teilungsvorgang oftmals hintereinander wiederholt, so entsteht eine Anzahl immer kleinerer Individuen.
Nach Eintritt einer gewissen Grenze der Verkleinerung tritt schließlich die Bildung von Zygosporen (Auxosporen) ein, welche die Individuen wieder auf normales Größenmaß zurückführt. Auch die Bildung dieser Auxosporen ist eine sehr eigentümliche und komplizierte. Viele isoliert lebende Arten zeigen eine langsam schwimmende oder kriechende, der Längsachse der Zelle parallele Bewegung, deren Ursache teils in feinen, aus Spalten u. Öffnungen der Schale hervorgestreckten, im Wasser nicht sichtbaren Plasmafäden, teils in starken Diffusionsströmen gesucht worden ist.
Die Diatomeen leben in zahllosen Massen auf und in feuchter Erde, auf nassen Felsen, im Süßwasser und im Meer, bilden oft schleimige oder gallertartige Überzüge auf andern Pflanzen und sind ein Hauptbestandteil des Grundschlammes vieler Gewässer. Fossil kommen sie in Lagern von der Mächtigkeit vieler Meter als Bergmehl, Polierschiefer, Tripel, Infusorienerde, z. B. bei Bilin in Böhmen, [* 15] Ebstorf in der Lüneburger Heide, [* 16] in Toscana, Sibirien, Lappland u. a. O. vor. Auch in Guanolagern sind sie verbreitet. Die erste genauere Kenntnis derselben verdankt man Ehrenberg, der sie jedoch zu den Infusorien rechnete. Gattungen: Melosira Ag., Amphora [* 17] Ehrbg., Achnanthes Bor., Diatoma DC., Synedra Ehrbg., Fragilaria Ag., Pleurosigma Sm. [* 12] (Fig. 6), Navicula Bor., Pinnularia Ehrbg., Meridion Ag., Tabellaria Ehrbg., Triceratium Ehrbg., Biddulphia Gray, Actiniscus Ehrbg., Dictyocha Ehrbg. u. a.
5. Ordnung: Coenobieae (in Zellfamilien lebende Oosporeen). Zu dieser Ordnung wird allein die Familie der Volvocineen gezählt, deren Zellen zu hohlkugeligen, in einer Gallerthülle eingeschlossenen Kolonien vereinigt sind und mit je zwei beweglichen Wimpern aus der Hülle hervorragen.
6. Ordnung: Sphaeropleae. Auch diese Ordnung umfaßt nur eine Familie, die Sphäropleaceen, die einzellige, cylindrische, unverzweigte Zellfäden mit ringförmigen Chlorophyllbändern darstellen. Ihre Oogonien und Antheridien entstehen in gewöhnlichen, den vegetativen gleichen Zellen des Fadens und öffnen sich für den Austritt der keulenförmigen, bewimperten Spermatozoiden und den Eintritt derselben zu den grünen, mit farblosem Empfängnisfleck versehenen Eizellen durch kreisrunde Löcher. Die
[* 12] ^[Abb.: Fig. 5. Euastrum crux melitensis, eine aus zwei symmetrischen Hälften bestehende einfache Zelle darstellend.]
[* 12] ^[Abb.: Fig. 6. Pleurosigma angulatum.]
[* 12] ^[Abb.: Fig. 7. Befruchtung von Vaucheria. A ein Stück der Schlauchzelle mit Antheridium (a) und Oogonium (og);
B geöffnetes Oogonium, das einen Schleimtropfen (sl) ausstößt;
C die mit zwei Wimpern versehenen Spermatozoiden;
D Versammlung der Spermatozoiden am Eingang der Oogonien.] ¶