Titel
Ärztliche
Vereine. Die ärztlichen
Vereine in
Deutschland
[* 3] verfolgen zum Teil wissenschaftliche
Zwecke, für welche außer
den militärärztlichen
Vereinen 57 allgemein wissenschaftliche und 17
Gesellschaften für öffentliche
Gesundheitspflege bestehen,
zum Teil Standesinteressen.
Vereine der letztern Art gibt es 14 in
Baden,
[* 4] 52 in
Bayern,
[* 5] 25 in
Sachsen,
[* 6] 8 in
Württemberg,
[* 7] 17 in
Hessen,
[* 8] 4 in
Braunschweig,
[* 9] 100 in
Preußen,
[* 10] 6 in
Mecklenburg,
[* 11] 11 in
Thüringen, je 2 in
Oldenburg,
[* 12]
Anhalt,
[* 13]
Elsaß-Lothringen,
[* 14] je 1 in
Lübeck,
[* 15]
Bremen,
[* 16]
Hamburg;
[* 17] Summa: 246
Vereine mit
ca. 9000 Mitgliedern.
Von diesen
Vereinen sind nur die in
Bayern,
Sachsen,
Württemberg und
Hessen staatlich anerkannt und der daselbst
bestehenden offiziellen Vertretung des ärztlichen
Standes als
Glieder
[* 18] eingefügt; in
Baden und
Braunschweig besteht eine solche
Standesvertretung neben den im übrigen freien
Vereinen; in allen übrigen deutschen
Staaten existiert weder eine offizielle
Vertretung des ärztlichen
Standes, noch sind die ärztlichen
Vereine daselbst staatlich anerkannt.
Die älteste
Organisation des ärztlichen
Standes findet sich (seit 1864) in
Baden.
Dort wählen sämtliche
Ärzte des
Landes alle 4 Jahre einen aus 7 Mitgliedern bestehenden Ȋrztlichen
Ausschuß«, der entweder auf
Berufung des
Ministeriums
oder aus eigner
Initiative zu Beratungen zusammentritt und derart mit den ärztlichen
Vereinen des
Landes, die bei seiner
Wahl
den
Ausschlag geben, in
Verbindung steht, daß er nichts von Bedeutung unternimmt, ohne es den
Vereinen
mitzuteilen oder zur Vorberatung zu geben. - Die
Organisation des ärztlichen
Standes in
Sachsen datiert von 1865. Hier bestehen
1) Bezirksvereine
mit fakultativem
Beitritt, je einer in jedem Medizinalbezirk (25), und die Bezirksvereine innerhalb einer
Kreishauptmannschaft bilden den Kreisverein derselben;
2) Kreisvereinsausschüsse (4), gebildet aus den Delegierten der Bezirksvereine einer jeden Kreishauptmannschaft;
3) ein aus
ca. 12 ordentlichen Mitgliedern bestehendes Landesmedizinalkollegium, zu dem die 4 Kreisvereine zusammen 8 Abgeordnete
auf je 4 Jahre wählen, welche als »außerordentliche« Mitglieder des Landesmedizinalkollegiums
an den alljährlichen Plenarversammlungen desselben mit
Stimmrecht teilnehmen. - Eine der sächsischen
analoge Standesvertretung ward 1871 in
Bayern eingeführt. Staatlich anerkannte Bezirksvereine mit fakultativem
Beitritt wählen,
regierungsbezirksweise, Delegierte, durch deren Zusammentritt innerhalb eines jeden Regierungsbezirks die 8 Ärztekammern
des
Königreichs gebildet werden. Diese treten alljährlich auf
Berufung des
Ministeriums am Sitz der
Regierung zu Beratungen
zusammen, denen ein Regierungskommissar ohne
Stimmrecht beiwohnt; sie wählen auch aus ihrer Mitte die 8 Abgeordneten
der Ärztekammern zum Obermedizinalausschuß, welche alljährlich einmal zu einer
Plenarsitzung desselben einzuberufen sind.
- In
Württemberg ist seit 1875 der in 8 Bezirksvereine (mit fakultativem
Beitritt) gegliederte ärztliche
Landesverein das
unterste
Glied
[* 19] in der
Organisation des ärztlichen
Standes. Diese Bezirksvereine wählen auf je 3 Jahre
einen oder zwei Delegierte, die den
Ausschuß des ärztlichen
Landesvereins bilden. Dieser nimmt auf offizielle
Berufung in der
Regel alljährlich an den bezüglichen
Verhandlungen im
Ministerium oder
Medizinalkollegium teil, kann aber auch aus eigner
Initiative
zu
Sitzungen zusammentreten.
Neben den genannten offiziellen Standesvertretungen haben sich im Lauf der Zeit aus freier Entschließung Vereine gebildet, welche in Ermangelung einer offiziellen Instanz dieselben Zwecke verfolgen wie die erwähnten:
1) das
Zentralorgan der ärztlichen
Vereine in
Rheinland,
Westfalen
[* 20] und
Lothringen, gegründet 1865;
2) der Niedersächsische Ärztevereinsbund, gestiftet 1875, 22 Vereine in Hannover, [* 21] Braunschweig und Bremen umfassend;
3) die Ärztekammer des Regierungsbezirks Wiesbaden, [* 22] gestiftet 1876;
4) der Allgemeine Mecklenburgische Ärzteverein, seit 1877 bestehend;
5) der Zentralausschuß der
Berliner
[* 23] ärztlichen
Bezirksvereine, konstituiert 1877. Als Vertretung der Gesamtheit der deutschen
Ärzte ist auf
Grund des Umstandes, daß demselben 184 deutsche Ärztevereine mit 8000 Mitgliedern angehören, anzusehen der
auf der
Naturforscherversammlung zu
Leipzig
[* 24] 1872 durch
Richter aus
Dresden
[* 25] gestiftete, zu
Wiesbaden 1873 definitiv instituierte
Deutsche
[* 26] Ärztevereinsbund. Demselben gehören an: alle badischen ärztlichen
Vereine (14), 23 von 25 sächsischen
Vereinen,
sämtliche 52 bayrische
Vereine, 6 von 8 württembergischen, 5 hessische
Vereine (darunter die beiden Provinzialvereine, welche
mit den 3 andern zweifellos sämtliche hessische Vereinsmitglieder umfassen), 66 preußische (von 100),
je die 2 in Elsaß,
Oldenburg,
Anhalt bestehenden
Vereine, der Allgemeine Mecklenburgische Ärzteverein, alle braunschweigischen
und
Thüringer
Vereine sowie die der drei
Freien Städte.
Zweck desselben ist: die zerstreuten ärztlichen
Vereine
Deutschlands
[* 27] zu gegenseitiger Anregung und gemeinsamer Bethätigung
auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und praktischen, auch sozialen Beziehungen des ärztlichen
Standes
zu vereinigen. Alljährlich findet durch Zusammentritt von Delegierten ein Ärztetag statt, deren bisher neun abgehalten
wurden. Die
Verhandlungen der bisherigen Ärztetage haben sich auf den verschiedenartigsten Gebieten bewegt und geben ein
getreues
Bild derjenigen
Materien, auf welche sich während des letzten Jahrzehnts die allgemeinen und
speziellen
Interessen des ärztlichen
Standes in
Deutschland konzentriert haben.