Affen
[* 2] (Simiae), eine sehr charakteristische Ordnung der Säugetiere, auch Vierhänder (Quadrumana) genannt, weil
sie an allen vier Gliedern wirkliche
Hände besitzen.
Ihre Körpergestalt nähert sich der menschlichen. Sie haben dreierlei
Zähne:
[* 3] meißelförmige Schneidezähne, konische, oft sehr lange und scharfe Eckzähne und höckerige
Backzähne, entweder
in derselben Zahl wie der
Mensch oder vier
Backzähne mehr als dieser, ferner zwei
Brüste. Ihr Knochenbau macht sie
wenig geschickt zum aufrechten
Gange, begünstigt aber, zumal durch Länge der
Glieder
[* 4] und die hintern greifenden
Hände, das
Klettern, wie denn auch die meisten Affen
wahre Baumtiere, einige nur, wie die Paviane, Felsentiere sind.
Bei allen ist der Rücken stark behaart, doch das Gesicht [* 5] und Gesäß bei vielen, zumal den afrikanischen, nackt und dann oft eigentümlich gefärbt. Der Schwanz fehlt nur wenigen, ist aber von verschiedener Länge und bei gewissen amerik. Arten zu einem Greiforgan (Wickelschwanz), gleichsam einer fünften Hand, [* 6] umgebildet. Die Größe wechselt von derjenigen eines Menschen mittlerer Statur bis zu derjenigen einer großen Ratte; alle besitzen aber ansehnliche Muskelkraft und vermögen sich daher schnell und sicher zu bewegen.
Aus der Form der
Backzähne ergiebt sich, daß die Affen
vorzugsweise von vegetabilischer Nahrung leben; sie ziehen
Früchte und
Samen
[* 7] vor, ohne indes
Insekten,
[* 8] kleinere
Vögel
[* 9] und Säugetiere, Reptilien sowie
Eier
[* 10] und
Würmer
[* 11] zu verschmähen. Die Eckzähne
erinnern zwar an das fleischfressende
Raubtier,
[* 12] sind aber nur Waffen.
[* 13] Die Affen
leben meist in Polygamie
und in kleine Gesellschaften vereint; wenige, wie der langarmige Gibbon
(Hylobates lar Ill.),
sind monogamisch.
Zwillingsgeburten scheinen selten zu sein. Die
Jungen werden von den
Müttern mit vieler Liebe gepflegt.
Ihre Gemütsäußerungen
sind je nach den
Arten verschieden. Einige Nachtaffen
sind äußerst träge, die größern, in der Regel
menschenähnlichen Affen
meist melancholisch, besonders im
Alter, in der
Jugend dagegen sanftmütig und zutraulich, während die
Paviane wild und störrisch sind. Die meisten gewöhnlichen Affen
sind außerordentlich lebhaft, lüstern, listig,
neugierig, wachsam und
selbst mutig und durch diese Eigenschaften sowie durch ihre große Behendigkeit
eine wahre Landplage für den in ihren Gegenden wohnenden
Menschen. Im allgemeinen sind sie auf die tropische Palmenzone beschränkt,
die sie nur an wenigen Orten, wie z. B. bei
Gibraltar
[* 14] und in den Hochgebirgen
Tibets, überschreiten. Das
Gehirn
[* 15] des Affen
ist
durchaus nach dem menschlichen
Typus gebaut; doch bleibt die hohe Intelligenz des
Tieres auf die Jugendzeit
beschränkt, während im höhern
Alter zugleich mit der
Entwicklung der
Kiefer die tierischen
Affekte vorwiegen.
Junge Affen
lassen
sich stets zähmen, alte nur selten.
Unter den eigentlichen Affen
unterscheidet man die der
Neuen Welt und die der
Alten Welt.
Die der
Alten Welt oder Schmalnasen (Simiae catarrhinae; s.
Tafel: Affen
der
Alten Welt I - IV) bewohnen die tropischen Gegenden
Asiens und
Afrikas. Sie haben 32
Zähne wie der
Mensch, eine schmale Nasenscheidewand, oft
Backentaschen und
Gesäßschwielen,
nie einen Wickelschwanz. Es gehören hierher die Paviane (Cynocephalus, Taf.
II,
[* 1]
Fig. 1; IV,
[* 1]
Fig. 3) mit ungeheuern Eckzähnen in dem Hundskopfe, nackten,
oft seltsam gefärbten
Stellen im
Gesicht und am
Gesäß;
die Meerkatzen (Cercopithecus, IV, [* 1] Fig. 2, 4) von zierlichen Formen, mit meist langem Schwanze;
die Makaken (Macacus, II, [* 1] Fig. 2; IV, [* 1] Fig. 1, 6) von plumper Form, mit meist kurzem Schwanze;
die Stummelaffen (Colobus, III, [* 1] Fig. 4) mit meist verkümmerten Daumen an den Händen;
die Schlankaffen (Semnopithecus, III, [* 1] Fig. 3; IV, [* 1] Fig. 5);
die Langarmaffen
oder Gibbons
(Hylobates, III,
[* 1]
Fig. 2) mit langen
Armen und ohne
Schwanz;
endlich die
Menschenaffen oder Waldmenschen (I,
[* 1]
Fig. 1, 2; III,
[* 1]
Fig.
1), große, menschenähnliche Affen
ohne
Schwanz,
Gesäßschwielen und
Backentaschen.
Über den Grad der Verwandtschaft der letztern s. Menschenaffen und Mensch (1).
Das Leben der Affen im wilden Zustande wie in der Gefangenschaft schildern in anziehender Weise Brehm in seinem «Illustrierten Tierleben», Bd. 1 (3. Aufl., Lpz. 1890),
und Martin in seiner «Illustrierten Naturgeschichte der Tiere», Bd. 1 (ebd. 1882). Im nördl. Europa [* 16] gehen die Affen meist an Magen-Darmkatarrh zu Grunde. Lungenschwindsucht, welche früher ebenfalls eine große Menge der gefangenen Affen dahinraffte, ist seltener geworden, seitdem man sie mehr an unser Klima [* 17] gewöhnt hat. Selbst große Kältegrade sind den Affen nicht unangenehm und namentlich die großen Paviane ertragen, ohne Unbehagen zu zeigen, Kälte von -10° R. und darüber.
Die Zahl der jährlich eingeführten altweltlichen Affen ist sehr groß. Kleinere Makaken und Paviane kann man schon für 20 M. das Stück erhalten. Meerkatzen kosten, je nach der Häufigkeit ihrer Einführung, 30 - 100 M., Stummel- und Schlankaffen sind teurer und obendrein sehr hinfällig. Große Paviane werden mit 300 - 500 M. bezahlt, Gibbons und Menschenaffen, je nach ihrer Größe, mit 400 - 1500 M.
Eine eigentümliche, vielgestaltige Gruppe affenähnlicher Tiere bilden die Halbaffen [* 18] (s. d.). Fossile Halbaffen hat man in großer Zahl in Nordamerika [* 19] und Europa schon in den ältern Tertiärschichten gefunden; echte Affen im Miocän und Pliocän von Europa, darunter auch menschenähnliche große Affen (Miopithecus) bei Sansan am Fuße der Pyrenäen, sowie den Dryopithecus, [* 20] der menschenähnlicher als selbst die heutigen Anthropoiden ist, bei St. Gaudens und im Pliocän von Eppolsheim. ¶
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Die der Neuen Welt oder Plattnasen (Simiae platyrrhinae, s. die Tafel: Affen der Neuen Welt) haben 36 Zähne, eine breite Nasenscheidewand, stets einen langen Schwanz und sind ohne Backentaschen und ohne Gesäßschwielen; an ihren Armen ist die Hand und besonders der Daumen meist weniger entwickelt als an den Füßen. Sie leben in Südamerika [* 22] zwischen der Landenge von Panama [* 23] und dem 25.° südl. Br. stets nur in Wäldern. Sie bilden zwei Gruppen; die eine besitzt einen am Ende mit verbreiterten Wirbeln versehenen Greifschwanz, der bei den Rollschwanzaffen (Cebus), wozu der Kapuzineraffe (Cebus capucinus Erxl., [* 21] Fig. 3) gehört, unten behaart, bei den mit fürchterlicher Stimme begabten Brüllaffen (Mycetes, [* 21] Fig. 1), den daumenlosen Stummelaffen oder Spinnenaffen (Ateles, [* 21] Fig. 2), den Wollaffen (Lagothrix) unten nackt ist. Zu der zweiten Gruppe mit gewöhnlich gebildetem Schwanze gehören namentlich die Schweifaffen (Pithecia, [* 21] Fig. 4), Springaffen (Callithrix) und die trägen Nachtaffen (Nyctipithecus, [* 21] Fig. 5) der Urwälder Guyanas. Eine besondere Gruppe bilden die Krallenäffchen (Arcopitheci), zu denen die niedlichen Uistiti oder Saguine [* 21] (Fig. 6) und Löwenäffchen gehören.
Die amerikanischen Affen bewohnen die dichten Urwälder und verlangen in der Gefangenschaft größere Wärme [* 24] und mehr Feuchtigkeit als ihre altweltlichen Vettern. Ihre Haltbarkeit ist eine beschränkte, da die Eingewöhnung an unser Klima nicht recht gelingen will. Die Einfuhr beschränkte sich fast nur auf die Kapuzineraffen, die für 30 - 50 M. und die Uistiti, die für 10 M. zu haben sind. Brüllaffen, Wollaffen und Spinnenaffen kommen seltener nach Europa und werden auch entsprechend teurer bezahlt.