Agoult
(spr. aguh), Marie de Flavigny, Gräfin d', unter dem Pseudonym Daniel Stern bekannte franz. Schriftstellerin, geb. 1805 zu Frankfurt [* 2] a. M., war die Tochter des Vicomte de Flavigny, eines französischen Offiziers, der während der Emigration Marie Bethmann, aus dem bekannten Frankfurter Bankierhaus, geheiratet hatte. Sie erhielt ihre Erziehung zu Paris [* 3] im Kloster des Heiligen Herzens Jesu, vermählte sich 1827 mit dem Grafen d'A. und lebte später, nachdem sie sich von ihrem Gatten getrennt hatte und in ein intimes Verhältnis zu Franz Liszt getreten war, längere Zeit auf Reisen in der Schweiz, [* 4] wo sie mit George Sand zusammentraf, in Deutschland [* 5] und Italien. [* 6] Aus ihrer Verbindung mit Liszt, die dann ebenfalls gewaltsam gelöst wurde, sind drei Töchter hervorgegangen, von denen die eine (inzwischen gestorben) sich mit Emile Ollivier die zweite ¶
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mit dem Schriftsteller Guy de Charnacé und die dritte, Cosima, zuerst mit dem Pianisten Hans v. Bülow, später mit Richard Wagner
vermählt hat. Der zuerst im Feuilleton der »Presse«
[* 8] erschienene Roman »Nélida« von Agoult
enthält einige leicht verhüllte
Selbstbekenntnisse über diese Verbindung und die Ursachen des Bruches. Ihre oft sehr scharfsinnigen Beobachtungen
über Deutschland legte sie in verschiedenen Aufsätzen in der »Revue des Deux Mondes« und der »Revue indépendante« (1847) nieder.
Nach der Februarrevolution trat sie als politische Schriftstellerin auf; die hierher gehörigen Werke sind besonders die »Lettres républicaines« (1848),
in denen sie die Zustände unter der Regierung Ludwig Philipps einer herben Kritik unterzieht, und die »Histoire de la révolution de 1848« (Par. 1851-53, 3 Bde.; neueste Aufl. 1880),
welche dagegen die Menschen und die Ereignisse der betreffenden Zeit in das günstigste Licht [* 9] rückt. Noch vor der letztern Schrift erschienen ihre »Esquisses morales et politiques« (Par. 1849; deutsch, Berl. 1862), eine Sammlung von Maximen und Aphorismen, die über die verschiedenen Lagen des Lebens, über die Konflikte der Moral mit den Leidenschaften, über die Tendenzen der Zeit besonnen und bündig räsoniert und jedenfalls als ihr bestes Werk zu bezeichnen ist.
Ferner veröffentlichte sie: »Trois journées de la vie de Marie Stuart« (Par. 1856);
»Florence et Turin« [* 10] (Kunst- und politische Studien, das. 1862);
»Dante et Goethe« (Dialoge, 1866) und »Histoire des commencements de la république aux Pays-Bas, 1581-1625« (1872),
wofür sie einen Preis der Akademie erhielt.
Sie starb in Paris. Aus ihrem Nachlaß erschien ein erster Band [* 11] Denkwürdigkeiten unter dem Titel: »Mes souvenirs, 1806-33« (1877), worin sie sehr anmutig die Geschichte ihrer Jugend (darunter auch eine Begegnung mit Goethe in Frankfurt) erzählt.