Alexander
der Große, Sohn Philipps von Macedonien und der Olympias, einer Tochter des Molosserfürsten Neoptolemus von Epirus, war zu Pella 350 v. Chr. geboren. Leonidas, ein Verwandter von mütterlicher Seite, Lysimachus und seit 343 Aristoteles waren seine Erzieher und Lehrer. Namentlich von letzterm erhielt er eine umfassende hellenische Bildung. Große Tapferkeit und Feldherrnblick zeigte er schon in der Schlacht bei Chäronea 338, wo er die Heilige Schar der Thebaner niederwarf und den Sieg entschied.
Als Philipp zu Anfang Aug. 330 ermordet wurde, ergriff Alexander
, kaum 30 J. alt, die
Zügel der Regierung, rächte des
Vaters
Tod
und nötigte durch schnelles Zugreifen die Griechen (mit Ausnahme der Spartaner), ihm wie bisher seinem
Vater die
Hegemonie
zuzugestehen und ihn als unumschränkten Oberfeldherrn in dem geplanten
Perserkriege anzuerkennen. Durch
einen glänzenden Feldzug im
Frühling und
Sommer des J. 335 nötigte er auch die
Völker
Thraziens südlich der Donau und
Teile
von Illyrien, seine Herrschaft anzuerkennen. Inzwischen hatten auf das Gerücht von seinem
Tode insbesondere die
Thebaner zu
den Waffen
[* 2] gegriffen, und die
Athener, von
Demosthenes getrieben, beabsichtigten, sich mit ihnen zu vereinigen.
Schnell rückte Alexander
, um diese
Vereinigung zu hindern, vor
Theben, das er eroberte und von
Grund aus zerstörte (Sept. 335). Diese
Strenge that ihre Wirkung; jeder
Widerstand
Griechenlands erlosch.
Alexander ernannte dann den Antipater zu seinem Stellvertreter in Europa [* 3] und begann den Zug nach Persien, [* 4] indem er im Frühjahr 334 mit 30000 Mann zu Fuß und 5000 Reitern den Hellespont überschritt, Seinen ersten Sieg gewann er am Flusse Granicus, Mai 334. Die meisten Städte Kleinasiens, selbst Sardes, öffneten ihm nun die Thore, nur Milet und Halikarnaß widerstanden länger. Im Spätjahr 334 und zu Anfang 333 wurden Karien, Lycien, Pamphylien und Phrygien (s. Gordium), dann (Sommer 333) Kappadocien erobert.
Nur Bithynien und die Küstenstriche des Pontus behielten ihre Unabhängigkeit. Ungehindert zog Alexander nach Cilicien, aber in Tarsus hemmte eine schwere Krankheit seinen Siegeslauf. Kaum hergestellt, rückte Alexander ostwärts durch die Engpässe Ciliciens über Issus nach Myriandros. Der Perserkönig Darius Codomannus rückte gleichzeitig mit einem ungeheuern Heere durch das Amanusgebirge in Cilicien ein und befand sich so gegen sein eigenes und Alexanders Vermuten im Rücken der Macedonier.
Bei Issus, in einem engen, für die Aufstellung der pers. Heeresmassen äußerst ungünstigen Thale kam es im Nov. 333 zur Schlacht und zur völligen Besiegung der Perser. In die Hand [* 5] des Siegers fiel das Lager [* 6] und die Familie des Darius, die Alexander würdig behandelte. Den König, der gegen den Euphrat floh, verfolgte Alexander nicht, sondern zog nach Phönizien. Zwei Friedensanträge des Darius wurden abgewiesen. Die Macedonier besetzten Damaskus, wo sich die von den Persern mitgeführten Schätze befanden, und versicherten sich der Städte längs des Mittelländischen Meers; Tyrus ward nach siebenmonatigem hartnäckigen Widerstand erst im Aug. 332 erobert.
Siegreich durchzog Alexander darauf Palästina, [* 7] wo sich ihm alle Städte bis auf Gaza, das erst nach zweimonatiger Belagerung im Nov. 332 fiel, unterwarfen. Ägypten [* 8] fiel ihm ohne Schwertstreich zu. Alexander ließ die einheimischen Sitten und Religionsgebräuche unangetastet und sicherte dadurch seine Herrschaft, richtete überhaupt die Regierung des Landes mit großer Weisheit ein und gründete Alexandria. Von da zog er durch die Libysche Wüste zu Anfang 331 zum Heiligtume des Zeus [* 9] (Jupiter) Ammon, [* 10] dessen Priester ihn nach Art der alten Pharaonen zum «Sohne des Ammon» weihten. Im Frühjahr 331 brach Alexander gegen Darius auf, der in Assyrien eine neue Streitmacht zusammengebracht hatte. Bei Gaugamela, unweit Arbela, kam es 1. Okt. 331 zur Schlacht. Trotz der großen Überzahl des feindlichen Heers erfocht Alexander einen vollständigen Sieg. Darius entkam nach Medien. Alexander rückte nach Süden vor und besetzte Babylon und Susa.
Jetzt galt es, die neue Herrschaft einzurichten. Alexander zog auch Perser zur Verwaltung der eroberten Provinzen bei, nur stellte er ihnen für Kriegsmacht und Finanzen Macedonier und Griechen zur Seite. Überhaupt strebte er nach einer Verbindung und Ausgleichung pers. und griech. Wesens, wodurch freilich auf die Macedonier und Alexander selbst auch die schlimmen Seiten orient. Wesens Einfluß gewannen. Von Susa zog Alexander gegen Persepolis. Der Paß [* 11] dahin, die ¶
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«Persischen Thore», wurde noch von 40000 Mann unter Ariobarzanes verteidigt. Alexander umging diese auf Bergpfaden und zog Ende Jan. 330 in Persepolis ein. Dort wurde die Königsburg als Sühne für die Verwüstung Griechenlands durch Xerxes zerstört. Im April 330 brach Alexander zur Verfolgung des Darius auf, zunächst nach Ekbatana, von da gegen Osten. Auf die Nachricht, daß den nach Baktrien zu flüchtenden Darius drei Große, darunter der Satrap von Baktrien, Bessus, entthront hätten und gefangen hielten, beschleunigte er die Verfolgung: allein ehe er ihn erreichte, war Darius von jenen getötet (Juli 330). Nun durchzog Alexander, um den Usurpator Bessus in seine Gewalt zu bringen, dessen östlichste Provinzen; Hyrkanien, Aria, Drangiana und Arachosien, dann 329 und 328 auch Baktriana und Sogdiana wehrten sich hartnäckig. Alexander sah sich dort, obschon ihm in Sogdiana Bessus ausgeliefert wurde (329), längere Zeit zum Niederwerfen von Empörungen des Volks und namentlich zur Belagerung von Bergfesten des Adels genötigt. Er drang dabei bis an die äußersten Grenzen [* 13] des Perserreichs und über den Jaxartes hinaus ins Land der Scythen vor.
Nach der Unterwerfung von Sogdiana vermählte er sich mit der schönen Tochter des baktrischen Fürsten Oxyartes, Roxane, und that damit zugleich einen erfolgreichen Schritt zur Befestigung seiner Herrschaft in jenen Gegenden. Indessen hatte Alexander aber mit Widerspenstigkeit und Verschwörungen unter seinem macedon. Adel zu kämpfen. Schon im Herbst 330 wurde zu Prophthasia in Drangiana eine Verschwörung entdeckt, in welche angeblich der Anführer der macedon. Ritterschaft, Philotas, verwickelt war. Er wurde hingerichtet und auch sein Vater Parmenio getötet. Alexander ließ sich 328 hinreißen, den Klitus, der ihm am Granicus das Leben gerettet hatte, im Rausche mit einer Lanze zu erstechen, eine That, die er dann aufs tiefste bereute. Zuletzt kam Anfang 327 zu Baktra die Verschwörung einiger Edelknaben ans Licht, [* 14] die zum Tode verurteilt wurden. Auch der Philosoph Kallisthenes fand dabei seinen Untergang.
Als Alexander auch die letzten baktrischen Häuptlinge zum Gehorsam gezwungen hatte, brach er im Frühjahr 327 mit 120000 Mann europ. und asiat. Truppen gegen Indien auf und bezwang zuerst die Völkerschaften westlich vom Indus. Im Frühling 326 überschritt er diesen Strom und gelangte in das Reich des Königs Taxilas (eigentlich des Königs von Taxila), der ihm seine Hauptstadt freiwillig übergab. Von diesem und andern ind. Fürsten unterstützt, überschritt er dann den Hydaspes, auf dessen anderm Ufer ihm der König Porus gegenüberstand, besiegte diesen im Mai 326 und nahm ihn gefangen, setzte ihn jedoch in sein Reich wieder ein. Darauf durchzog er das heutige Pandschab, und war im Begriff zum Ganges vorzudringen, als Ende August das Widerstreben des Heers ihn am Hyphasis zur Rückkehr zwang. Als er den Hydaspes wieder erreicht und durch die Gründung zweier Städte Maßregeln zur Behauptung der ind. Landschaften getroffen hatte, fuhr er auf einer dazu erbauten Flotte (im Nov. 326) mit einem Teile des Heers diesen Fluß, dann den Akesines hinab, während der andere an beiden Ufern folgte. Auch auf diesem Zuge hatte er mehrere Kämpfe mit ind. Völkerschaften zu bestehen, und wurde bei der Belagerung der Hauptstadt der Maller gefährlich verwundet. Nach seiner Genesung zog er weiter, gelangte vom Akesines in den Indus, fuhr auf diesem hinab und kam am Indischen Ocean im Juli 325 an.
Von hier aus schlug Alexander (Ende Aug. 325) mit einer Hauptkolonne des Heers den Rückweg zu Lande durch Gedrosien (Belutschistan) ein, wo ein großer Teil der Expedition in der Wüste den Untergang fand. Nearchus hatte den Auftrag, die Flotte durch den Ocean zurückzuführen. Ein Teil des Heers, den Alexander unter Kraterus durch Arachosien vorausgeschickt hatte, vereinigte sich mit ihm in Karamanien. Auch Nearchus landete nicht lange nachher dort (Dez. 325), um dann seinen Weg zur See wieder fortzusetzen.
Nach Persis zurückgekehrt, mußte Alexander strenges Gericht über eine Anzahl verbrecherischer Satrapen halten und ging nun an die Maßregeln zur dauernden Einrichtung des Reichs auf Grundlage einer Verschmelzung des macedon.-griech. Elements mit dem orientalischen, namentlich im Heere. In Opis am Tigris kam darüber die Unzufriedenheit des macedon. Heers zum Ausbruch (Juli 324); dessen Trotz wurde aber gebrochen und die Erneuerung und Ergänzung der Armee des Weltreichs aus allen Provinzen durchgeführt.
Bald darauf verlor Alexander zu Ekbatana seinen Liebling Hephästion durch den Tod, im Spätsommer 324; derselbe ward in Babylon mit königl. Pracht bestattet. In dieser Stadt, die Alexander zum Mittelpunkte seines Reichs zu machen gedachte, zog der König zu Anfang 323 ein. Mit neuen großen Kriegsplänen beschäftigt, erkrankte er plötzlich nach einem Gastmahle und starb wenige Tage darauf in seinem 32. Lebensjahre (8. oder 11. Juni, vielleicht auch schon im Mai 323). Sein Leichnam wurde von Ptolemäus, der sich 322 desselben bemächtigt hatte, zu Alexandria beigesetzt und war noch im 3. Jahrh. n. Chr. dort zu sehen.
Erst Kaiser Severus vermauerte das Grabmal, und da 272 n. Chr. der ganze umliegende Stadtteil zerstört wurde und lange Zeit wüste blieb, wurde allmählich die Stelle vergessen. Alexander hatte keinen Erben des Reichs bestimmt. Nach vielen Wirren erkannten seine Feldherren den blödsinnigen Arrhidäus, einen Sohn Philipps und der Tänzerin Philinna, und A.s von Roxane nachgeborenen Sohn Alexander als Könige an und teilten sich in die Provinzen. Perdikkas wurde Reichsverweser und Vormund des Königs.
Alexander ist seinem persönlichen Charakter nach vielleicht der größte und genialste Held des Altertums. Abgesehen von der Frage, ob es ihm bei längerm Leben gelungen wäre, die Masse der eroberten Länder und unterjochten Völker vom Indus bis zur Adria in eine geordnete polit. Gesamtheit zu bringen, ist doch gewiß, daß seine flüchtige, meteorähnliche Laufbahn sowohl durch Aufrüttelung der Völker im allgemeinen als auch durch Gründung griech. Kolonien und Plätze viele Keime zurückgelassen hat, die später, wenn auch in ganz anderer Weise, ihre welthistor. Entwicklung fanden. Seine Herrschaft zerfiel nach seinem Tode, aber seine Nachfolger Antigonus, Seleucus, Ptolemäus, Lysimachus u. s. w. (s. Diadochen) stifteten allmählich in den einzelnen Hauptteilen des großen Reichs Staaten, in denen mehr oder weniger die griech. Kultur wirksam und heimisch geworden ist. (Hierzu eine Karte: Alexanders d. Gr. Reich und Eroberungszüge.)
Obwohl Alexander verbot, daß außer Apelles, dem Steinschneider Pyrgoteles und Lysippus ihn jemand bildlich darstelle, ist er doch durch die Kunst vielfach verherrlicht worden. Berühmt waren ein Gemälde des Apelles zu Ephesus und die zahlreichen plastischen ¶
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Darstellungen A.s von Lysippus. Erhalten ist, außer der durch Inschrift gesicherten Büste im Louvre (1779 bei Tivoli gefunden), eine Marmorbüste (Sammlung des Grafen Erbach); ein im Typus des Sonnengottes gehaltener Porträtkopf im Museo Capitolino; «Der sterbende Alexander», ein Marmorkopf in Florenz. [* 16] Eine Bronze [* 17] aus Herculanum zeigt ihn gerüstet zu Roß; ein antikes Mosaikgemälde schildert die «Alexanderschlacht» (s. d.). –
Vgl. Müller, Numismatique d’A. Le [* 18] Grand (Kopenh. 1855);
Lützow, Münchener Antiken (nackte Statue, Münch. 1861);
Starck, Zwei Alexanderköpfe (Lpz. 1879);
Koepp, Über das Bildnis A.s d. Gr. (Berl. 1892).
Die neuere Kunst wählte oft A.s Thaten zum Gegenstande, am bekanntesten ist Thorwaldsens (s. d.) Relief «Alexanderzug»; ferner die Gemälde von Ch. Lebrun (Paris, [* 19] Louvre),
«A.s Tod» von Piloty (Berlin, [* 20] Nationalgalerie). Die Litteratur über Alexander ist sehr umfangreich. Zunächst wurden A.s Leben und Thaten von einigen seiner Begleiter, wie Kallisthenes, Anaximenes, Klitarch, Onesikritus, Marsyas, [* 21] Chares, in pomphaftem Stil, oft voll Übertreibungen und Märchen, der Grundlage der Alexandersage (s. d.), erzählt, andere, namentlich Ptolemäus Lagi und Aristobul, gaben zuverlässige Berichte, wenn auch nur über das Militärische und Geographische, nicht über das Politische und Psychologische. Auf Klitarch beruht im wesentlichen die Erzählung der Geschichte A.s bei Diodor, Trogus Pompejus (bei Justin), Curtius Rufus, mehrfach auch bei Plutarch; auf Ptolemäus und Aristobul die Darstellung Arrians, der daneben eine alexandrinische Kompilation benutzt zu haben scheint. Arrianus (s.d.) ist somit für uns die Hauptquelle. Die Reste der gleichzeitigen Geschichtschreiber A.s sind von K. Müller in der Ausgabe Arrians von Dübner (Par. 1877) gesammelt.
Neuere Bearbeitungen: J. G. Droysen, Geschichte A.s d. Gr. (4. Aufl., Gotha [* 22] 1892);
Flathe, Geschichte Macedoniens, Bd. 1 (Lpz. 1832);
Grote, Geschichte Griechenlands, deutsch von Meißner, Bd. 6 (2. Aufl., Berl. 1882);
Hertzberg, Die asiat. Feldzüge A.s d. Gr. (2. Aufl., Halle [* 23] 1875);
ferner: Rüstow und Köchly, Geschichte des griech. Kriegswesens (Aarau [* 24] 1852);
Schäfer, Demosthenes und seine Zeit, Bd. 3 (2. Aufl., Lpz. 1887);
Kaerst, Forschungen zur Geschichte A.s d. Gr. (Stuttg. 1887);
Joubert, Alexandre le Grand (Par. 1889);
Spiegel, [* 25] Eranische Altertumskunde, Bd. 3 (Lpz. 1878).
Kritische Studien: St. Croix, Examen critique des anciens historiens d’Alexandre le Grand (2. Aufl., Par. 1810);
Schöne, De rerum Alexandri Magni sriptorum fontibus (Lpz. 1870);
Laudien, Über die Quellen zur Geschichte A.s d. Gr. (Königsb. 1874);
Zolling, A.s Feldzug in Centralasien (2. Aufl., Lpz. 1875);
Lauth, in Ägypten (Münch. 1876);
Fränkel, Die Quellen der Alexanderhistoriker (Bresl. 1883);
W. Geiger, A.s Feldzüge in Sogdiana (Neust. H. 1884);
H. Droysen, Untersuchungen über A.s d. Gr. Heerwesen und Kriegführung (Freib. i. Br. 1885).