Alexandersage.
Das wunderbare, die Phantasie anregende Element in den Zügen Alexanders d. Gr. führte früh zu romanhafter Ausschmückung seiner Thaten. Reisen zu märchenhaften Völkern, ins Meer, durch die Luft, ja bis zu den Pforten des Paradieses wurden ihm angedichtet. Die gelesenste Niederschrift dieser Geschichten war die um 200 n. Chr. in Ägypten [* 2] zuerst zusammengefaßte griech., dann in lat., syr., armenischen Bearbeitungen verbreitete des sog. Pseudo-Kallisthenes, «Alexanders Thaten» (griechisch mit Arrian hg. von Müller, Par. 1846; von Meusel, Lpz. 1871); vgl. Zacher, Pseudo-Kallisthenes.
Forschungen zur Kritik und Geschichte der ältesten Aufzeichnung der Alexandersage
(Halle
[* 3] 1867). Eine lat.
Übersetzung
verfaßte im Anfang des 4. Jahrh. Julius
Valerius (hg. von Zacher,
Halle 1867); einzelne Partien, der
Brief
Alexanders d. Gr.
an
Aristoteles, sein Zug
zum Paradiese, wurden besonders übersetzt
(Ausgabe dieser
Teile und des
Valerius von Kübler, Lpz. 1888).
Um 950 übertrug ein Priester
Leo in Neapel
[* 4] eine jüngere Fassung des Pseudo-Kallisthenes als
«Historia
(oder liber)
Alexandri de pr(o)eliis»
(Ausgaben verschiedener
Recensionen von Kinzel, Berl. 1884; Landgraf,
Erlangen
[* 5] 1885; einer
jüngern interpolierten von Zingerle, Die
Quellen zur Alexandersage
des
Rud. von Ems,
[* 6] Bresl. 1885). Leos
Arbeit wurde die beliebteste
Quelle
[* 7] des
Abendlandes für seine ritterlichen
Alexanderromane; daneben kamen Josephus,
Methodius u. a. nur wenig
in Betracht. So gestaltete danach im 13. Jahrh. Quilichin von
Spoleto eine lat. Bearbeitung in Versen (vgl. Reuling in
den «Beiträgen zur Geschichte der deutschen
Sprache
[* 8] und Litteratur», Bd. 10), im 12.
Aubry
(Alberich) von
Besançon
[* 9] ein franz.
Epos (das erhaltene Bruchstück bei Heyse,
Roman. Inedita, Berl. 1856), das der
Pfaffe
Lamprecht (s. d.)
seinem Alexanderlied zu
Grunde legte.
Andere poet. Bearbeitungen der in deutscher
Sprache, außer den verlorenen von
Berthold von Herbolzheim und
Biterolf (Anfang
des 13. Jahrh.), rühren her von
Rudolf (s. d.) von Ems und
Ulrich von
Eschenbach (zwischen 1270 und 1287;
hg. von Toischer,
Prag
[* 10] 1888;
Abhandlung dazu in den ^[fehlt: «]
Berichten der
Wiener
Akademie» 1881). Ein umfangreiches Gedicht
über die Alexandersage
verfaßte 1352 ein
Österreicher Seifried (ungedruckt). Eine selbständige
Episode behandelt das mittelhochdeutsche
Gedicht von
«Alexander und (dem Zwerg) Antiloie», ebenso der
Schwank von
«Alexander und
Aristoteles» (vgl. im
allgemeinen Hertz,
Aristoteles in den Alexanderdichtungen des Mittelalters in den
«Abhandlungen» der
Münchener
Akademie, 1890).
Auch ein niederdeutscher Prosaroman ist erhalten. In franz.
Sprache (vgl. P.
Meyer,
Alexandre le
Grand dans la litt. franç.
du
moyen âge, 2 Bde., Par. 1886) giebt
es außer
Aubrys
Dichtung eine Bearbeitung der
A.von Lambert li Cors und
Alexandre de
Bernay um 1188 (hg.
von Michelant, Stuttg. 1846; von de la Villethassetz und
Talbot, Par. 1861). Im
Angelsächsischen wurde der
Brief
Alexanders
an
Aristoteles bearbeitet; im
Englischen giebt es außer verschiedenen Bruchstücken ein umfangreiches alliterierendes Gedicht
(hg. von Skeat 1886) nach der
«Historia de proeliis» und wohl etwas früher ein gereimtes Epos «Life
of Kyng Alisaunder» (hg. in
Webers Metrical romances", Bd. 1, Edinb.
1810),
das auf einem franz. Auszuge aus Valerius beruht. Dagegen fußt wesentlich auf Curtius Walthers von (Lille [* 11] oder) Châtillon lat. «Alexandrëis» (um 1200; hg. von Müldener, Lpz. 1863),
viel benutzt (isländisch vom Bischof Brandr Jônsson, gest. 1264),
die
Quelle
Ulrichs von
Eschenbach und des
Spaniers I. L. de
Segura (dessen «Poëma de Alexandro» im 13. Jahrh.
den
Alexandriner gebraucht).
Valerius,
Walther und Vincenz von
Beauvais legte der Vlaeme
Jakob
van Maerlant (s. d.) zu
Grunde. Die
einzige größere kelt. Bearbeitung, aus dem 11. Jahrh.,
fußt auf Orosius (vgl. Kuno
Meyer, Eine irische Version der Alexandersage
, Lpz. 1884).
Den Südslawen, die die von Byzanz bekamen und von denen sie auf die Russen überging, muß sie um die Mitte des 13. Jahrh. bekannt gewesen sein. Von den beiden südslaw. Bearbeitungen ist eine erhalten als Einschiebsel in eine bulgar. Übersetzung des byzant. Historikers Johannes Malalas, im ganzen eine Übersetzung des Pseudo-Kallisthenes. Die zweite, größtenteils in serb. Handschriften, geht auf ein griech. Original zurück, das durch ein griech. Buch des 16. Jahrh. (Διήγησις χαί ή ζωή του 'Αλεξάνδρον; hg. von Wesselowskij im «Sbornik» der Petersburger Akademie, 40. Bd., 1886) und ein aus dem 14. oder 15. Jahrh. stammendes Gedicht (hg. von Wagner in «Trois poèmes grecs», Berl. 1881) vertreten wird, von dem auch eine spätere Bearbeitung (zuerst gedruckt Vened. 1529 und oft wiederholt) vorhanden ist. Die westslaw. Alexanderromane haben ihre Quelle mit den westeurop. Bearbeitungen gemein; so ist die Hauptquelle der czech. Alexandreis Walther von Châtillon. Die genannten griech. Bearbeitungen gehen im ganzen auf Pseudo-Kallisthenes zurück.
Auch das romantische Epos des Orients erhob Alexander d. Gr. zum Lieblingshelden.
Vgl.
Spiegel,
[* 12] Die Alexandersage
bei den
Orientalen (Lpz.
1851);
Bouriant im «Journal asiatique», 1887.Außer in Firdûsis «Schah-nameh»,
das meist aus den arab.
Darstellungen der Alexandersage
schöpft, ist er in
Persien
[* 13] insbesondere in Nisamis «Iskender-nameh» besungen
worden; vgl.
Bacher, Nisamis Leben und Werke und
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(Einseitige Farbkarte) ¶
(Einseitige Farbkarte) ¶
mehr
der 2. Teil des Nisâmischen Alexanderbuchs (Lpz. 1872). Dazu kommen Bearbeitungen in andern orient.
Sprachen, arabisch, syrisch, koptisch, armenisch, namentlich türkisch. Deren Verhältnis zu ihren Quellen, untereinander und
zu den abendländ. Gestaltungen, stellte Nöldeke, «Beiträge zur Geschichte des
Alexanderromans» (Wien
[* 17] 1890), fest. Nach ihm bildet im Orient den Ausgang eine aus dem griech. Text geflossene
Pehlevi-Bearbeitung aus der letzten Sassanidenzeit (7. Jahrh.); auf diese sind die beiden
syr. Bearbeitungen (hg. von Budge, Cambridge 1889) gegründet. Auf Grund dieser Bearbeitungen der Alexandersage
ist die Geschichte Alexanders
ein wesentliches Stück der Gesamtgeschichte Persiens geworden und als solches sind die Daten der Alexandersage
bei
den ältesten arab. Historikern (Maßudi, Dinawari, Tabari, Jakubi u. a.) verwendet; dieselben Überlieferungen sind es, welche
Firdûsi poetisch bearbeitet hat. Aus der syr. Bearbeitung ist noch eine metrische Homilie des
syr. Dichters Jakob von Sarûg (gest. 521) hervorgegangen.
Den letzten orient. Ausläufer des Pseudo-Kallisthenes bildet eine aus dem Vulgärgriechischen geflossene arab. Bearbeitung um 1670. Bei den Arabern heißt der Held «Dsu-’l-Karnein», d. i. der Doppeltgehörnte, wohl als Bezwinger des Ostens und des Westens. –
Vgl. im allgemeinen außer Zachers Werk und Weismanns Ausgabe des Lamprecht (s. d.): Favre, Recherches
sur l’histoire fabuleuse d’Alexandre le Grand (1829 fg.): Unger, Die Alexandersage
(Krist. 1848);
Christensen,
Beiträge zur Alexandersage
(Hamb. 1883);
Jaraczewsky, Beiträge zur Alexandersage
(Tüb. 1890);
Carraroli, La leggenda di Alessandro Magno (Tur. 1892);
Ousely in den «Transactions of the Royal Society of Literature», I, 2; F. Wolf in den «Wiener Jahrbüchern der Litteratur», Bd. 57, und «Anzeigeblatt» dazu; über die griech. und slaw. Bearbeitungen Krumbacher, Geschichte der byzant.
Litteratur (Münch. 1891).
Die beste Sammlung der Texte bietet Förster, Alexander Magnus, collectio scriptorum ad fabulosam eiusdem historiam pertinentium (Lpz. 1874). Die neuere Dichtung behandelte die Geschichte Alexanders gern dramatisch (z. B. Racine, Nathaniel Lee). Aus der deutschen sind u. a. anzuführen die Dramen von Feßler, «Alexander der Eroberer» (1797);
von Üchtritz, «Alexander und Darius» (1827);
L. Bauer, «Alexander d. Gr., Charaktergemälde in 3 Abteil.» (1836);
Märcker, «Alexandrea» (1857);
Bodenstedt, «Alexander in Korinth» [* 18] (1876);
G. Conrad, «Der Alexanderzug» (1877);
ders., «Alexandros» (1877);
H. Herrig, «Alexander» (1879);
Hindersin, «Alexander» (1890);
außerdem sei genannt M. Döring, «Alexander d. Gr. von Makedonien, ein Lebensbild in (30) epischen Gedichten» (1856).
Alexander d. Gr. ist der Held von etwa 50 neuern Dramen und 110, meist ital. Opern.