(franz., spr. aschĭotahsch) nennt man den Betrieb
von Spekulationsgeschäften, welche, ohne daß wirklich
Kauf und Verkauf beabsichtigt sind, lediglich aus Preisschwankungen
im
Geld-,
Waren- und Effektengeschäft Vorteil zu ziehen suchen, namentlich solche
Spekulationen, welche sich unsolider und
selbst unredlicherMittel, wie der Verbreitung falscher Gerüchte, trügerischer
Reklame etc., bedienen,
um die
Kurse künstlich zu treiben und zu drücken. Die Agiotage ist also in diesem
Sinn gleichbedeutend mit dem Betrieb verwerflicher
Differenzgeschäfte (s. d.) und wird deswegen auch oft schlechthin als
Wind- und Schwindelhandel (in
England stock-jobbery)
bezeichnet. Das Agiotagetreiben gewinnt um so mehr den
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Charakter eines wirtschaftlich und moralisch gefährlichen Hasardspiels, je weniger die Faktoren, welche Preisänderungen
bewirken können, einer wirtschaftlichen Berechnung sich unterziehen lassen. Für die Zwecke der Agiotage vorzüglich geeignet sind
diejenigen an der Waren- und Effektenbörse gehandelten Gegenstände, deren Preise häufigen Schwankungen unterliegen (Aktien
neugegründeter Unternehmungen, die sogen. »internationalen«
Papiere etc.). Nimmt das Agiotagetreiben einen größern Umfang ein, stützt es sich insbesondere auf zahlreiche
neue Gründungen, so führt es unausbleiblich zu Krisen (s. Handelskrisen).
Der Agioteur, in Paris
[* 3] Coulissier, in London
[* 4] Jobber genannt, d. h. derjenige, welcher sich an der Börse gewerbsmäßig Differenzgeschäften
widmet, hat um so mehr Hoffnung auf Gewinn, je mehr er durch großen Kapitalbesitz in den Stand gesetzt
ist, die Kurse zu beherrschen und die Masse der kleinen Börsenspieler durch wirkliche Käufe und Verkäufe in solche Bewegung
zu setzen, welche den eignen im geheimen betriebenen Absichten am günstigsten ist. Leider läßt sich zwischen der berechtigten
und der schädlichen und sträflichen Spekulation keine scharfe Grenze ziehen. Infolgedessen werden auch
durch gesetzliche Maßregeln zur Bekämpfung der Agiotage nicht die erwarteten Erfolge erzielt. Dieselben können
leicht vom Spieler umgangen werden, dagegen redliche Geschäfte, namentlich solche, welche im Dienste
[* 5] der Arbitrage (s. d.) eine
wohlthätige Preisausgleichung bewirken, allzusehr hemmen (vgl. Börse).
(frz., spr. aschiotahsch) nennt man die Betreibung
solcher kaufmännischen Geschäfte, die in der Absicht unternommen werden, aus den Preisschwankungen von zunächst nicht lieferbaren
Waren oder Effekten innerhalb einer gewissen Frist Gewinne zu
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ziehen (s. Differenzgeschäfte). Das von dem Spekulanten erwartete Steigen oder Fallen
[* 7] des Preises
ist meistens von gänzlich unberechenbaren Umständen abhängig und die Agiotage erscheint dann als reines Glücksspiel. Noch verwerflicher
aber ist die Agiotage seitens solcher Spekulanten, welche durch trügerische Vorspiegelungen, übertreibende Reklame,
durch Scheinoperationen und andere Täuschungsmittel die gewünschte Preisbewegung direkt herbeizuführen
suchen.
Das wirksamste Mittel, die Kurse zu beherrschen, ist natürlich die Verwendung eines großen Kapitals im Dienste der Agiotage an der
Börse. Der so ausgestattete Unternehmer kann z. B. die Preise durch bedeutende thatsächlich ausgeführte Ankäufe
emportreiben, die Masse der kleinern Spieler in diesem Sinne in Bewegung setzen und dann im geheimen zu den
erhöhten Kursen noch mehr verkaufen als kaufen. Der wirkliche Wert des Spielobjekts ist für den Agioteur völlig gleichgültig,
wie sich deutlich schon in einem der frühesten Ausdrücke der Spielwut zeigte, nämlich in dem holländ. Tulpenschwindel
(1634-38). Je häufigern und je größern Schwankungen der Wert einer Ware oder eines Börsenpapiers
ausgesetzt ist, um so mehr wendet sich ihm die Agiotage zu, und unter sonst gleichen Umständen wird immer dasjenige
Papier höher stehen, in dem nicht nur Kassen-, sondern auch Zeitgeschäfte stattfinden. Es gilt dies besonders von gewissen
«internationalen», d. h. an den hauptsächlichsten
europ. Börsen gehandelten Papieren.
Übrigens werden auch durchaus solide Staatspapiere zum ständigen Gegenstande eines Börsenspiels gemacht, das ebenfalls als
Agiotage zu bezeichnen ist, obwohl es sich in festen Bahnen bewegt. Besonders ungestüm dagegen tritt die Agiotage oft bei der Ausgabe
der Aktien neugegründeter Unternehmungen auf (s. Aktie). Auch an der Warenbörse finden in den Artikeln
mit stark wechselnder Produktion oder Zufuhr, wie Getreide,
[* 8] Öl, Talg, Spiritus,
[* 9] Petroleum, Kaffee, eine bedeutende auf Zeit-
und Differenzgeschäften beruhende Agiotage statt. Gesetzliche Maßregeln zur Bekämpfung der Agiotage haben
sich, wie das BeispielFrankreichs und Preußens
[* 10] gezeigt hat, als unwirksam erwiesen, da die Spielverträge von den reellen
meistens nicht zu unterscheiden sind. Auch haben gewisse Ausgleichungskäufe und Verkäufe auf Zeit eine
gewisse wirtschaftliche Berechtigung namentlich im Dienste der Arbitrage (s. d.).