Agrigéntum
(griech.
Akragas), eine der größten und herrlichsten
Städte des
Altertums, auf der Südküste
Siziliens.
Durch eine dorische
Kolonie von
Gela aus 582
v. Chr. gegründet, bedeckte Agrigéntum
die ganze
Terrasse zwischen den
Flüssen Hypsas (jetzt
Fiume
[* 2] Drago) und
Akragas
(Fiume di
San Biagio) sowie einen beträchtlichen Teil der Flußthäler selbst.
Die
Erzählungen der Alten von dem
Reichtum, dem
Luxus und der
Größe Agrigents würden unglaublich erscheinen, wenn nicht die
wenigen Überreste die Aussagen der
Historiker verbürgten.
Zur glänzendsten Zeit, Ende des 5. Jahrh.
v. Chr., hatte Agrigéntum
über 20,000 stimmfähige
Bürger und im ganzen
an 200,000 Einw., beherrschte ein quer durch
Sizilien
[* 3] bis zur
Nordküste bei
Himera sich erstreckendes Gebiet und führte Festungsmauern
von 15 km
Länge und kolossale Prachttempel auf. Die besonders durch
Export von
Wein und
Schwefel und durch
Gewerbe reich gewordenen
Bürger entfernten sich früh von der dorischen Sitteneinfalt; Prachtliebe und Üppigkeit, aber auch
Kunstsinn und
Gastfreundschaft waren Hauptzüge der Agrigentiner.
Die
Verfassung war vorherrschend demokratisch, mit Beibehaltung altdorischer Form. Unter mehreren, die sich von Zeit zu Zeit
zu
Tyrannen aufwarfen, nennt die Geschichte mit Abscheu den
Phalaris
[* 4] (566-534), rühmend aber den
Theron (488-472). Die
Epoche
des
Verfalls der Stadt datiert von der gräßlichen Zerstörung durch die Karthager 406; danach erreichte
Agrigéntum
seine vorige
Blüte
[* 5] nie wieder. Zwar als
Timoleon im J. 340
Kolonisten aus Velia herbeiführte, hob es sich von neuem, mußte
aber 314 die
Hegemonie von
Syrakus
[* 6] anerkennen. Zu Anfang der
Punischen Kriege
war in Agrigéntum
die
Niederlage der
karthagischen Kriegsvorräte. Im J. 262 wurde es von den
Römern nach siebenmonatlicher Belagerung zum erstenmal erobert,
kam wechselnd in die Macht der Karthager und wieder in die der
Römer,
[* 7] bei welch letztern es seit 210 verblieb. Agrigéntum
wurde nun
wieder eine wichtige Stadt und blieb es bis zum
Untergang des weströmischen
Reichs. Im J. 827
n. Chr. fiel
es in die
Hände der
Sarazenen, die sich bis 1088 im
Besitz der Stadt behaupteten.
Jetzt liegt an der Stelle derselben das moderne Girgenti (s. d.). Die großartigen Tempelruinen der berühmten alten Griechenstadt erstrecken sich südlich vom heutigen Ort bis zum Meer und gewähren, meist dem 5. Jahrh. v. Chr. angehörend, ein vollständiges Bild antiker Tempeleinrichtung. Am besten erhalten sind der sogen. Tempel [* 8] der Concordia, im vollendeten dorischen Stil, der vollständigste und herrlichste Tempel Siziliens, 40 m lang, 17,5 m breit, mit 13 und 6 Säulen, [* 9] und der etwas kleinere Tempel der Juno Lacinia (wahrscheinlicher des Poseidon). [* 10] Der Tempel des Jupiter Olympius, der größte, aber nie vollendete Tempel Siziliens (111 m ¶
mehr
lang, 56 m breit und 37,3 m hoch), jetzt ein gewaltiger Trümmerhaufe, hatte 14 und 7 halb eingemauerte
Säulen von 3,5 m Durchmesser und 17 m Länge und im Innern der Cella eine Reihe riesiger Karyatiden.
[* 12] Auch vom Tempel des Hephästos,
[* 13] des Herakles,
[* 14] der Dioskuren,
[* 15] des Asklepios
[* 16] sowie den Wasserleitungen des Baumeisters Phäax (daher Phäaken
genannt) haben sich Reste erhalten. Agrigéntum
war der Geburtsort des Dichters und Philosophen Empedokles.
Vgl. Siefert, Akragas und sein Gebiet (Hamb. 1845);
Serradifalco, Antichità della Sicilia, Bd. 3 (Palermo [* 17] 1836);
Schubring, Topographie von Akragas (Leipz. 1870).