Ätolien
,
altgriech. Landschaft im westl. Mittelgriechenland,
die im
NO., N. und NW. an die Gebiete der
Ötäer, Änianen, Doloper und Aniphilocher grenzte, im W. durch den
Acheloos von
Akarnanien geschieden, im S. vom Korinthischen Golfe bespült und im O. von Lokris begrenzt wurde.
Ursprünglich zerfiel die Landschaft in zwei
Teile: das alte Ätolien
, im N. bis zum Gebirgszuge Panätolion (jetzt Arapokephalon),
im O. bis zu den das Euenosthal abschließenden
Höhen reichend, und das hinzueroberte Ätolien
(Aetolia Epiktetos), das von rohern
Stämmen bewohnt war und von hohen, unwirtlichen
Gebirgen (der südl. Fortsetzung des
Pindos; darunter der
Korar im O. und der
Tymphrestos im N.) erfüllt ist, die parallel von NNW. nach SSO.
Streichen und von tiefen
Erosionsthälern wasserreicher
Flüsse
[* 2] zerschnitten sind. Altätolien
besitzt zwei ausgedehnte, durch
den vom
Acheloos zum Euenos reichenden Gebirgszug des Arakynthos (jetzt Zygos genannt) geschiedene fruchtbare Ebenen.
Benannt war Altätolien
nach den Ätolern, die ihren
Stamm auf einen mythischen
Ätolus (s.
Aitolos) zurückführten. In Ätolia
Epiktetos wohnten die Eurytanen, die Aperanten, die
Agräer, die Ophionen und die Apodoten.
Die Bewohner
Ä.s galten als roh und treulos. Richtig ist jedenfalls, daß die Ätoler, die Bewohner von Südätolien
ausgenommen,
bis in das Zeitalter der Diadochen hinein die altgriech. wilden Zustände nur teilweise
abgestreift hatten, Raubzüge zu Wasser und zu
Lande liebten und ein geordnetes Städteleben unter sich nicht aufkommen ließen.
Schon frühzeitig bestand allerdings unter ihnen eine Art
Bund der einzelnen
Stämme, aber erst mit der Zeit
Alexanders d. Gr.
beginnen die Ätoler wirksam in die griech. Verhältnisse einzugreifen.
Nachdem sie 323-322 v. Chr. zu Gunsten der Unabhängigkeit Griechenlands am Lamischen Kriege teilgenommen und darauf von Antipater und Craterus hart bedrängt worden, schlossen die Stämme ihren alten Verein, den Ätolischen Bund, enger. Seitdem standen die Ätoler in Fehde bald mit Antipater und Polysperchon, bald mit Kassander, bald mit Demetrius Poliorketes, bald mit den Spartanern. Bei der Abwehr des Einfalls der Kelten in Griechenland [* 3] (278) leisteten sie Bedeutendes. In dieser Heldenzeit des Volks breitete sich der Ätolische Bund über einen großen Teil des mittlern und nördl. Griechenlands aus; die Lokrer, Phoker, Ötäer, zahlreiche thessal. Städte traten ihnen bei; auch einige peloponnes.
Staaten, wie Elis, Messenien und mehrere arkad. Städte, endlich die Insel Kephallenia und selbst einige Städte in Kleinasien schlossen sich ihnen eine Zeit lang an. Aus ihrer Eifersucht auf den Achäischen Bund entsprang der verderbliche Bundesgenossenkrieg (s. d., 220-217); 211 verbündeten sich die Ätoler mit den Römern gegen Philipp V. von Macedonien. Aber im Frieden 205 wurden sie von den Römern im Stiche gelassen, und bald nach der Schlacht bei Kynoskephalä (197 v. Chr.) kam es zwischen Ätolern und Römern zum offenen Bruch.
Die Ätoler zogen zur Vertreibung des röm. Einflusses aus Griechenland 192 v. Chr. den Seleuciden Antiochus III. nach Hellas, unterlagen dann aber in dem neu ausbrechenden Kriege mit Rom [* 4] so vollständig, daß 189 v. Chr. ihre polit. Bedeutung für immer vernichtet wurde. (S. Griechenland.) Während des letzten Jahrhunderts ihres polit. Wirkens besahen die Ätoler eine ziemlich ausgebildete Bundesverfassung. Die Entscheidung über Krieg und Frieden, überhaupt über die Bundesangelegenheiten hing von der Bundesversammlung ab, die in der Regel jährlich zu Anfang des Herbstes, bis 218 v. Chr. in der Hauptstadt Thermon, später in andern Städten, gehalten und Panätolium genannt wurde. Diese Versammlungen hatten u. a. die Bundesbeamten zu wählen; deren oberster war der Stratege, nach ihm folgte der Hipparch und der Staatsschreiber; ihnen stand ein ständiger Ausschuß, die sog. Apokleten, zur Seite.
Vgl. Brandstäter, Die Geschichten des ätol.
Landes, Volks und Bundes (Berl. 1844).
Im heutigen Königreich
Griechenland ist Ätolien
mit
Akarnanien zu einem Nomos
Akarnanien und Ätolien
vereinigt (s.
Akarnanien).