bis 1861 Hauptstadt des brit.
Gouvernements der
Nordwestprovinzen in
Ostindien,
[* 2] eine der berühmtesten
StädteIndiens,
liegt in 204 m Meereshöhe nordwestlich von
Kalkutta,
[* 3] am rechten
Ufer der
Dschamna, welche die
Eisenbahn
auf einer großartigen
Brücke
[* 4] überschreitet. Aus der
Ferne ist der Anblick der Stadt, die zur Zeit der mohammedanischen Herrschaft
einen viel größern
Umfang als jetzt hatte, wie die Reste der alten Stadtmauern zeigen, während der heißenJahreszeit
(April und Mai) ähnlich dem einer
Wüste mit einer Ruinenstätte, über welche noch der glänzende
Dom des
Tadsch, einige
Minarets
und Teile des
Forts emporragen; nirgends in der Umgegend
Spuren von
Kultur.
In der kühlen
Jahreszeit
(Dezember bis
Februar) bedeckt dann das zarte
Grün der Frühlingssaat den
Boden. DasInnere
der Stadt macht, auch abgesehen von den monumentalen Prachtbauten, einen angenehmen
Eindruck; viele
Häuser sind luftig, 3-4
Stockwerkehoch und ungewöhnlich solid gebaut. Die Einwohnerzahl betrug 1881 mit den zum
Weichbild gezogenen
Anlagen Schahgandsch
(6445 Einw.) und Tadschgandsch (12,570 Einw.) 160,203 (109,036
Hindu, 45,579
Mohammedaner, 4073
Christen).
Der
Verkehr in den
Straßen ist äußerst lebhaft, der
Handel sehr bedeutend und durch die Agrabank gefördert.
Agra entwickelte sich zur
Blüte
[* 5] unter den Mogulkaisern. Unter Sikander
Lodi (1488-1517), dem Afghanensultan, wurde es
Residenz; 1526 ward
es von
Baber eingenommen, der es jedoch den kriegslustigen Afghanen gegenüber nicht behaupten konnte. Erst
Akbar (1559)
setzte sich dauernd in seinen
Besitz. Seine Nachfolger, die hier bis 1658, dann seit
Aurengzib in
Dehli residierten, versahen
Agra mit seinen berühmten Prachtbauten, die sämtlich im reinsten maurischen
Stil ausgeführt sind.
Die wichtigsten dieser Gebäude sind: der
PalastSchahDschehangirs (1605 bis 1628 nebst der
Moti-Moschee im
Fort), klein,
aber meisterhaft in der Ausführung aller einzelnen Teile, mit besonders gut erhaltener Eingangshalle;
die Moti Masdschid
(»Perlenmoschee«),
außen von rotem
Sandstein, im Innern aus blendend weißem
Marmor, reich an Blumenornamenten und Koransprüchen
in bunten
Farben, oft mit kostbaren
Halbedelsteinen eingelegt;
die Dschama Masdschid, die Hauptmoschee, im
NW. der Stadt, sehr
groß;
Eine große
Mauer aus rotem
Sandstein umschließt einen rechtwinkeligen
Raum von 298 m
Länge
und 99 m
Breite;
[* 7] die eine Längsseite liegt dicht an der
Dschamna. Das Hauptgebäude, von zwei moscheeähnlichen Gebäuden
umgeben, erhebt sich in strahlendem
Glanz weißen polierten
Marmors auf einer
Plattform, zu der eine große
Freitreppe von 18 m emporführt; es bildet ein rechtwinkeliges, gleichseitiges
Viereck
[* 8] mit abgestumpften
Ecken, das den großen,
weithin sichtbaren
Dom trägt, der an seiner weitesten
Stelle 18,8 m im
Durchmesser hat und 78 m über die
Fläche der
Terrasse
emporragt; die
Kuppel endet in zwei vergoldeten
Kugeln mit
Halbmond. Im Innern, umschlossen von einem sehr
zart in
Marmor ausgeführten Gitterwerk in durchbrochener
Arbeit, stehen zwei Kenotaphe, beide wie die
Wände reich mit Koransprüchen
und buntfarbigen
Ornamenten geschmückt.
Das
Licht
[* 9] fällt direkt nur durch die
Thür ein, die unbestimmte
Beleuchtung
[* 10] läßt die enorme
Höhe der
Wölbung noch höher erscheinen. Bei großen religiösen
Festen wird das
Innere reich beleuchtet und Feuerwerk abgebrannt.
Umgeben ist das Gebäude von einem geräumigen
Garten,
[* 11] in welchem sich ein langes, geradliniges Wasserbassin mit zahlreichen
Springbrunnen befindet. Die neuern Regierungsgebäude bieten nichts besonders Bemerkenswertes; zwei christliche
Kirchen genügen
dem
Bedürfnis. Agra kam an die
OstindischeKompanie 1803 im
Krieg mit Scindia; 164
Geschütze
[* 12] und ein
Schatz
von 264,000 Pfd. Sterl. fielen den Siegern zur
Beute. Das
Klima
[* 13] wirkt bei einer mittlern
Temperatur von 25,5° C., die nur um
2-3° C. niedriger als im südlichen
Indien ist, sehr abspannend, ist aber der
Gesundheit nicht so schädlich,
als man erwarten sollte.
Wer kann, bringt den
Sommer in den nahen Gesundheitsstationen des
Himalaja zu. Als
Landgerichts- und
Regierungsbezirk (division) umfaßt Agra 26,288 qkm (460 QM.) mit (1881)
4,834,064 Einw., davon ein Zehntel Mohammedaner. Vgl. AgraCunningham,
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Hauptstadt des Distrikts in den indobritischen sog. Nordwestprovinzen, 27° 10'
nördl. Br., 78° 5' östl. L., rechts der Dschamna, mit einer mittlern Jahrestemperatur von 24° C. Das
alte Weichbild (28,5 qkm) wird nur zur Hälfte von der heutigen Stadt ausgefüllt. Agra hatte 1881: 160203, 1891: 168662
E., darunter 111295 Hindu, 49369 Mohammedaner, 4015 Christen und 3211 Dschain, enge Straßen, drei- oder vierstöckige Häuser
meist aus rotem Sandstein und gilt für die reinlichste Stadt Indiens.
Eine breite gepflasterte Hauptstraße führt von der Festung
[* 17] mitten durch die Stadt und seit 1838 eine ebensolche längs
des Stromufers hin mit breiten Treppen
[* 18] (Ghat, s. d.) zur Dschamna; im Süden die weit angelegten Straßen des engl. Kantonnements.
Westlich vom Fort auf einem großen Platze die Hauptmoschee «Dschami' Masdschid» und der Bahnhof. Architektonisch
wertvoll sind die großartigen Bauwerke aus der Zeit der Mogulherrschaft, so die von Akbar in einem Knie der Dschamna aus Sandstein
erbaute Festung Akbarabad, auch Lal Kil'a (rote Burg) genannt, mit 24 m hohen Mauern, Zinnen und tiefem Graben. Eine Zugbrücke
westlich der Stadt verbindet das «Thor von Dehli» mit
¶
mehr
der Stadt. Im Innern der Festung, die eine schöne Aussicht auf die Stadt, den Strom und den Tadsch (s. d.) gewährt, sind
viele vortreffliche von Akbar und seinen Nachfolgern errichtete Bauten, mit Ausnahme der verfallenen Frauengemächer, teils
vollständig erhalten, teils wiederhergestellt, so die große Empfangshalle (Diwan-i-'amm), die kleinere Empfangshalle (Diwan-i-châß),
der Spiegelsaal (Schisch-Mahall), die Halle
[* 20] des KaisersDschahangir und die beiden aus weißem Marmor erbauten
Perlmoscheen «Moli Masdschid» (s. Dehli).
Links der Dschamna liegt in dem Nam Bagh (einem großen Garten) das achteckige Grabgebäude des I'timad ud-Daula, des Wesirs
des KaisersDschahangir, mit Thor aus Randstein und weißem Marmor, welches einer wunderbaren Filigranarbeit
[* 21] gleicht. AkbarsGrab Sikandra (s. d.) liegt 8 km von Agra entfernt. Ferner sind zu
nennen: das Government College, das Centralgefängnis, wichtig wegen seiner bedeutenden Teppichindustrie, der Gerichtspalast
und das zur Zeit Akbars gegründete kath. Missions- und Waisenhaus.
Die städtische Verwaltung liegt in den Händen von 8 Magistratsbeamten und 17 Stadtverordneten. Die Einnahmen
betrugen 1881/82: 400 601 M., die Ausgaben 328 608 M. Agra hat bedeutende Fabrikation von Schuhen, Pfeifenrohren, Goldlitze,
besonders aber von Mosaik und Schnitzarbeit in Marmor und Speckstein, wie sie derTadsch in so großartiger Schönheit zeigt.
Infolge der weiten Entfernung (21 km) von der Haupteisenbahnlinie Kalkutta-Pischawar, mit der es durch
eine Zweiglinie nach Tundla verbunden ist, behauptet Agra nur mit Mühe seine Handelsstellung, ist aber doch ein wichtiger
Korn- und Baumwollmarkt sowie der Mittelpunkt für den Versand des von Rohilkhand kommenden Zuckers.
Weitere Eisenbahnlinien führen südwestlich über Adschmir, Ahmadabad und Indaur nach Bombay,
[* 22] südlich nach
Dholpur und Gwaliar, nördlich nach dem heiligen Mathura. Hauptartikel der Einfuhr sind Zucker,
[* 23] Getreide,
[* 24] Salz,
[* 25] Baumwolle,
[* 26] grober
Kaliko, Shawls, Pferde,
[* 27] Kamele,
[* 28] getrocknete afghan. Früchte und Droguen; ausgeführt werden namentlich Baumwolle, Baumwollteppiche
(Dari, engl. Durry, Mehrzahl Durries), Goldlitze, rohe Seide,
[* 29] Indigo,
[* 30] Rohzucker, behauene Steine aus den Steinbrüchen von Lātihpur,
Tikri und den Bandroli-Bergen.
Als 1504 Kaiser Sikandar Lodhi seinen Sitz von Dehli nach Agra verlegte, war letzteres noch ein Dorf. Babars Sohn Humajun hielt
wieder in Dehli Hof,
[* 31] sein Sohn Akbar d. Gr. machte aber Agra wieder zu seinem ständigen Aufenthalte und erhob
es 1564 zur Hauptstadt, Schah Dschahan residierte hier 1632-37 und errichtete die großen Bauten in der
Festung, so die Moti Masdschid, die Dschami' Masdschid. Als nach seinem TodeAurangseb den Sitz der Regierung nach Dehli verlegte,
sank Agra zur Provinzialstadt herab.
Nach AurangsebsTode (1707) wechselte Agra mehrmals seine Beherrscher. Die Dschat, die Perser unter Nadir Schah, die Afghanen
plünderten und verheerten die Stadt, und die Mahratten unter Madhudschi verwüsteten sie 1784. Nach der Niederlage der Mahratten durch
den Herzog von Wellington fiel die Stadt und 17. Okt. die Festung in die Hände der Briten und gelangte dadurch wieder zur Blüte.
Bei Ausbruch des großen ind. Aufstandes 1857 zogen sich die Engländer in das Fort zurück, bis sie
nach
Besiegung der Aufständischen entsetzt wurden.