Alabamafrage
,
Streitfrage zwischen den Vereinigten Staaten [* 2] von Nordamerika [* 3] und England, veranlaßt durch den Schaden, welchen verschiedene Kaperschiffe der südlichen Konföderation während des Sezessionskriegs dem Handel und der Schiffahrt der nordamerikanischen Union zugefügt hatten. Diese Kaperschiffe waren nämlich teils in englischen Häfen gebaut worden, teils hatten sie unter englischer Flagge der amerikanischen Handelsmarine an den verschiedensten Orten und in der verschiedensten Weise beträchtlichen Nachteil bereitet; so ganz besonders die in Liverpool [* 4] ausgerüstete Alabama unter Kapitän Semmes, welche endlich von dem amerikanischen Kriegsschiff Kearsarge bei Cherbourg [* 5] zerstört wurde.
Nach ihr wird daher der ganze Streit Alabamafrage
genannt. Die
Regierung der
Vereinigten Staaten von
Nordamerika erblickte
nämlich in dem
Verfahren
Englands einen Neutralitätsbruch, da es nichts gethan hatte, um das Auslaufen der südlichen Piratenschiffe
aus englischen Häfen zu verhüten. Nach Beendigung des Sezessionskriegs begannen die
Verhandlungen über diese
Frage, die
nicht selten eine so ernste Form annahmen, daß ein
Krieg zwischen den
Vereinigten Staaten und
England auszubrechen
drohte, da die
Vereinigten Staaten von
England
Ersatz für allen durch die
Alabama und ähnliche
Schiffe
[* 6] angerichteten direkten
und indirekten
Schaden verlangten.
Beide Mächte setzten endlich eine gemeinsame
Kommission im
Februar 1871 nieder, um die gefährliche Streitfrage zur Erledigung
zu bringen. Das
Resultat der
Arbeiten dieser
Kommission war der
Vertrag zu
Washington
[* 7] vom dem zufolge
unter anderm ein internationales
Schiedsgericht die Alabamaforderungen
Nordamerikas gegen
England entscheiden sollte. Dies
Schiedsgericht
tagte seit
Januar 1872 in Genf
[* 8] und bestand aus fünf
Personen, ernannt von den
Vereinigten Staaten
(Ch. F.
Adams),
England
(Sir Alabamafrage
Cockburn),
Italien
[* 9]
(Graf
Sclopis,
Präsident), der
Schweiz
[* 10]
(Stämpfli) und
Brasilien
[* 11]
(Baron Itajuba).
England erkannte den Grundsatz an, daß eine neutrale Macht für den Schaden verantwortlich sei, welchen ein in ihren Häfen ausgerüstetes und bemanntes Schiff [* 12] einer befreundeten Macht zufügt. Die Vereinigten Staaten verzichteten dagegen auf die Entschädigung für die durch die Kaper indirekt zugefügten Verluste, worauf im September 1872 das Schiedsgericht zu Genf den Vereinigten Staaten seitens Englands eine Entschädigungssumme von 3,229,166 Pfd. Sterl. (15 Mill. Doll.) zusprach. Bei dieser Entscheidung beruhigten sich die englische wie die nordamerikanische Regierung.
Vgl. »Official correspondence on the claims in respect to the Alabama« (Lond. 1867);
»American opinions on Alabama« (New York 1870);
Bluntschli, Opinion impartiale sur la question de la Alabama (Berl. 1870);
Geffcken, Die Alabamafrage
(Stuttg. 1872).