Agénde
(Kirchenagende
, v. lat. agenda, »was
gethan werden soll«),
in der alten Kirche Bezeichnung für sämtliche gottesdienstliche Handlungen, im Mittelalter insbesondere für die Messe und das Offizium, diente als Name eines die kirchlichen Gebete, Ansprachen und Segnungen zusammenfassenden Buches vor der Reformation äußerst selten (ein solches hieß im Mittelalter sacerdotale, manuale, rituale), häufiger in den Reformationskirchen, welche jedoch ihre Vorschriften für den Gottesdienst meist unter dem Namen der Kirchenordnungen gegeben haben.
Unter den lutherischen Agenden
und
Kirchenordnungen des 16. Jahrh. schließen sich einige eng an die katholischen
Gebräuche
an, wie die
Brandenburger
Kirchenordnung von 1540, die österreichische von 1571; andre, wie die herzoglich
preußische
Kirchenordnung von 1525, die braunschweigische von 1528 etc., stellen sich ganz auf den
von
Luther in der
»Formula missae« (1523) eingenommenen Standpunkt, während die württembergischen
Kirchenordnungen von 1536 und 1555 sowie
die
Pfälzer von 1554 etc. den katholischen
Ordo missalis gänzlich verlassen und durch radikalere Umgestaltung
des
Gottesdienstes ein reformiertes Gepräge erhalten.
In der reformierten Kirche unterscheiden sich die Kirchenordnungen des 16. Jahrh., je nachdem sie einen mehr Zwinglischen Typus (so die Züricher und die Baseler, beide von 1529) oder einen mehr Calvinischen (wie die verschiedenen Genfer von 1536 und 1541 etc.) tragen; in den deutsch-reformierten Kirchenordnungen zeigt sich, wie in der Kirchenordnung des Pfalzgrafen Friedrich von 1563 und den hessischen von 1566 und 1573, eine lutheranisierende, resp. unierende Tendenz.
Ebenfalls aus einer Vermittelung zwischen der reformierten und lutherischen Gottesdienstordnung ist das vielfach auf altkirchliche
Gebräuche zurückgreifende
»Common Prayer Book«, die anglikanische Agénde
, hervorgegangen (vgl.
Anglikanische Kirche). Gegenden
Schluß des 18. Jahrh. tauchen in den protestantischen
Kirchen Agenden
auf, die einen von denen
der Reformationszeit abweichenden, dem
Geiste der
Aufklärung und des
Rationalismus sich anpassenden
Charakter tragen; die Rückkehr
zu den Gottesdienstordnungen des 16. Jahrh. beginnt mit der preußischen
Agénde
seit 1816 (vgl.
Agendenstreit), und nach dem Vorbild
Preußens
[* 2] erfolgte auch in den andern evangelischen
Landeskirchen
Deutschlands
[* 3] eine Rückbildung zu den alten agendarischen
Formeln, so z. B. in
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Württemberg
[* 5] durch das Kirchenbuch von 1843, in Bayern
[* 6] durch den Entwurf einer von 1857, in Sachsen
[* 7] durch den Entwurf einer Agénde
für
die evangelisch-lutherische Landeskirche von 1878 etc.
Vgl. Richter, Evangelische Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts (Weim. 1846, 2 Bde.);
Jacoby, Die Liturgik der Reformatoren (Gotha [* 8] 1871-76, 2 Bde.);
Th. Harnack, Praktische Theologie, Bd. 1 (Erlang. 1877). -
Allgemein bedeutet Agénde
auch s. v. w. Notizkalender.