Titel
Alexander
,
13) Alexander
I.,
Fürst von
Bulgarien,
[* 2] zog sich dadurch, daß er 1883 gegen den
Willen der russischen
Minister die
Verfassung von
Tirnowa herstellte und nach der völligen Unabhängigkeit
Bulgariens strebte, den unversöhnlichen
Haß des
Zaren und der panslawistischen
Partei in Rußland zu; man zieh ihn der schmählichsten Undankbarkeit und wünschte
seinen
Sturz. Als nun Alexander
nach dem
Aufstand in
Ostrumelien auf den
Rat des
Ministerpräsidenten Karawelow, allerdings
unter
Verletzung des
Berliner
[* 3]
Vertrags, die ihm von der aufständischen
Regierung angetragene Herrschaft übernahm und sich in der
Proklamation von
Tirnowa 20. Sept. »durch den
Willen des allmächtigen
Gottes und des
Volkes
Fürst beider
Bulgarien« nannte, strich
der
Zar Alexander
aus den
Listen der russischen
Armee und suchte
Bulgarien durch
Abberufung der russischen
Offiziere
wehrlos zu machen.
Daß Alexander
dennoch im
Kriege gegen die
Serben bei
Sliwnitza und
Pirot glänzende Erfolge erfocht und nur durch die
Intervention
Österreichs
in seinem Siegeslauf gehemmt werden konnte, erregte erst recht den
Neid seiner russischen Feinde. Während die russische
Regierung
die Aufhebung von
Alexanders
Vertrag mit der
Pforte vom durch die Mächte bewirkte und durchsetzte,
daß nicht Alexander
, sondern dem
Fürsten von
Bulgarien das Generalgouvernement von
Ostrumelien auf fünf Jahre
übertragen wurde,
wühlten und hetzten russische
Agenten gegen Alexander besonders im
Heer mit solchem Erfolg, daß in der
Nacht zum in
Sofia von abtrünnigen
Offizieren und
Soldaten überfallen, mit brutaler
Gewalt zur
Abdankung genötigt und nach der russischen
Donaustadt
Reni geschafft wurde.
Hier freigelassen, reiste er nach seiner Heimat, erfuhr aber in Lemberg, [* 4] daß in Bulgarien die Verschwörer verhaftet seien und die neu eingesetzte Regierung ihn zur Rückkehr einlade. Er begab sich nach Rustschuk, wo er 29. Aug. mit Begeisterung aufgenommen wurde, ließ sich aber durch die Vorspiegelungen des russischen Konsuls verleiten, einen Versöhnungsversuch beim Zaren zu machen und 30. Aug. die Wiederübernahme der Herrschaft von der Zustimmung des Zaren abhängig zu machen.
Diese wurde in schroffster Weise abgelehnt, und so zog Alexander zwar 3. Sept. wieder in Sofia ein, aber nur, um 7. Sept. abzudanken (s. Bulgarien, Bd. 17). Er begab sich nach Darmstadt [* 5] und lebte hier in völliger Zurückgezogenheit. Die überwiegende Mehrheit der Bulgaren hätte ihn gern wieder zum Fürsten gehabt, da er sich durch seine tapfere und geschickte Haltung 1885 und 1886 die Liebe des Volkes erworben hatte; doch hätte er durch Wiederbesteigung des Throns die unversöhnliche Rache des Zaren nicht nur über sich, sondern auch über Bulgarien heraufbeschworen.
Seinen unbeweglichen Besitz kaufte ihm der bulgarische Staat für 2 ½ Mill. Frank ab; von dieser Summe gingen 84,000 Fr. ab, die der Bulgarischen Bank schuldete. Als 1888 Kaiser Friedrich III. den deutschen Thron [* 6] bestieg, wünschte die Kaiserin Viktoria Alexander mit ihrer zweiten Tochter, Prinzessin Viktoria, zu vermählen, ein Plan, der schon früher gehegt, aber an dem Widerspruch Kaiser Wilhelms I. gescheitert war; es war die Rede davon, Alexander eine hohe Stellung im Reichs- oder Heeresdienst zu übertragen.
Doch erhob der Reichskanzler Fürst Bismarck gegen die Heirat Einspruch, weil sie das Verhältnis Deutschlands [* 7] zu Rußland noch schwieriger gestalten mußte, und sie wurde fallen gelassen. Nachdem Alexander Anfang 1889 aus der preußischen Armee, in welcher er den Rang eines Generalmajors bekleidete, ausgeschieden war, vermählte er sich zu Nizza [* 8] mit der bisherigen Sängerin am Darmstädter Hoftheater, Johanna Loisinger, welche aus Pest gebürtig war, und nahm den Namen eines Grafen von Hartenau an. Er ließ sich zu dauerndem Aufenthalt in Graz [* 9] nieder.
Vgl. Koch (sein ehemaliger Hofprediger), Mitteilungen aus dem Leben und der Regierung des Fürsten von Bulgarien (Darmst. 1887).
14) Prinz von Hessen [* 10] und bei Rhein, starb in Darmstadt; wegen seines Sohns, des Fürsten Alexander von Bulgarien (s. oben), war er mit dem russischen Zarenhaus, zu dem er früher in so intimen Beziehungen gestanden, zerfallen, hatte sich aber mit dem deutschen Kaiser versöhnt und den Rang eines preußischen Generals der Infanterie erhalten.
19) Alexander III. Alexandrowitsch, Kaiser von Rußland, bemühte sich, wie er in dem Manifest bei seiner Krönung verkündet hatte, den Frieden aufrecht zu erhalten und der ungehinderten Entwickelung der Kräfte Rußlands die Bahn zu ebnen. Er bekämpfte die herrschenden Bestechungen und Betrügereien, entließ deswegen mehrere hochgestellte Beamte und gab selbst das Beispiel der Einfachheit und Sparsamkeit in seinem Hofhalt, wie er denn auch den Rang der nachgebornen Großfürsten niedriger stellte und die Apanagen sämtlicher Mitglieder des Kaiserhauses herabsetzte.
Freilich wurden diese Ersparnisse durch erhöhte Ausgaben für die Streitmacht mehr als aufgewogen, indem Alexander trotz seiner Friedensliebe sich bald zu großen Rüstungen [* 11] veranlaßt sah. Nachdem er mit den Kaisern Wilhelm und Franz Joseph im polnischen Schlosse Skierniewize eine Zusammenkunft gehabt und letzterm in Kremsier einen Besuch abgestattet hatte, wurde er durch die Ereignisse in Bulgarien (s. oben) wieder gereizt und mißtrauisch. Ohne die Absicht, direkt mit Gewalt auf der Balkanhalbinsel [* 12] einzuschreiten, wollte er doch für den Fall, daß sich infolge europäischer Verwickelungen eine Gelegenheit dazu bot, mit aller Macht sofort entscheidend auftreten können und zog daher einen großen Teil des russischen Heers an der Westgrenze des Reichs zusammen.
Gefälschte Briefe erfüllten ihn mit besonderm Mißtrauen gegen Bismarcks Politik in der bulgarischen Frage, bis sich im November 1887, als Alexander auf seiner Rückreise von Dänemark, [* 13] wo er im Herbst bei der dänischen Königsfamilie gern sich aufzuhalten pflegte, eine Gelegenheit bot, ihn über die gegen ihn verübte Betrügerei aufzuklären. Gleichwohl behielt er sich für sein Verhalten in der orientalischen Frage vollständig freie Hand vor und erwiderte den Besuch, den ihm Kaiser Wilhelm II. gleich nach seiner Thronbesteigung im Juli 1888 machte, erst im Oktober 1889. In der innern Politik hielt Alexander unter dem Einfluß seines frühern Lehrers Pobedonoszew an einem starren Absolutismus und an der Begünstigung des Altrussentums in Religion und Sitte fest, wogegen er die Unterdrückung westeuropäischer Nationalitäten und Religionen zuließ. Den Nihilismus vermochte auch er nicht zu unterdrücken; die Ausführung eines ähnlichen Attentats, wie es gegen seinen Vater verübt worden, wurde nur durch einen Zufall verhindert, und Alexander ließ sich in Petersburg [* 14] nur selten sehen; er hielt ¶
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sich meist streng abgeschlossen in Gatschina auf. Auf der Rückkehr von einer Reise nach dem Kaukasus entging der Zar mit seiner Familie bei Borki (zwischen Asow und Charkow) auf wunderbare Weise dem Tod, indem der kaiserliche Zug entgleiste und den Abhang hinunterstürzte. Der' ungemein herzliche Empfang, der ihm nach seiner Rettung in allen Städten, besonders in Petersburg, zu teil wurde, erfüllte ihn mit neuem Vertrauen zur Nation.
23) Karageorgewitsch, Fürst von Serbien, welcher 1871 von dem ungarischen Gericht wegen Beteiligung an der Ermordung des Fürsten Michael Obrenowitsch (1868) zu acht Jahren Kerker verurteilt worden war, starb in Temesvár.
24) Alexander I., König von Serbien,* geb. einziger Sohn des Königs Milan Obrenowitsch und der Königin Natalie, gebornen Keschko, Pate des Zaren Alexander III., erhielt eine treffliche Erziehung. Als zwischen seinen Eltern der Zwiespalt ausbrach, suchte seine Mutter ihn ganz an sich zu ziehen, nahm ihn auf ihren Reisen nach Rußland und Deutschland [* 16] mit sich und verweigerte 1888 in Wiesbaden [* 17] die von König Milan verlangte Herausgabe des Sohns, der ihr darauf 13. Juli durch Polizei weggenommen und nach Belgrad [* 18] gesandt wurde. Durch die Thronentsagung seines Vaters ward Alexander König von Serbien, zunächst unter der Leitung einer Regentschaft. Die Aufsicht über seine Erziehung behielt sich Milan vor. Nach der Kossowofeier (s. d., Bd. 17) wurde Alexander in Kraljewo gesalbt.