Agra
,
Hauptstadt des Distrikts in den indobritischen sog. Nordwestprovinzen, 27° 10'
nördl.
Br., 78° 5' östl. L., rechts der
Dschamna, mit einer mittlern Jahrestemperatur von 24° C. Das
alte Weichbild (28,5 qkm) wird nur zur Hälfte von der heutigen Stadt ausgefüllt. Agra
hatte 1881: 160203, 1891: 168662
E., darunter 111295
Hindu, 49369 Mohammedaner, 4015
Christen und 3211
Dschain, enge
Straßen, drei- oder vierstöckige Häuser
meist aus rotem Sandstein und gilt für die reinlichste Stadt
Indiens.
Eine breite gepflasterte Hauptstraße führt von der Festung [* 3] mitten durch die Stadt und seit 1838 eine ebensolche längs des Stromufers hin mit breiten Treppen [* 4] (Ghat, s. d.) zur Dschamna; im Süden die weit angelegten Straßen des engl. Kantonnements. Westlich vom Fort auf einem großen Platze die Hauptmoschee «Dschami' Masdschid» und der Bahnhof. Architektonisch wertvoll sind die großartigen Bauwerke aus der Zeit der Mogulherrschaft, so die von Akbar in einem Knie der Dschamna aus Sandstein erbaute Festung Akbarabad, auch Lal Kil'a (rote Burg) genannt, mit 24 m hohen Mauern, Zinnen und tiefem Graben. Eine Zugbrücke westlich der Stadt verbindet das «Thor von Dehli» mit ¶
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der Stadt. Im Innern der Festung, die eine schöne Aussicht auf die Stadt, den Strom und den Tadsch (s. d.) gewährt, sind viele vortreffliche von Akbar und seinen Nachfolgern errichtete Bauten, mit Ausnahme der verfallenen Frauengemächer, teils vollständig erhalten, teils wiederhergestellt, so die große Empfangshalle (Diwan-i-'amm), die kleinere Empfangshalle (Diwan-i-châß), der Spiegelsaal (Schisch-Mahall), die Halle [* 6] des Kaisers Dschahangir und die beiden aus weißem Marmor erbauten Perlmoscheen «Moli Masdschid» (s. Dehli).
Links der Dschamna liegt in dem Nam Bagh (einem großen Garten)
[* 7] das achteckige Grabgebäude des I'timad ud-Daula, des Wesirs
des Kaisers Dschahangir, mit Thor aus Randstein und weißem Marmor, welches einer wunderbaren Filigranarbeit
[* 8] gleicht. Akbars Grab Sikandra (s. d.) liegt 8 km von Agra
entfernt. Ferner sind zu
nennen: das Government College, das Centralgefängnis, wichtig wegen seiner bedeutenden Teppichindustrie, der Gerichtspalast
und das zur Zeit Akbars gegründete kath. Missions- und Waisenhaus.
Die städtische Verwaltung liegt in den Händen von 8 Magistratsbeamten und 17 Stadtverordneten. Die Einnahmen
betrugen 1881/82: 400 601 M., die Ausgaben 328 608 M. Agra
hat bedeutende Fabrikation von Schuhen, Pfeifenrohren, Goldlitze,
besonders aber von Mosaik und Schnitzarbeit in Marmor und Speckstein, wie sie der Tadsch in so großartiger Schönheit zeigt.
Infolge der weiten Entfernung (21 km) von der Haupteisenbahnlinie Kalkutta-Pischawar, mit der es durch
eine Zweiglinie nach Tundla verbunden ist, behauptet Agra
nur mit Mühe seine Handelsstellung, ist aber doch ein wichtiger
Korn- und Baumwollmarkt sowie der Mittelpunkt für den Versand des von Rohilkhand kommenden Zuckers.
Weitere Eisenbahnlinien führen südwestlich über Adschmir, Ahmadabad und Indaur nach Bombay, [* 9] südlich nach Dholpur und Gwaliar, nördlich nach dem heiligen Mathura. Hauptartikel der Einfuhr sind Zucker, [* 10] Getreide, [* 11] Salz, [* 12] Baumwolle, [* 13] grober Kaliko, Shawls, Pferde, [* 14] Kamele, [* 15] getrocknete afghan. Früchte und Droguen; ausgeführt werden namentlich Baumwolle, Baumwollteppiche (Dari, engl. Durry, Mehrzahl Durries), Goldlitze, rohe Seide, [* 16] Indigo, [* 17] Rohzucker, behauene Steine aus den Steinbrüchen von Lātihpur, Tikri und den Bandroli-Bergen.
Als 1504 Kaiser Sikandar Lodhi seinen Sitz von Dehli nach Agra
verlegte, war letzteres noch ein Dorf. Babars Sohn Humajun hielt
wieder in Dehli Hof,
[* 18] sein Sohn Akbar d. Gr. machte aber Agra
wieder zu seinem ständigen Aufenthalte und erhob
es 1564 zur Hauptstadt, Schah Dschahan residierte hier 1632-37 und errichtete die großen Bauten in der
Festung, so die Moti Masdschid, die Dschami' Masdschid. Als nach seinem Tode Aurangseb den Sitz der Regierung nach Dehli verlegte,
sank Agra
zur Provinzialstadt herab.
Nach Aurangsebs Tode (1707) wechselte Agra
mehrmals seine Beherrscher. Die Dschat, die Perser unter Nadir Schah, die Afghanen
plünderten und verheerten die Stadt, und die Mahratten unter Madhudschi verwüsteten sie 1784. Nach der Niederlage der Mahratten durch
den Herzog von Wellington fiel die Stadt und 17. Okt. die Festung in die Hände der Briten und gelangte dadurch wieder zur Blüte.
[* 19] Bei Ausbruch des großen ind. Aufstandes 1857 zogen sich die Engländer in das Fort zurück, bis sie
nach
Besiegung der Aufständischen entsetzt wurden.