Aichen,
s. Eichen.
2 Seiten, 977 Wörter, 7'424 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
s. Eichen.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
(deutsche amtliche Schreibweise), Eichen, Cimentieren, in Süddeutschland Pfechten, Fechten, Sinnen, in Norddeutschland hier und da Royen (das holländ. roeyen), das amtliche Abgleichen und Berichtigen der für den Verkehr zu gebrauchenden Längenmaße, Hohlmaße, Gewichtsstücke, Wagen und Meßwerkzeuge (Alkoholometer, Gasmesser), und die öffentliche Beglaubigung ihrer Richtigkeit, die dadurch erfolgt, daß die dem Gesetz, der Maß- und Gewichtsordnung des Reichs, entsprechende Dimension der geprüften Exemplare durch Aufschlagen (bei hölzernen Gemäßen durch Aufbrennen), auf gläsernen Alkoholometern (welche früher auf der umschlossenen Papierskala beglaubigt wurden) durch Aufätzen eines Stempels erkennbar gemacht wird. Die Aichung der Längenmaße (Metermaße u. s. w.), der Hohlmaße, der Gewichte und der Alkoholometer geschieht durch Vergleichung derselben mit beglaubigten Normalen (Originalen), die der Gasmesser durch Vergleichung der Registrierung derselben mit den Angaben beglaubigter Normalkubizierungsapparate. Die Längenmaße werden durch Vergleichen mit dem betreffenden Normalmaßstab geprüft, wobei neben der Richtigkeit der Gesamtlänge auch die der Einteilung beachtet wird. Gewichtsstücke untersucht man durch Abwägen gegen die betreffenden Normalgewichte auf einer genauen Wage. Wagen werden auf ihre Richtigkeit mit Hilfe von Normalgewichten geprüft. Die meiste Mühe verursacht die Aichung der Hohlmaße, besonders der Flüssigkeitsmaße: das Aichen dieser letztern wird auch visieren genannt. Für die Trockenmaße zur Messung schüttbarer Körper (Getreide, Sämereien u. s. w.) ist die cylindrische Form vorgeschrieben; Höhe und Weite (Durchmesser) werden geprüft und dann gewöhnlich das Maß mit Hirse, Rübsamen u. dgl. gefüllt, wovon es ebensoviel aufnehmen muß wie das Originalgemäß. Die Maße für Kohlen aller Art, Koks u. s. w. haben in Deutschland Kastenform; für Klobenholz dienen Meßrahmen, für Torf Kumte; das Nähere über die Aichung dieser Maße sowie die der Fördergefäße beim Bergbau und der Lösch- und Ladegefäße bei der Schiffsbefrachtung enthält die Aichordnung für den Norddeutschen Bund vom 16. Juli 1869, welche mit der auf dem Decimalsystem beruhenden (die preuß. Maß- und Gewichtsordnung vom 16. Mai 1816 beruhte auf dem Duodecimalsystem) Maß- und Gewichtsordnung vom 17. Aug. 1868 am 1. Jan. 1872 obligatorisch in Kraft trat, aber, mitsamt den Nachtragsbestimmungen in den Gesetzen vom 7. Dez. 1873, 20. Juli 1881 und 11. Juli 1884, durch die Verordnung vom 27. Dez. 1884, mit Nachträgen vom 4. Mai 1888,15. Mai 1891 und 14. Jan. 1893, ersetzt wurde. Meter und Kilogramm bilden jetzt die Grundlage der meisten Gesetzgebungen (Internationale Meterkonvention vom 20. Mai 1875, publiziert im Reichsgesetzblatt 1876, S. 191 fg.).
Zur Aichung zugelassen sind auch Fässer (Gebinde), deren Raumgehalt entweder unmittelbar durch Ausmessen mit Wasser unter Anwendung von beglaubigten Kubizierungsapparaten oder mittelbar durch Wägung der Wasserfüllung unter Anwendung von beglaubigten Decimal-Brückenwagen bestimmt wird. Der gefundene Raumgehalt in Litern wird auf den Fässern aufgebrannt. Die früher vielfach übliche Aichung der Fässer (Gebinde) durch bloßes Ausmessen ihrer Hauptdimensionen (mittels des sog. Visierstabes) ist fast überall
aufgegeben, da ihr Ergebnis ganz unzuverlässig ist. Schankgefäße (Gläser, Kruge u. s. w.), welche zur Verabreichung von Wein, Obstwein, Most und Bier in Gast- und Schankwirtschaften dienen, müssen in Deutschland mit einem den Sollinhalt begrenzenden, durch Schnitt, Schliff, Brand oder Ätzung angebrachten Strich (Füllstrich) und in der Nähe desselben mit der Bezeichnung des Sollinhalts nach Litermaß versehen sein. Das Nähere hierüber enthält das Reichsgesetz vom 20. Juli 1881, betreffend die Bezeichnung des Raumgehalts der Schankgefäße. Die Flaschen sind gewöhnlich vom Aichzwange frei und deshalb kein zuverlässiges Maß; hier und da aber müssen auch sie für den einheimischen Kleinverkehr geaicht werden, während wieder anderwärts ihre Aichung in das Belieben gestellt ist; in Deutschland unterliegen Flaschen, welche zur Verabreichung von Wein, Obstwein, Most und Bier in Gast- und Schankwirtschaften dienen, sofern sie nicht fest verschlossen (versiegelt, verkapselt, fest verkorkt u. s. w.) sind, hinsichtlich der Markierung und Bezeichnung des Sollinhalts den Bestimmungen des vorbezeichneten Reichsgesetzes vom 20. Juli 1881. Zum Zumessen und Zuwägen im öffentlichen Verkehr dürfen nur mit dem gesetzlichen Stempel geaichte Maße, Gewichte, Wagen angewendet werden. Unrichtige Maßwerkzeuge, d. i. solche, welche die durch Verordnung des Bundesrates vom 27. Juli 1885 für zulässig erklärten Fehlergrenzen überschreiten, müssen eingezogen werden und ihr Gebrauch im öffentlichen Verkehr zieht Strafe nach sich (Strafgesetzbuch §. 369, Z. 2); letztere Strafvorschrift trifft alle Gewerbetreibenden, bei welchen unrichtige oder ungeaichte, zur Benutzung in dem Gewerbe geeignete Meßwerkzeuge vorgefunden werden.
Die Aichordnungen schreiben den Aichämtern und Aichmeistern in allen diesen Beziehungen das Nötige vor, bestimmen zugleich, um welchen Bruchteil das geaichte Maß oder Gewicht allenfalls zu klein oder zu groß sein darf, ohne vom Gebrauch ausgeschlossen zu werden (Toleranz, Remedium), und enthalten den Tarif der zu entrichtenden Aichungsgebühren (fürs Reich Tarierungsordnung vom 28. Dez. 1884 mit Nachtrag vom 4. Mai 1888 und 15. Mai 1891). Das amtliche Abgleichen der Gold- und Silbermünzen ist Sache der Münzstätten und wird Justieren (s. d.) genannt. Das Aichungswesen und das gesamte Maß- und Gewichtswesen untersteht eigenen Oberbehörden, so in Deutschland der kaiserl. «Normal-Aichungs-Kommission» in Berlin (für Bayern besteht eine besondere Normal-Aichungs-Kommission in München), in Österreich und in Ungarn den Staats-Central-Aichungskommissionen in Wien und Budapest. Aufgabe der Centralbehörde ist die Erhaltung der erforderlichen Einheit und die Verabfolgung der hierfür erforderlichen Apparate, der sog. Normale, welche nach dem Maßstabe eines auf genauesten wissenschaftlichen Forschungen beruhenden Urnormals hergestellt werden. Die Bestellung der Aichungsämter und der Aufsichtsbehörden ist den Einzelstaaten überlassen (preuß. Gesetz vom 26. Nov. 1869; sächs. Verordnung vom 11. Aug. 1871; bayr. Verordnung vom 30. Nov. 1869, 1. Febr. 1883; württemb. Verordnung vom 26. Jan. und 20. Mai 1871; bad. Verordnung vom 2. Febr. 1870).
Aichen wird auch die Inhaltsbestimmung eines beliebigen Behälters genannt, den man dann zu irgend welchen Zwecken als Meßgefäß benutzen will.
Das der Schiffe (die Schiffsaiche) ist die Ermittelung ihrer Tragfähigkeit oder Lastigkeit, d. h. des Maximums ihres dem Gewicht nach verstandenen Tonnengehalts. Man geht hierbei natürlich von ihrem Fassungsraume aus; da aber eine direkte Ausmessung des Hohlraums nicht stattfinden kann, so bestimmt man ihn nach empirischen Formeln durch Rechnung, unter Zugrundelegung gewisser Fundamentaldimensionen, wobei das Verfahren in verschiedenen Ländern verschieden, eine große Genauigkeit aber keinesfalls erreichbar ist. Über die Schiffsaiche wird dem Fahrzeuge ein Certifikat ausgestellt. Sie erfolgt in Deutschland nach der Schiffsvermessungsordnung (s. Schiffsvermessung) vom 1. März 1895.