Agende
,
Kirchenagende (vom lat. agere, handeln), ursprünglich Bezeichnung
für die gottesdienstlichen Handlungen, im Mittelalter besonders für die
Messe (Agenda missarum, missas agere), dann aber,
und zwar häufiger erst nach der
Reformation, für die
Bücher, in denen die für den Gottesdienst und die gottesdienstlichen
Handlungen vorgeschriebenen Gebete und Formulare zusammengestellt sind. Die Agende
bestimmen also
die Liturgie (s. d.) und den Ritus (s. d.),
überhaupt haben sie wesentlich dieselbe Bedeutung wie jene
Bücher, die man im Mittelalter Pastorale, Sacerdotale, Rituale,
Manuale,
Liber officiorum und ähnlich nannte.
Auch bei den
Reformatoren findet sich der
Name Agende
noch nicht häufig, da sie ihre Bestimmungen über den Gottesdienst meistens
den umfassendern Kirchenordnungen (s. d.) einverleibten.
Manche von diesen, z. B. die brandenburgische von 1540, schlossen sich in
Beziehung auf den Gottesdienst eng an das Herkommen
der kath.
Kirche an, für andere wurden
Luthers «Formula missae» von 1523 und dessen «Deutsche
[* 2] Messe und Ordnung Gottis diensts» von 1526 maßgebend.
Andere, in den reform. Gebieten, gestalten die Form
des Gottesdienstes durchgreifender um, und zwar im
Sinne größerer Einfachheit.
Auch giebt es welche, die, wie das engl. Book of Common Prayer (s. Common
Prayer), zwischen luth. und reform. Gepräge vermitteln. So bildete sich in den evang.
Kirchenordnungen und Agende
des 16. Jahrh. eine große Mannigfaltigkeit
der gottesdienstlichen Formen aus. Der Aufklärungsperiode genügten diese alten Agende
ebensowenig wie die alten
Gesangbücher, und so mußten dieselben gegen Ende des 18. Jahrh. vielfach neuen, im
Geiste des
Rationalismus bearbeiteten Agende weichen,
bis
Friedrich Wilhelm III. mit seiner, zunächst für die
Hof- und Domkirche in
Berlin
[* 3] bestimmten (1822), dann
aber in der ganzen preuß. Landeskirche eingeführten den
Ton für die Rückkehr zu den alten Ordnungen des Gottesdienstes
angab. (S.
Agendenstreit und
Union.) Seinem Vorgange folgte man in andern deutschen Landeskirchen (z. B. in
Württemberg
[* 4] 1843,
in
Bayern
[* 5] mit dem
Entwurf einer Agende 1857, in
Sachsen
[* 6] 1878); aber auch hier hat sich eine
Richtung
Bahn gebrochen,
die das
Alte nicht wiederherzustellen, sondern für die Gegenwart fruchtbar zu machen sucht (z. B.
im «Kirchenbuch für die evang.-prot.
Kirche im Großherzogtum
Baden»,
[* 7] 1877, und im «Kirchenbuch für die evang.
Landeskirche im Großherzogtum
Sachsen», 1885). Ein 1893 vorgelegter neuer Agendenentwurf für die alten preuß.
Provinzen wurde trotz vielfachen
Widerspruchs von der Generalsynode angenommen.-
Vgl. Richter, Die evang. Kirchenordnungen des 16. Jahrh. (Weimar [* 8] 1846);
Jacoby, Die Liturgik der Reformatoren (Gotha [* 9] 1871-76);
Köstlin, Geschichte des christl. Gottesdienstes (Freiburg [* 10] 1887);
Spitta, Der Entwurf der preußischen Agende (Gött. 1893);
Zur Geschichte der Agende für die evang. Kirche in den preuß. Landen (Berl. 1894);
Kleinert, Der preuß. Agendenentwurf (Gotha 1894) u. a.