Dialekt, ein Dialekt des Altgriechischen, der sich seit den Zeiten der Ptolemäer
(323 v. Chr.) in Alexandria allmählich ausbildete. Er unterschied sich vom attischen hauptsächlich durch die Beimischung
macedon. und anderer nichtgriech.
Sprache, die Sprache der alten Griechen, wie sie sich in den Erzeugnissen ihrer Litteratur darstellt, während
man die Sprache der modernen Griechen als Neugriechisch zu bezeichnen pflegt. Diese alte Sprache war zu den
Zeiten ihrer Blüte
[* 4] und später nicht auf das eigentliche Griechenland
[* 5] und die hierzu gehörigen Inseln beschränkt, sondern
auch über einen großen Teil von Kleinasien, Süditalien
[* 6] (daher Großgriechenland genannt) und Sizilien
[* 7] sowie über den weiten
Kreis
[* 8] von Gegenden verbreitet, in welchen sich griechische Kolonien vorfanden. Ihrem Ursprung nach gehört sie zu
dem indogermanischen Sprachstamm
[* 9] und zwar unmittelbar zu dem südeuropäischen Aste derselben, welcher sich in die griechische
und italische Sprache verzweigte, so daß sie mit dem Lateinischen am meisten Verwandtschaft zeigt.
Das Griechische hat schon vor seiner Aufzeichnung durch die Schrift bedeutende sprachgeschichtliche Veränderungen erlitten;
in den Homerischen Gedichten, dem ersten bedeutenden Erzeugnis der Litteratur, tritt sie uns schon in
ihrer Vollendung entgegen. »Der Ausbau der griechischen Sprache ist die erste geschichtliche That der Hellenen, und diese That
ist eine künstlerische. Denn als ein Kunstwerk muß vor allen Schwestersprachen die griechische betrachtet werden wegen
des in ihr waltenden Sinnes für Ebenmaß und
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Vollkommenheit der Laute, für Klarheit der Form, für Gesetz und Organismus.« (Curtius.) Ist aber schon das Material der griechischen
Sprache, gleichsam ihr Körper, was Reichtum der Formen, Schönheit, Reinheit und Durchsichtigkeit der Bildung anbetrifft, bewundernswürdig,
so ist der Geist, der diese Formen belebt, ordnet und ihnen Leben einhaucht, die Syntax, von keiner andern
Sprache jemals erreicht worden. Wie alle Sprachen, deren Grenzen
[* 11] sich über weite, durch Bodenbeschaffenheit, geographische
Lage und Klima
[* 12] verschiedene Länderstriche erstrecken, hatte auch die griechische Sprache verschiedene Mundarten, und zwar sind es in historischer
Zeit drei Dialekte, welche vorherrschen, der äolische, dorische und ionische.
Der dorische Dialekt trägt das Gepräge des Stammcharakters an sich; er ist rauher und von Haus aus den Hochländern eigen,
in deren vollen und breiten Lauten man die durch Bergleben und Bergluft gestählte Brust vernimmt; Kürze
in Form und Ausdruck ist Charakter des Dorismus, der auch mit Vorliebe altertümliche Wortformen bewahrte und sich vornehmlich
durch den häufigen Gebrauch des dunkeln A-Lauts an Stelle des eta ^[η] und omega ^[ω] der andern Dialekte und seine Abneigung
gegen Diphthonge auszeichnet. Er war Volkssprache in der mittelgriechischen LandschaftDoris, seit der Einwanderung
der Dorier im größten Teil des Peloponnes sowie in Kreta, Sizilien, Unteritalien und in den dorischen Kolonien auf der Südküste
Kleinasiens.
Daher das Weiche, Melodische und Liebliche der ionischen Mundart, die ihren Ursprung dem glücklichen Himmel
[* 14] Kleinasiens und jenem
heitern Volksstamm verdankt, den wir den ionischen nennen. Diese Weichheit wird vorzüglich in der Häufung der Vokale
und in der zunehmenden Abneigung gegen die Aspiration fühlbar. Wie sehr die Ias (so hieß der ionische Dialekt bei den Grammatikern)
auch die unvermittelte Fülle der Vokale liebte, zeigt ihr geduldiges Verhalten gegen den Hiatus und unzusammengezogene Formen.
Die Vokale sind weicher, aber dünner; häufiger sind e und u als a und o. Die Formen der Sprache wie des
Ausdrucks neigen sich zu einer gewissen behaglichen Breite;
[* 15] es herrschen Fülle der Formen, mehr Freiheit und eine größere Flüssigkeit
der Laute vor. Die ältesten Erzeugnisse dieser Mundart, die wir besitzen, sind die Homerischen Gedichte. Der Geschichtschreiber
Herodot u. der ArztHippokrates sind unsre Hauptquellen für ionische Prosa. Besonders bemerkenswert ist
die SpracheHomers.
Auf die Ausbildung dieses
sogen. epischen oder ältern ionischen Dialekts hat ebensowohl der allgemeine Charakter des Ionismus
eingewirkt wie der Rhythmus des epischen Verses, des Hexameters. Diesen epischen oder Homerischen Dialekt adoptierten nicht nur
die Epiker nach Homer, sondern auch Elegiker, philosophische und didaktische Dichter. Zu diesen drei Dialekten,
welche zur Zeit der großen griechischen Völkerwanderung schon ausgebildet waren, tritt nun noch als vierter der früher
von dem ionischen nicht wesentlich verschiedene attische (die Atthis) hinzu. Er steht in der schönen Mitte zwischen dorischer
Härte und ionischer Weichheit. Er bringt den von den Ioniern zurückgesetzten Vokal a neben e wieder zu
Ehren und mäßigt die allzu üppige Vokalfülle; aber auch er ist nicht ein für allemal starr abgeschlossen, sondern
hat seine Entwickelung.
Man unterscheidet einen (bis zum Beginn des Peloponnesischen Kriegs währenden) ältern und einen jüngern Attizismus, ohne
daß jedoch die Unterschiede erhebliche wären; z. B. verwandelt der letztere die Lautverbindungen
rs in rr, tt in ss. Der attische Dialekt zeichnet sich aus durch die vollendete Abrundung in der Formenbildung wie durch die
Gewandtheit und Biegsamkeit der syntaktischen Verbindungen und gewann unter allen die weiteste Verbreitung. Auch für uns
ist dieser Dialekt unstreitig von der größten Bedeutung, da uns derselbe vermöge der Anzahl und Trefflichkeit der noch
erhaltenen Schriften zur Grundlage des griechischen Sprachstudiums zu dienen hat.
Als endlich die griechische Freiheit dem makedonischen Usurpator unterlegen war und nicht mehr jene Mannigfaltigkeit freier,
wenn auch kleiner hellenischer Staaten bestand, welche eine so reichhaltige und fruchtbringende Entfaltung der Stammeseigentümlichkeit
befördert oder eigentlich erst möglich gemacht hatte, da verschwand auch der Reichtum an dialektischen Nüancen, und die
Sprache gehorchte, wie die übrigen Zweige des Volkslebens, dem Prinzip des Nivellierens, am schnellsten der ionische, am zähsten
der dorische Dialekt. Am Hof
[* 16] der makedonischen Herrscherfamilie war der attische Dialekt die gewöhnliche Sprache und wurde somit
Umgangssprache der gebildeten Stände und allgemein angenommene Schriftsprache.
Durch diese allgemeine Verbreitung mußte jedoch der Dialekt notwendig von seiner Eigentümlichkeit einbüßen
und dagegen Neues und teilweise Fremdartiges in sich aufnehmen. So wurde aus dem attischen Dialekt der allgemeine oder hellenische,
welcher auch die Schriftsprache der folgenden Zeiten war, nur daß einzelne Schriftsteller, namentlich die sogen. Sophisten
des 2. Jahrh. n. Chr., wie besonders Lukianos von Samosata, auf die Reinheit der attischen Sprache zurückzugehen
versuchten. Neben dieser Gemeinsprache der Gebildeten und der Litteratur entstanden zu derselben Zeit zwei neue Mundarten,
die makedonische und alexandrinische, die aber nur Volkssprachen blieben und sich nie zu der Sprache der feinern Litteratur
erhoben. Beide weichen von der Gemeinsprache
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in hohem Grad ab und sind als Verderbnisse der griechischen Sprache zu betrachten, da sie nicht nur eine Menge fremder barbarischer
und veralteter Wörter aufnahmen und den vorhandenen Wörtern neue Bedeutungen gaben, sondern auch in den Lauten und Flexionen
große Veränderungen einreißen ließen. Die erstere ging aus einer Mischung des Griechischen mit dem
Makedonischen hervor und verbreitete sich mit der makedonischen Herrschaft über die unterworfenen barbarischen Nationen, von
denen sie vieles aufnahm.
Die letztere ist die in Alexandria herrschende Volkssprache, die sich aus der Vermischung von attischen und makedonischen
Elementen mit jüdischen und ägyptischen bildete und von der Gemeinsprache sehr verschieden war.
In diesem Dialekt ist das Alte Testament übersetzt (s. Septuaginta); auch die Verfasser der neutestamentlichen Schriften und
die Kirchenväter haben sich teilweise derselben bedient, weshalb man sie auch die kirchliche Mundart nennt (s. Hellenismus).
Im Verlauf der Zeit artete die immer griechische Spracheimmer mehr im Munde des Volkes aus, indem sie nicht nur eine große Anzahl
von fremden Ausdrücken aufnahm, sondern auch immer mehr den Sinn für den richtigen Gebrauch der Wörter, der grammatischen
Formen und der syntaktischen Konstruktionen verlor. Am stärksten tritt die Zerrüttung in den Werken der byzantinischen Schriftsteller
entgegen, welche um die Zeit der EinnahmeKonstantinopels verfaßt sind. Aus dieser völlig verderbten,
mit zahllosen fremden Elementen versetzten Gräzität bildete sich nach der Zerstörung des griechischen Reichs durch die Türken
(1453) die neue griechische Sprache (s. Neugriechische Sprache und Litteratur).
Die Buchstabenschrift entlehnten die Griechen nebst der Benennung der einzelnen Buchstaben von den Phönikern. Anfänglich
wurde auch die bei diesen übliche linksläufige Schrift beibehalten. Aus der Vermischung der allmählich
aufkommenden rechtsläufigen Schreibweise mit der linksläufigen entwickelte sich die furchenförmige Anordnung der Zeilen
(Bustrophedon), welche in Athen
[* 18] im ZeitalterSolons bei öffentlichen Urkunden angewendet wurde. Zur ausschließlichen Geltung
gelangte die rechtsläufige Schreibweise im 5. Jahrh. v. Chr. Von den 22 Buchstaben des phönikischen Alphabets,
von dessen fünf Hauchzeichen vier in Vokalzeichen umgewandelt wurden (aleph = a, he = e, iod = i, aion = o), während das
fünfte (chet) seine Bedeutung als Hauchzeichen (Η) zunächst behielt, kamen allmählich die Zeichen vau, koppa und sampi
für den Schriftgebrauch in Wegfall, anderseits erfanden die Griechen im Lauf der Zeit besondere Zeichen
für y, ph, ch, ps und für das lange o, welche an das Ende der phönikischen Buchstabenreihe angefügt wurden. Schließlich
wurde das Zeichen für den Hauchlaut zur Bezeichnung des langen e verwendet. Dieses so vervollständigte Alphabet von 24 Buchstaben:
(vgl. auch die
Schrifttafel beim Art. »Schrift«) wurde zuerst von den kleinasiatischen Ioniern angewendet
und als die vollkommenste Darstellung des griechischen Lautsystems von den übrigen griechischen Stämmen allmählich angenommen.
Dies fand in Athen 403 v. Chr. unter dem Archontat des Eukleides statt, wo das schon früher im Privatgebrauch verwendete ionische
Alphabet durch Volksbeschluß für den offiziellen Gebrauch eingeführt wurde.
Was die Aussprache des Griechischen betrifft, so bestehen zweierlei Arten. Die Erasmische Aussprache, von ihrem UrheberErasmus
von Rotterdam
[* 20] in dem »Dialogus de recta latini graecique sermonis
pronuntiatione« aufgestellt, geht von dem Grundsatz aus, daß die griechischen Buchstaben den entsprechenden Lauten gemäß,
also rein phonetisch auszusprechen seien. Obgleich diese Aussprache mit der Aussprache der Neugriechen in scharfem Widerspruch
steht und oft als ungriechisch angefochten worden ist, so hat sie doch nicht bloß wegen ihrer Leichtigkeit und
Bequemlichkeit, sondern auch wegen ihrer relativen Richtigkeit fast überall über die Reuchlinsche den Sieg davongetragen.
Letztere verlangt, daß der eigentümliche Klang der griechischen Buchstaben von den Neugriechen erlernt werden müsse, und spricht
also αυ und ευ wie af und ef, η, ει, οι, υ und υι sämtlich wie i, αι wie e aus. Die Verteidiger
der Erasmischen Aussprache hießen, weil sie η wie e aussprachen, Etazisten (Etazismus), die der Reuchlinschen wegen des vorlautenden
i Itazisten (Itazismus).
Eine kritische und wissenschaftlichere Bearbeitung erfuhr die griechische Grammatik erst später, als die philosophische
Forschung ihr zu Hilfe kam; namentlich zeichneten sich die HolländerHemsterhuis und Valckenaer durch scharfsinnige Untersuchungen
aus. Es erschienen in Deutschland seitdem zahlreiche auf die Grammatik der griechischen Sprache bezügliche Werke, unter denen
aber nur die Grammatik von Weller (Amsterd. 1696 u. öfter; neu hrsg.
von Fischer, Leipz. 1750 u. öfter, zuletzt
1781), die sogen. Hallesche (seit 1705) und die Märkische (vermehrt von Hülsemann, Leipz. 1802) erwähnt zu werden verdienen.
Als die gediegensten Arbeiten der neuern und neuesten Zeit sind hervorzuheben die Sprachlehren von H. Matthiä (Leipz. 1807; 3. Aufl.,
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