Alberōni,
Giulio, Kardinal und span. Staatsminister unter Philipp V. von Spanien, [* 2] geb. zu Fiorenzuola unweit Piacenza als Sohn eines armen Weingärtners, ward in einer Klosterschule zu Piacenza unterrichtet, erhielt später die Stelle eines Kirchendieners an der Domkirche daselbst und dann die Priesterweihe. Der Bischof Roncoveri schenkte ihm seine Gunst, übertrug ihm die Erziehung seines Neffen und empfahl ihn dem Herzog von Parma, [* 3] der ihn als französischen Dolmetsch bei seinen Verhandlungen mit Vendôme, dem Befehlshaber des französischen Heers in Italien [* 4] im spanischen Erbfolgekrieg, gebrauchte.
Vendôme schätzte ihn als witzigen
Gesellschafter und als Kochkünstler und nahm ihn 1706 mit nach
Paris,
[* 5] 1711 nach
Spanien. Nach dem
Tod seines
Gönners ernannte ihn der
Herzog von
Parma zu seinem
Geschäftsträger in
Madrid.
[* 6] Hier gelang es ihm
1714, die Vermählung
Philipps V. mit
Elisabeth
Farnese (s.
Elisabeth), der
Nichte des
Herzogs von
Parma, zu
stande zu bringen. Die
Folge dieser
Heirat war der
Sturz der bisher am spanischen
Hof
[* 7] allmächtigen
Prinzessin
Orsini und Alberonis
Erhebung zum Ratgeber der
Königin und des
Ministers del Giudice, an dessen
Stelle er 1717 trat, nachdem er vom
Papst zum
Kardinal
ernannt worden war.
Von jetzt an regierte Alberoni
im Einverständnis mit der
Königin unumschränkt. Er hatte bei seiner
Verwaltung
zunächst die innere
Hebung
[* 8] und Kräftigung der
Nation im
Auge.
[* 9] Er stellte die eingerissene Unordnung im
Finanzwesen ab, brachte
Einheit und
Kraft
[* 10] in die
Regierung, beschränkte die Steuerfreiheit des
Klerus, vernichtete zu gunsten einer aufgeklärten
Autokratie
die provinziellen
Freiheiten, belebte die
Industrie durch Ansiedelung ausländischer
Arbeiter und hob den
Handel; er verbesserte das Kriegswesen, schuf eine neue
Flotte, legte
Gewehrfabriken an, setzte die
Festungen in guten
Stand und
führte
Zucht und
Ordnung ins
Heer zurück.
Die Mittel hierzu schuf er sich durch kluge Ersparnisse, indem er die übergroße Zahl der Beamten verringerte, nicht durch neue Steuern. Diese Erfolge vernichtete er aber wieder durch eine abenteuerliche auswärtige Politik. Von den Wünschen der Königin, welche ihren von der spanischen Thronfolge ausgeschlossenen Kindern auswärtige Throne verschaffen wollte, sowie von eignem Ehrgeiz verleitet, faßte er den Plan, Mailand, [* 11] Neapel, [* 12] Sizilien [* 13] und Sardinien [* 14] für Spanien zu erobern. Er rüstete eine mächtige Flotte und ein starkes Heer und ließ plötzlich (1717) Sardinien besetzen. Gegen ¶
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diese Übergriffe Spaniens wurde aber die Quadrupelallianz zwischen England, Frankreich, Österreich
[* 16] und Holland geschlossen. Spaniens
Seemacht wurde hierauf beim Kap Passaro von der englischen Flotte unter Byng fast gänzlich vernichtet. Auch Frankreich,
wo Alberonis
kühner Plan, durch die Verschwörung Cellamares nach Gefangennahme des Regenten, des Herzogs von
Orléans,
[* 17] den König Philipp V. zum Vormund des jungen Ludwig XV. proklamieren zu lassen, mißlang, erklärte bald darauf (1719)
den Krieg und sandte ein Heer über die Pyrenäen, während die Österreicher in Sizilien Fortschritte machten und die Engländer
in Galicien landeten, um den zu gunsten des Hauses Stuart von Philipp V. 1718 unter dem Herzog von Ormond versuchten
Einfall in Schottland zu rächen. Alberoni
verlor zwar den Mut nicht, wurde indes auf Andringen der Verbündeten, die bloß unter
dieser Bedingung Frieden schließen wollten, durch eine königliche Ordonnanz vom aller Ämter entlassen und angewiesen,
binnen acht Tagen Madrid, binnen drei Wochen Spanien zu verlassen. Er begab sich nach Italien, wurde aber
vom Papst Clemens XI. mit einem Prozeß bedroht und hielt sich deshalb vom März 1720 bis April 1721 in einem Kloster bei Bologna
verborgen.
Nach dem Tod Clemens' XI. (1721) aber nahm er seinen Sitz im Konklave ein und beteiligte sich an der Wahl
des neuen Papstes, Innocenz XIII., der ihm seine Gunst zuwendete. Clemens XII. ernannte ihn 1734 zum Legaten von Ravenna und Benedikt
XIV. zum Legaten von Bologna. Nach dreijähriger Verwaltung dieser Provinz zog sich Alberoni
nach Piacenza zurück und widmete dem von
ihm schon früher gestifteten Seminar zur Ausbildung junger Parmesaner seine letzte Thätigkeit. Er starb Sein
kolossales Vermögen fiel größtenteils an Philipp V. von Spanien.
Vgl. Bersani, Storia del cardinale Giulio Alberoni
(Piacenza 1862).