1) der
Kleine, Sohn des Oileus, König der Lokrer. Nach
Homer kämpft er,
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klein von Gestalt und leicht gerüstet, aber kühn, ein schneller Läufer und geübter Speerschleuderer, neben dem telamonischen
in den Vorderreihen. Auf dem Heimweg ließ ihn die erzürnte Callas an den Klippen
[* 4] Euböas scheitern, weil er, wie alexandrinische
Dichter angeben, nach der Erstürmung Trojas die Seherin Kassandra vom Altar
[* 5] der Athene,
[* 6] den sie schutzflehend
umfaßt hielt, hinwegriß und schändete. Noch in spätern Zeiten mußten die Lokrer zur Sühne des Frevels jährlich Jungfrauen
zum Tempeldienst der Athene nach Neu-Ilion schicken. Die opuntischen Lokrer verehrten den Aias als Stammheros und ließen in
ihrer Schlachtordnung stets eine Stelle für seinen Schatten
[* 7] offen.
2) der Große, Sohn des Telamon, König von Salamis, nach Achilleus der tapferste im griechischen Heer, an
Haupt undSchultern alle überragend. Er besteht mit Hektor den Zweikampf; als aber die Waffen
[* 8] des gefallenen Achilleus nicht ihm,
sondern dem Odysseus zugesprochen werden, gibt er sich den Tod. Nach Spätern wurde er über die erlittene
Schmach rasend und wütete mordend unter den Herden des Heers, die er für seine Gegner hielt; zur Besinnung gekommen, stürzte
er sich in das Schwert, das ihm Hektor geschenkt hatte. Aus seinem Grab entsproß, wie aus dem des Hyakinthos, eine rote Blume,
auf den Blättern mit dem Klageruf »AiAi« bezeichnet. Das Ende des Helden ist der Gegenstand der noch vorhandenen
Sophokleischen Tragödie »Der rasende Aias«. Nach ihm war eine der zehn attischen
Phylen »Aiantis« genannt. In Salamis feierte man ihm zu Ehren das Fest der Aiantien, an welchem eine Bahre mit völliger Kriegsrüstung
aufgestellt wurde. SeinBild daselbst war von Ebenholz.
(lat. Ajax), Name zweier griech. Heerführer vor Troja.
[* 10] Der eine Aias, auch der Lokrer oder Kleinere
genannt, war der Sohn des Oïleus, Königs der Lokrer, und führte 40 Schiffe
[* 11] nach Troja. Als nach der Eroberung TrojasKassandra
sich in den Tempel
[* 12] der Pallas flüchtete, ward sie von ihm mit Gewalt fortgeschleppt, nach späterer Sage im Tempel geschändet.
Dafür traf ihn die Rache der Göttin, die ihn im Meere umkommen ließ. Der Kassandraraub des Aias ist von der bildenden Kunst
der Griechen häufig dargestellt worden, so bereits an der sog. Lade des Kypselos (s. d.); über die erhaltenen Bildwerke vgl.
Overbeck (Galerie heroischer Bildwerke, Braunschw. 1851–53) und H. Heydemann
(Iliupersis auf einer Trinkschale des Brygos, Berl. 1866). Sophokles behandelte des AiasSchicksal in einer (verlorenen) Tragödie.
Die Lokrer, auch die
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italischen, verehrten den Aias als ihren Stammesheros und stellten ihn auf ihren Münzen
[* 14] dar. Der andere Aias, Sohn
des Telamon, Königs von Salamis, daher der Telamonier genannt, zog mit 12 Schiffen gegen Troja und wird von Homer als der größte,
schönste und tapferste Held nächst Achilleus gepriesen und als «Turm
[* 15] der Achaier» bezeichnet. Seine letzte
große That war die Rettung der Leiche des Achilleus aus den Händen der Troer. Als in dem Streit um die Waffen des Achilleus
diese dem Odysseus zufielen, verfiel Aias aus Zorn in Wahnsinn und entleibte sich selbst. Dieses Ende hat Sophokles nach dem
Vorgange des Äschylus in der erhaltenen Tragödie «Aias» behandelt. den die nachhomerische Sage zu einem
Enkel des Aiakos und Urenkel des Zeus
[* 16] erhob, wurde zu Salamis als Heros verehrt, ebenso von den Athenern, die eine Phyle nach
ihm benannten. –
Vgl. Bassi, La leggenda di Aiace Telamonio (Tur. 1890).