Albanesische
Sprache
[* 2] und Litteratur. Die albanesische Sprache
wird in einer großen Anzahl von
Mundarten gesprochen, welche sich am passendsten in die gegischen und die toskischen einteilen lassen. Im eigentlichen
Albanien bildet der
Fluß Schkumb die
Grenze zwischen beiden; die
Dialekte der im
Königreich
Griechenland
[* 3] und in
Italien
[* 4] lebenden
Albanesen tragen den toskischen
Charakter. Im allgemeinen sind die gegischen
Mundarten die altertümlichern,
wenn sie auch von türkischen
Lehnwörtern wimmeln; so haben sie z. B. das ältere n da bewahrt, wo die toskischen
es haben in r übergehen lassen.
Indessen auch die toskischen haben hier und da größere Altertümlichkeiten. Die albanesische Sprache
hat 7
Vokale (a,
e,
o, i, u, ü und den unbestimmten
Vokal e), die alle auch lang und (besonders im Gegischen) nasaliert vorkommen, 4 Liquidä
(ein einfaches und ein stark gerolltes r, mouilliertes
l und einen dem polnischen l ähnlichen
Laut), 4
Nasale (gutturales n,
mouilliertes
n, n und m), 8 Explosivlaute
(k g, kj gj, t d,
p b) und 12
Spiranten (h, χ γ, j, š ž, s
z, θ δ, f v). Die Schreibung derselben ist bei dem Mangel einer Schriftsprache
eine sehr schwankende; die
Tosken wenden
meist griechische, die Gegen lateinische
Buchstaben an; in der Druckerei der
Propaganda werden überdies einige besonders erfundene
Zeichen verwendet. Die albanesische Sprache
ist zweifellos eine indogermanische. Verfehlt war der
Versuch von
Franz
Bopp (Ȇber
das Albanesische«
, Berl. 1855),
es am nächsten an das Sanskrit anzuschließen, ebenso der von Camarda (»Saggio di grammatologia comparata sulla lingua albanese«, Livorno [* 5] 1864), es als eine Art urgriechischen Dialekts zu erweisen. Es scheint, daß das Lettoslawische den meisten Anspruch auf nähere Verwandtschaft hat (vgl. ¶
mehr
G. Meyer, Die Stellung des Albanesischen
im Kreis
[* 7] der indogermanischen Sprachen, in Bezzenbergers »Beiträgen zur Kunde der indogermanischen
Sprachen«, Bd. 8, S. 185 ff.).
Die Untersuchung des Albanesischen
wird wesentlich erschwert durch die zahlreichen Lehnwörter, welche aus dem Latein, den
romanischen und slawischen Sprachen (die türkischen sind leicht erkennbar) eingedrungen sind; um ihre
Ausscheidung hat sich besonders Miklosich (»Albanische Forschungen«, Wien
[* 8] 1870-71, 3 Hefte) verdient gemacht.
Auch das Neugriechische hat beigesteuert, besonders in den toskischen Dialekten. Die Flexion ist stark degeneriert, doch ist
der arische Typus unverkennbar. Das Nomen kann einen nachgestellten Artikel annehmen, wie im Rumänischen und Bulgarischen, in
welche Sprachen diese Eigentümlichkeit vielleicht von dem Albanesischen
eingedrungen ist. Das Verbum hat von einfachen Zeiten
ein Präsens Indikativ, Imperfekt, Perfekt (mit Aoristbedeutung), Optativ und Formen des Imperativs und Konjunktivs; das Futur wird
durch Umschreibung gebildet. Eine eigne Passivbildung existiert ebenfalls. Die Zahlwörter für 100 und 1000 sind lateinische
Lehnwörter, auch von den Einern ist vielleicht einer oder der andre entlehnt; alle sind aber sicher indogermanisch,
wenn auch stark entstellt.
Von Litteratur kann höchstens bei den Albanesen Italiens
[* 9] die Rede sein, die, von italienischer Kultur angeregt, mehrfach versucht
haben, die Muttersprache
dichterischer Produktion dienstbar zu machen. Berühmt, aber fast verschollen
ist das »Leben der Jungfrau Maria« von Varibobba (Rom
[* 10] 1762); aus dem 19. Jahrh. ist vor allem zu nennen Gerolamo de Rada, der
als Dichter (»Poesie albanesi«, Corigliano-Calabro 1872-84) und als Sammler von Volksliedern (»Rapsodie di
un poema albanese«, Flor. 1866) der ruhmvollen Vergangenheit seines Volks sein Leben geweiht hat und seit
kurzem eine albanesische
Zeitschrift: »Fiamuri Arberit« (»Die Fahne Albaniens«),
herausgibt.
Vgl. Dora d'Istria, Gli scrittori albanesi dell' Italia meridionale (Palermo [* 11] 1867),
und G. Stier, Die Albanesen in Italien und ihre Litteratur (in der »Allgemeinen Monatsschrift« 1853, S. 864 ff.).
Die römische Propaganda hat eine Anzahl Erbauungsschriften in den Skutariner Dialekt übersetzen lassen, so schon 1664 Bellarmins »Dottrina cristiana« und zuletzt (1881) die »Nachfolge Christi«. Aus dem eigentlichen Albanien, wo einige turkisierende Poeten, wie Nezim Bei, gewirkt haben, sind Volkslieder und Märchen gesammelt worden in den Werken von Hahn, [* 12] Dozon (der auch eine Übersetzung veröffentlicht hat: »Contes albanais«, Par. 1881) und in der »Ἀλβανικὴ μέλισσα« von Mitkos (Alex. 1878),
woraus G. Meyer im »Archiv für Litteraturgeschichte« (Bd. 12, 1883)
die meisten übersetzt hat. Um die Kenntnis des griechischen Albanesischen
hat sich besonders Reinhold (»Noctes pelasgicae«,
Athen
[* 13] 1855) verdient gemacht. Gegenwärtig ist unter den Litteraten Albaniens am thätigsten der in Konstantinopel
[* 14] lebende Konstantin Kristoforidis, der die Schöpfung einer albanesischen
Schriftsprache
anstrebt. Er hat außer mehreren Unterrichtsbüchern
eine vortreffliche albanesische
Grammatik des toskischen Dialekts (Konstantin. 1882), eine gegische (1872) und eine toskische
(1879) Übersetzung des Neuen Testaments verfaßt und eine solche des Alten Testaments begonnen (Psalter gegisch 1872, toskisch
1868; Genesis und Exodus toskisch 1880, Deuteronomium toskisch 1882, Sprüche Salomos und Jesaias toskisch
1883), die Bibelübersetzungen alle im Auftrag der Englischen
Bibelgesellschaft. Auch hat er reiches Material für ein albanesisches
Wörterbuch gesammelt. - Eine vollständige Bibliographie aller auf u. albanesische Sprache
L. bezüglichen Erscheinungen findet man in G. Meyers
Albanesischen
Studien, Heft 1 u. 2 (Wien 1883 u. 1884);
aus diesem über 120 Nummern umfassenden Verzeichnis seien hier noch hervorgehoben: Blanchus, Dictionarium latino-epiroticum (Rom 1635);
Lecce, Osservazioni grammaticali nella lingua albanese (das. 1716);
v. Hahn, Albanesische
Studien (Jena
[* 15] 1854);
Rossi, Vocabolario italiano-epirotico (Rom 1866);
Derselbe, Vocabolario della lingua epirotica-italiana (das. 1875);
de Rada, Grammatica della lingua albanese (Flor. 1870);
Dozon, Manuel de la langue chkipe ou albanaise (Par. 1879);
Jungg, Elementi grammaticali della lingua albanese (Skutari 1881);
Geitler, Die albanesischen
und slawischen Schriften (Wien 1883).