Akklimatis
ation.
Für die
Entwickelung der
Lehre
[* 3] von der Akklimatis
ation bilden zwei neue
Zweige der
Naturwissenschaft, die vergleichende
Rassenphysiologie und
-Pathologie, die Grundlage. Wie aber die
Pathologie in der Sorge um die Kranken der
Physiologie vorauseilt, um später durch diese überholt zu werden, so hat auch die vergleichende
Rassenpathologie bereits
nicht unerhebliche Forschungsergebnisse aufzuweisen, während die vergleichende Rassenphysiologie noch in den allerersten
Anfängen steckt.
Die vergleichende Rassenpathologie hat die Aufgabe, dem Einfluß der Rasse auf das Zustandekommen, den Verlauf, den Ausgang der durch bestimmte Ursachen hervorgerufenen Krankheiten nachzuforschen, sie soll die Widerstandsfähigkeit der verschiedenen Rassen und Völker gegenüber denselben krankmachenden Einflüssen, mit Ausschluß aller andern Ungleichheiten in den Lebensbedingungen, feststellen. Das wertvollste Mittel zur Lösung dieser Aufgaben sind die Armeen der kolonialen Mächte.
Diese Armeen bestehen zum Teil aus Europäern, zum Teil aus Eingebornen, durchweg aber aus kräftigen, gesunden Individuen fast desselben Alters, welche meist unter vollkommen oder nahezu gleichartigen Bedingungen leben. Gewisse Ungleichheiten ergeben sich daraus, daß der europäische Soldat durchweg unverheiratet ist und daher in der Kaserne wohnt, während der eingeborne Soldat meist verheiratet ist und mit Weib und Kind in der eignen kleinen Hütte lebt, ferner daraus, daß der Eingeborne durch religiöse Anschauungen von dem Genuß reizender Speisen und spirituöser Getränke abgehalten wird, welchem Europäer nur zu sehr ergeben sind, etc. Im allgemeinen aber gibt es für die Beurteilung der in Frage kommenden Verhältnisse doch kein besseres Material als dasjenige, welches diese Armeen liefern, und namentlich ist dasselbe geeignet zur Bemessung der Widerstandsfähigkeit des Europäers in tropischen Klimaten. Für letztere kommen namentlich zwei Faktoren in Betracht: die thermischen Verhältnisse der Tropen und die tropischen Infektionskrankheiten.
Stokvis faßt alle klimatischen Momente: Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Wasserdampfspannung, Luftströmungen, Windrichtung, Besonnung, unter dem einen Gesichtspunkt zusammen, daß sie Störungen in der Wärmeregulierung des Organismus hervorrufen. Der atmosphärische Druck kommt wenig in Betracht. Im natürlichen Laufe der Dinge hat nämlich nur die Erniedrigung des Luftdruckes als ätiologisches Moment Bedeutung, eine solche Luftdruckerniedrigung aber bedeutet in den Tropen das Aufsuchen von Höhenstationen, die nicht mehr den Charakter der Tropen besitzen.
Was nun die dauernde Einwirkung tropischer Wärmeverhältnisse auf die tropischen Rassen betrifft, so lehrt die vergleichende Rassenphysiologie Folgendes: Alle Individuen tropischer Rassen haben gegenüber den Bewohnern gemäßigter Zonen höhere Respirationsfrequenz, geringere vitale Kapazität, kleinern Brustumfang, weniger ausgeprägte Bauchatmung, höhere Pulsfrequenz, geringere Spannung des Pulses, größern Blutreichtum und relativ stärkere Entwickelung der Unterleibsorgane im Verhältnis zu den Brustorganen, größere Schweißsekretion bei stark herabgesetzter Harnabscheidung, eine um 0,5-0,6° gesteigerte Körpertemperatur und ein im Verhältnis zur Körperlänge zu geringes Körpergewicht. Hinsichtlich der animalen Funktionen ergaben genaue Messungen eine deutliche Herabsetzung der Tast- und der Schmerzempfindlichkeit, einen weniger sein entwickelten Gesichts-, Farben- und Gehörssinn, mindere Muskelkraft und psychische Begabtheit, dagegen eine Überlegenheit in der geschlechtlichen Sphäre.
In diesen zweifellos festgestellten Verhältnissen braucht man nun noch nicht den Ausdruck einer angebornen Rasseneigentümlichkeit zu erblicken, vielmehr erklären sich dieselben recht gut durch die Einwirkung der tropischen Temperaturen, und sie zeigen sich fast alle als vorübergehende Erscheinungen bei den Bewohnern der gemäßigten Zonen während des Sommers. Darauf gründet sich die Jahrhunderte alte Gewohnheit, in den heißen Sommermonaten nicht zu hohe Anforderungen an die körperlichen und geistigen Funktionen zu stellen, in längern oder kürzern Arbeitspausen Ruhe und Erholung zu suchen.
Für den Bewohner der gemäßigten Zone bringt dann die kühlere Jahreszeit einen neuen Reiz, welcher ihn zu vermehrter Arbeit anspornt, die Körpertemperatur herabdrückt, den Stoffwechsel belebt, die Kompensationsvorrichtungen kräftiger arbeiten läßt, ihn körperlich und geistig neu belebt. In den Tropen wird der Europäer nach einer kürzern oder längern Übergangsperiode zum permanenten Sommermenschen, und er unterscheidet sich dann scheinbar durchaus nicht von dem Eingebornen.
In dem Blute von Europäern, welche 2-20 Jahre im tropischen Klima [* 4] gelebt hatten, fand Marestang vollkommen normalen Hämoglobingehalt und die normale Blutkörperchenzahl, so daß er die Existenz einer tropischen Anämie als Folge der veränderten meteorologischen Verhältnisse in Abrede stellt. Dieser europäische Tropenmensch besitzt von Hause aus eine große Übung seiner Temperaturregulierungszentren, und solange er letztere nicht durch zu langen Aufenthalt in den Tropen verloren hat, leistet er thatsächlich den Erkältungsursachen bessern Widerstand als der Eingeborne. In allen kolonialen Armeen bieten die eingebornen Soldaten viel größere Erkrankungs- und Sterblichkeitsfrequenz an Affektionen der Respirationsorgane als die europäischen Soldaten. Ob umgekehrt der Eingeborne der Überhitzung besser widersteht als der Europäer, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen.
Setzt man beide einer höhern Temperatur aus als derjenigen, an welche sie gewohnt sind, oder bringt man sie unter neue meteorologische Bedingungen, welche eine Erhöhung der Eigenwärme bewirken, so zeigt sich in der Reaktion kaum ein Unterschied zu gunsten der tropischen Rasse. Der Sonnenstich trifft freilich den Europäer etwas häufiger als den Eingebornen, allein bei seiner relativen Seltenheit kommt er wenig in Betracht, und die größere Sicherheit der Eingebornen dürfte weniger auf angeborne Rasseneigentümlichkeit als auf äußere Verhältnisse, Kleidung etc., zurückzuführen sein.
Die angeführten Folgen der Einwirkung hoher ¶
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Temperaturen führen ähnlich wie auch bei uns im Sommer zu Störungen bestimmter Organe und Organgruppen, besonders des Verdauungsapparats und der Haut. [* 6] Man nimmt an, daß besonders Leberentzündung das Leben des Europäers gefährde, dem Eingebornen aber nur wenig schade. Nun starben von 1000 europäischen Soldaten in den beiden letzten Dezennien in Vorderindien und im Malaiischen Archipel an Leberentzündung jährlich 1-2 und erkrankten 20 bis 50, von eingebornen Soldaten starben 0,11-0,40, und es erkrankten 2-3. Wieweit hierbei Rasseneigentümlichkeit mitspricht, ist zweifelhaft, jedenfalls darf nicht vergessen werden, daß der Eingeborne den Genuß von Reizmitteln scheut, während der Europäer nur zu häufig dem Mißbrauch alkoholischer Getränke huldigt. Es ist konstatiert, daß die Häufigkeit von Leberentzündung bei den Eingebornen mit ihrer Enthaltsamkeit steigt und fällt, und ferner, daß die Sterblichkeit der Europäer an Leberentzündung seit Anfang dieses Jahrhunderts beständig abnimmt. Bemerkenswert ist auch, daß die Eingebornen, wenn sie an Leberentzündung erkranken, viel leichter sterben als die Europäer, und somit scheint auch hier die Rasseneigentümlichkeit, wenn überhaupt, nur eine ganz untergeordnete Rolle zu spielen.
Wie erwähnt, ergibt sich die Widerstandsfähigkeit des eingewanderten und zum dauernden Sommermenschen umgestalteten Europäers ganz bestimmt nicht geringer, vielmehr selbst etwas größer als die der eingebornen Rassen. Freilich hat die Anpassungsfähigkeit ihre Grenzen, [* 7] und sie muß unterstützt werden durch peinlichste Vorsicht, durch die sorgfältigste Abhaltung aller das Widerstandsvermögen schwächenden Einflüsse, die konsequenteste Einhaltung und Befolgung aller hygienischen Maßregeln.
Bis in die 60er Jahre lautete das Resultat aller vergleichenden Mortalitätsstatistik in den Tropen, sowohl in Südamerika [* 8] als in Afrika, [* 9] in Vorderindien wie auf dem Malaiischen Archipel, ungünstig für den eingewanderten Europäer. Es wurden erschreckende Zahlen angegeben und allgemein als zuverlässig angenommen, so daß der Satz von dem Unterliegen der fremden Rasse im Kampf ums Dasein als feststehend betrachtet wurde. Die neuern Zahlen der Armeestatistik haben nun aber ein durchaus abweichendes Resultat ergeben, und man muß heute annehmen, daß jene ungünstigen Zahlen nicht auf eine größere oder geringere, den Rassen zukommende Empfänglichkeit, sondern auf äußere Umstände zurückzuführen sind.
Von den europäischen Soldaten der holländisch-ostindischen Armee starben 1819-28 während eines heftigen Krieges und unter dem Wüten der Cholera jährlich 170, von den Eingebornen 138 pro 1000. 1869-78 während des Atschinkriegs und schnell aufeinander folgender Cholera-Epidemien starben von europäischen Soldaten 60,4, von Eingebornen 38,7 pro 1000 und im letzten Dezennium 1879 bis 1888, obgleich Krieg und Cholera fortwüteten, von den Europäern 30,6, von den Eingebornen 40,7. Ähnliche Zahlen gibt die englische Statistik.
In der Indian Army starben von europäischen Soldaten 1800 bis 1830: 84,6, 1830-56: 57,7 pro 1000, dagegen 1869-78: 19,34 und 1879-87 nur 16,27 pro 1000. Auch hier steht die Sterblichkeit der europäischen Soldaten zur Zeit hinter derjenigen der asiatischen Truppen weit zurück. Auf Jamaica starben 1820-36 nicht weniger als 121 europäische Soldaten, aber nur 30 Negersoldaten pro 1000,1879-87 dagegen 11,02 Europäer und 11,62 Neger. Als 1864 während des amerikanischen Bürgerkriegs die Neger Louisianas, Virginias, Südcarolinas frei erklärt und der amerikanischen Armee einverleibt wurden, ergab sich die Sterblichkeit dieser den subtropischen Verhältnissen des Kriegsschauplatzes angepaßten Schwarzen im ersten Jahr fast fünfmal, 1865 fast dreimal und 1866 mehr als zweimal so groß wie die der weißen Amerikaner. Noch 1873-83, als die freien Schwarzen sich vollkommen ihren neuen sozialen Verhältnissen angepaßt hatten, übertraf ihre Sterblichkeit die der weißen Soldaten, und erst 1883-88 ist der Unterschied verschwunden.
Solche Wandlungen in der Sterblichkeit, wie sie die tropischen Armeen darbieten, können nun sicher nicht auf eine Umgestaltung der Rassen zurückgeführt werden. Man muß vielmehr annehmen, daß die Rassen dieselben geblieben sind, daß aber die äußern Verhältnisse sich geändert haben und nicht etwa durch Zufall, durch ein glückliches Geschick, sondern durch wohl überlegte hygienische Maßregeln bei der Wahl der auszusendenden Truppen, bei der Sorge für Trinkwasser, Nahrung, Kleidung, Wohnung und für die Erhaltung des harmonischen Zusammenwirkens aller Organe.
Von diesen Maßregeln hat nun aber auch der allgemeine Gesundheitszustand in den Kolonien Nutzen gezogen. Es gibt tropische Länder und Städte, deren Bevölkerung, [* 10] der Hauptsache nach aus Europäern und Kreolen oder aus gemischter Bevölkerung bestehend, eine allgemeine Sterblichkeit zeigt, wie sie auch in gemäßigten Zonen vorkommt. Das wegen seines mörderischen Klimas einst berüchtigte Tobago hatte 1884-88 eine mittlere jährliche Sterblichkeit von 19,1-27 pro 1000, das nicht weniger berüchtigte Jamaica eine solche von 22,2-24,2. In Holländisch-Guayana betrug die Sterblichkeit 1881-85: 27,4, auf Java und Madura, die als ungesund bekannt sind, betrug sie 1887: 32,8. Dem gegenüber betrug die Sterblichkeit in Ungarn [* 11] in demselben Jahr 33,5, in Spanien [* 12] 31,1. Die Mortalität Italiens [* 13] ist höher als diejenige Surinams, und die Sterblichkeit Jamaicas kommt fast derjenigen Preußens [* 14] gleich. Der mörderische Einfluß des Tropenklimas sinkt solchen Zahlen gegenüber zu einem Gespenst zusammen und erscheint besiegbar durch zweckmäßige hygienische Maßregeln.
Von größtem Belang ist das Verhalten des Europäers gegenüber den tropischen Infektionskrankheiten. Unter diesen steht die Malaria in erster Reihe. Während die tropischen und namentlich die schwarzen Rassen gegen dieselbe eine Art Immunität besitzen, soll sie für die Europäer eine wahre Geißel sein. Nun bieten aber in den letzten 25 Jahren die Weißen und die Farbigen der holländisch-ostindischen Armee so gut wie gar keinen Unterschied mit Bezug auf Erkrankung und Sterblichkeit an Malaria dar.
In der englischen Armee Ostindiens erkranken die Eingebornen so gut an Malaria wie die Europäer, ihre Sterblichkeit ist aber unbedingt größer als die der letztern. In der Armee der Vereinigten Staaten [* 15] litt und leidet der schwarze Soldat so oft und so intensiv an Malaria, daß in den amtlichen Berichten die relative Immunität der äthiopischen Rasse für Malaria durchaus abgeleugnet wird. Die Malariaepidemie auf Mauritius, welche seit etwa 1860 besteht, trifft am schlimmsten die eingeborne oder kreolische, farbige Bevölkerung, viel schwächer den eingewanderten Europäer. Die Erhebungen der portugiesischen Regierung von 1871 über die Verhältnisse auf den Kapverdischen Inseln, in Angola etc. gaben keinen Anhalt [* 16] für die Lehre von der Immunität der äthiopischen Rasse. Gegenüber Typhoid steht sich der eingewanderte europäische Soldat etwas schlechter als der Eingeborne. In allen englischen ¶
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Kolonien findet sich Typhoid unter den weißen Truppen, am häufigsten bei dem jüngst angekommenen Militär. Die farbigen Truppen blieben bis jetzt fast vollkommen frei. Im amerikanischen Bürgerkrieg fielen aber unter den frei erklärten Schwarzen noch mehr Opfer an Typhoid als unter den weißen Soldaten. In Neukaledonien [* 18] werden die Eingebornen nicht weniger als die Franzosen vom Typhoid befallen, und in den niederländischen Kolonien des Malaiischen Archipels ist Typhoid überaus selten. Es scheinen also beim Typhoid besonders lokale Verhältnisse den Ausschlag zu geben.
Interessant ist es aber, daß in Vorderindien Typhoid für den Europäer, Malaria für den Asiaten die verhängnisvolle Fieberkrankheit bleibt. Das gelbe Fieber befällt vorzugsweise den eingewanderten Europäer und schont den Eingebornen, der nach einem früher überstandenen leichtern oder schwerern Anfall wie alle übrigen Rassen Immunität bereits erlangt hat, die der neu Ankommende erst durch einen Anfall erwerben muß. Die verheerendsten Infektionskrankheiten der Tropen sind Dysenterie und Cholera, und gerade hier sind durch zweckmäßige sanitäre Maßregeln große Erfolge erzielt worden.
Die Herstellung artesischer Brunnen [* 19] auf Java hat die Dysenterie, welche vor 50 Jahren fast jeden eingewanderten Europäer ergriff, ganz außerordentlich zurückgedrängt, und wenn im letzten Jahrzehnt die Sterblichkeit bei den europäischen Soldaten noch größer war als bei den Eingebornen, so hat sich in der englischen Armee Vorderindiens die Sache ganz zum Vorteil des Europäers verändert. Dabei ist die Sterblichkeit von 100 Krankheitsfällen im Malaiischen Archipel bei den Asiaten, in Ostindien [* 20] bei den Europäern größer.
Die Cholera verursachte noch 1864-1868 bei den europäischen Soldaten der holländisch-ostindischen Armee eine Sterblichkeit von 18,6, im letzten Dezennium nur eine solche von 6 auf 1000, ja in Ostindien ist sie auf 3 gesunken. Dabei sterben aber freilich noch von den europäischen Soldaten zweimal mehr als von den Eingebornen, und während im Malaiischen Archipel die Widerstandsfähigkeit der erkrankten Europäer größer ist als die der erkrankten Asiaten, gestaltet sich dies Verhältnis in Ostindien ebenfalls zu ungunsten der Europäer. In Westindien [* 21] fallen stets die Neger und selbst die Mischrassen der Cholera in größerer Zahl zum Opfer als die eingewanderten Europäer, und so muß man auch hier ganz sicher vieles auf Rechnung der Lebensgewohnheiten setzen, die ja bekanntlich gerade gegenüber der Cholera von größter Bedeutung sind.
Unter den asiatischen Soldaten der holländisch-ostindischen Armee hat die Beriberi kolossale Dimensionen angenommen. Man hat geglaubt, daß der Europäer dieser Krankheit gegenüber immun sei, es hat sich aber herausgestellt, daß in den letzten Jahren jährlich mehrere Tausend Europäer befallen werden, so daß 1886: 286 europäische Soldaten pro 1000 erkrankten und 7 pro 1000 starben, während die Zahlen für die asiatischen Soldaten 430 und 30 betrugen. Ähnliches wird aus Japan [* 22] und Brasilien [* 23] berichtet, und mithin scheint die Empfänglichkeit für Beriberi und die Verbreitung der Krankheit mehr durch Alter und Geschlecht sowie durch lokale Verhältnisse als durch die Rasse bedingt zu werden. Wie die große Sterblichkeit in der englisch-ostindischen Armee durch die Respirationskrankheiten der Asiaten verschuldet wird, so ist die große Sterblichkeit der holländisch-asiatischen Soldaten auf Beriberi zurückzuführen.
Wenn in den Tropen Malaria, Cholera und Dysenterie die vorherrschenden Krankheiten sind, so hängt dies aufs engste zusammen mit den tropisch-thermischen Verhältnissen. Die Zustände der Unterleibsorgane geraten in ein labiles Gleichgewicht, [* 24] und die Infektionsstoffe finden die Möglichkeit zu zahlreicher Ansiedelung und üppiger Entwickelung. Auch in den gemäßigten Zonen halten sich die genannten Krankheiten an bestimmte und zwar die heißesten Jahreszeiten, [* 25] und wenn umgekehrt Masern, Scharlach, kroupöse Pneumonie und Diphtheritis in den Tropen selten sind oder sehr gelinde verlaufen, so hängt auch dies von den thermischen Verhältnissen ab, wie denn überhaupt nach Magelssen die Disposition und die Widerstandsfähigkeit des Menschen für akute Infektionskrankheiten durch die wechselnden Temperaturverhältnisse und durch die Witterung beherrscht werden. Diesen Einflüssen gegenüber kann aber durch Vorsicht, durch strenges Einhalten hygienischer Maßregeln sehr viel gewonnen werden, und es ist von allen Ärzten, welche in den Tropen Erfahrungen sammeln konnten, konstatiert worden, daß viel mehr als das Klima selbst eigne Unkunde und Nachlässigkeit die Nachteile verschulden, welche die einwandernden Europäer betreffen.
Viele Eigenschaften, welche man als angeborne oder vererbte betrachtet hat, ergeben sich bei näherer Prüfung als individuell erworbene. Die größere Widerstandsfähigkeit gegen Erkältungsursachen, welche der Europäer in den Tropen offenbart, ist sicher zum großen Teil auf die Übung zurückzuführen, welche seine thermotaktischen Zentren in der Heimat im Kampf mit den Elementen erwarben, ebenso wie die geringere Empfindlichkeit der Unterleibsorgane des Tropenbewohners seiner längern individuellen Anpassung an die tropischen Verhältnisse zuzuschreiben ist.
Aber man darf nicht vergessen, daß der weiße Mann in seiner Widerstandsfähigkeit und in seinem Kosmopolitismus nur in dem Chinesen einen Nebenbuhler findet, und daß der Neger mehr und mehr der Degeneration verfällt, so daß schon prophezeit wurde, er werde innerhalb eines Jahrhunderts von einzelnen Gegenden des Erdballes verschwunden sein. Ebenso ist in Betracht zu ziehen, daß der Verlauf mehr wie einer Krankheit bei den verschiedenen Rassen Unterschiede ergibt, die sich ebensowenig wie der Einfluß der Temperamente bei Individuen derselben Rasse durch äußere Umstände erklären lassen, und man wird deshalb die Möglichkeit nicht leugnen dürfen, daß bei der verschiedenen vitalen Potenz der verschiedenen Menschenrassen [* 26] in den Tropen in untergeordneter Weise auch angeborne Eigenschaften im Spiele sind.
Vgl. Simonnot, De l'acclimatement des Européens dans les pays chauds (1. internationaler medizinischer Kongreß, Par. 1867);
Treille, De l'acclimatation des Européens dans les pays chauds (6. internationaler Hygienekongreß, Wien [* 27] 1888);
Virchow, Über Akklimatis
ierung
(Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Straßburg
[* 28] 1885);
Jousset, Traité de l'acclimatement et de l'acclimatation (Par. 1884);
Buchner, Disposition verschiedener Menschenrassen gegenüber den Infektionskrankheiten (Hamb. 1887);
Magelssen, Abhängigkeit der Krankheiten von der Witterung (deutsch, Leipz. 1890);
Stokvis, Über vergleichende Rassenpathologie und die Widerstandsfähigkeit des Europäers in den Tropen (Berl. 1890).