unsern Kapellen zu vergleichen. Vermutlich waren sie nur den Ortsheiligen geweiht und wurden deshalb zur Abhaltung größerer religiöser Feiern nicht verwendet.
Die Anlage ist sehr einfach. Um das Allerheiligste, welches als einzige Oeffnungen zwei Thüren hat, zieht sich ein Umgang, welcher von Pfeilern, die zugleich das Dach tragen, gebildet wird. Säulen finden sich nur an der Vorder- und Hinterseite. Die Ausmessungen sind gering und betragen in der Höhe etwa 6,50 m, in der Breite 9,50 m und in der Länge 12,50 m. Eine auffallende Abweichung von der Bauregel bildet die durchaus senkrechte Stellung der Außenwände; vermutlich sollte dadurch ein größeres Aussehen bewirkt werden. Die Hohlkehle und der Wulst sind wie bei allen Tempelbauten, nur zieht sich der letztere nicht auch an den Seitenkanten entlang.
Die Ausschmückung mit bildlichen Darstellungen und Hieroglyphen ist wie bei den vorigen Tempeln innen und außen sehr reich.
Grottentempel. Tempel von Abu Simbel. Eine dritte Art Tempel gehört wenigstens in ihrem Aeußern eigentlich dem Gebiete der Bildnerei an, da die baulichen Formen ganz zurücktreten hinter den bildnerischen Schmuck. Es sind dies die Grotten- oder Höhlentempel, welche besonders in Nubien zu finden sind. Auch hier führe ich nur einen Vertreter an, den großen Tempel von Abu Simbel, dessen Aeußeres auf S. 19 abgebildet ist. Hier wurde auf das «Bauen» ganz verzichtet und die Tempelräume in das Innere der Felsen verlegt. Es war dies wohl eine Vorsichtsmaßregel, um die leichte Zerstörung der Tempel durch die unterjochten Völker, in deren Gebiete sich die Tempel hauptsächlich finden, zu verhindern. Freistehende Gebäude waren dieser naturgemäß leichter ausgesetzt, während bei diesen Felsenkammern nur die leichter ersetzbare Ausschmückung in Gefahr stand. Die Anordnung der Räume ähnelt der in den freistehenden Tempeln, doch ist durch die Schwierigkeit der Arbeit im Gestein eine Beschränkung in der Zahl der Gemächer bedingt.
Das Aeußere des Tempels von Abu Simbel wird durch vier aus dem Stein gehauene Bildsäulen geschmückt. Diese messen 20 m in der Höhe. Im Innern des ersten Saales, welcher hier als Hauptsaal gelten muß, stützen acht riesige Osirisbilder die Decke.
Beispiele der Bildnerei. Die Entwicklung der ägyptischen Kunst war zur Zeit des alten Reiches eigentlich schon abgeschlossen. Die Formen, welche sich in dieser Zeit ausgebildet hatten, wurden zu Formeln, von welchen in der Folge nicht wesentlich abgewichen wurde. Die meisten unserer Beispiele sind deshalb aus dieser Zeit genommen, um wenigstens von dieser, als die der ersten und frischesten Blüte, ein möglichst anschauliches Bild zu geben.
Der Sphinx von Giseh. Das älteste uns bekannte Werk scheint der Sphinx von Giseh zu sein. Künstlerische Feinheit ist hier allerdings nicht zu finden, da der Hauptwert auf eine ernste und feierliche Wirkung durch Größe und Strenge der Form gelegt wurde. Die Höhe des Denkmales beträgt etwa 20 m, die Breite des Gesichtes von einer Wange zur andern 4,15 m.
Die Flachbilder. Die Feinheit, welche an derartigen Riesen-Denkmälern fehlen muß, finden wir dagegen in den Flachbildwerken dieser Zeit, wie z. B. auf drei Holzthüren
^[Abb.: Fig. 31. Kopf Thutmosis III.
Ueberlebensgroß aus Granit. Neues Reich, etwa 1500 v. Chr. London, Britisch. Museum. (Nach Photogr. von Mansell.)] ¶
aus einem Grabe des Hesi in Sakkarah, von welchen die eine auf S. 22 abgebildet ist. Die Linienführung und die Modellierung ist an Feinheit und Sicherheit nicht wieder übertroffen worden. Der ägyptische Flachbilderstil, wie er oben auf S. 23 näher geschildert wurde, zeigt sich hier schon vollständig ausgebildet. Ich setze, um die strenge Beibehaltung desselben zu zeigen, daneben ein Grabbild aus dem neuen Reiche, welches also mindestens 1½ Jahrtausend jünger ist! (Fig. 21).
Von der Strenge der Formen wurde jedoch auch gelegentlich abgewichen, so daß freiere, fast genrehafte Darstellungen, wie wir sie auch bei den Standbildern kennen lernen werden, nicht selten sind. Ich führe hier als Beispiel nur die nach dem Diktat schreibenden Sklaven aus dem Museum in Florenz an (Abb. Fig. 23).
Tierdarstellungen. Die Feinheit der Beobachtungsgabe der ägyptischen Künstler und das Streben nach möglichster Naturtreue, spricht auch aus den vielen uns erhaltenen Tierdarstellungen. Ein schönes Beispiel, welches besonders durch die Vielheit der dargestellten Tiere auffällt, besitzt das Berliner Museum aus der Opferkammer des Ma-Nofer (s. Fig. 22). Die Tafel schildert die Vorführung der für das Totenopfer bestimmten Tiere und läßt uns die Genauigkeit in der Wiedergabe mit nur wenigen Linien bewundern.
Die Standbilder. Starrheit und Vornehmheit scheinen, bei den Aegyptern untrennbar gewesen zu sein, deshalb sind sich die Standbilder der Großen in der steifen Haltung fast alle gleich. Je geringer der Dargestellte war, desto größere Freiheit durfte sich der Künstler erlauben, so daß wir die bewegtesten und anmutigsten Bildwerke in den Darstellungen der untersten Diener und der Handwerker, also der Leute aus dem Volke finden. Es hängt dieses auch damit zusammen, daß nur die Vornehmen wirkliche Standbilder (Ebenbilder in dem auf S. 20 geschilderten Sinne) erhielten. Die zahlreichen Diener-, Teigkneterbilder u. s. w. sind meist nur Grabbeigaben, dazu bestimmt, auf überirdische Weise den Bedürfnissen des Toten zu dienen.
Auf S. 21 wurde auseinandergesetzt, weshalb die Aegypter in ihren Standbildern nach höchster Naturwahrheit strebten, und daß der Kopf den höchsten Ausdruck des Lebendigen erhalten mußte. Bei den nachfolgenden Beispielen werden wir nun auch stets den Gesichtsausdruck am vollendetsten finden, während die Ausführung der Körperglieder nur eine mehr oder weniger andeutende ist.
Königsbilder. Die Büste des Königs (Fig. 24) gehörte zu einem jener bekannten Herrscherstandbilder, welche durch die Steifheit der Haltung und oft überlebensgroße Bildung schon äußerlich
^[Abb.: Fig. 32. Kopf eines Mannes
aus der Spätzeit. Grüner Basalt. Berliner Museum. (Nach Photogr. von Mertens.)]
^[Abb.: Fig. 33. Die Priesterin Tui.
Holzfigürchen aus dem neuen Reich. Paris, Louvre. (Nach Photographie von Braun & Clement, Paris.)] ¶
den Ausdruck der höchsten Majestät erhalten mußten. Die Gestalt saß auf einem Throne, die Hände ruhten auf den Knieen; der Kopf war erhoben, der Blick ist geradeaus in die Ferne gerichtet.
Kopf der Nefert. Beim Kopf der Prinzessin Nefert (von einem ähnlichen Standbilde) wurden, um den Ausdruck des Auges möglichst lebendig zu bekommen, die Augäpfel aus Quarz gebildet, die Augensterne, hinter welchen als Pupille ein Silberstift eingelassen war, aus Bergkrystall. Doch auch die Gesichtszüge verstand der Künstler so lebendig zu gestalten, daß uns der Kopf sofort als «Ebenbildnis» erscheint.
Der «Schreiber» des Louvre. Dasselbe gilt von dem Standbilde des Schreibers im Louvre. Im Gegensatz zu dem lieblicheren Frauenbilde haben wir hier das naturwahre Bild eines gespannt horchenden Mannes, dessen knochiges Gesicht wieder den vollen Schein des Lebens hat. Bei diesem ist auch die in der Ausführung des Körpers erstrebte möglichste Naturtreue zu beachten, besonders gut ist die rechte Hand ausgeführt; die Füße sind nachlässig und unrichtig gebildet. Die Augen wie beim vorigen Beispiele.
Der «Dorfschulze». Den Eindruck der vollsten «Porträtähnlichkeit» haben wir jedoch vom Kopfe des sogenannten Dorfschulzen, in welchem wir jedenfalls das beste Bildnis der ägyptischen Kunst besitzen. Die Körperhaltung ist hier freier, was auf einen geringeren Stand des Dargestellten schließen läßt; er war ein Oberaufseher, einer der «Frohnvögte», welcher die Arbeiter bei den Pyramidenbauten zu beaufsichtigen hatte. Auf den Namen «Dorfschulze» wurde er wegen seiner Aehnlichkeit mit dem Dorfoberhaupte der ihn ausgrabenden Fellachen von diesen getauft.
Der nackte Körper. Standbild des Renefer. Was die Aegypter in der Durchbildung des nackten männlichen
^[Abb.: Fig. 34. Tempelgerät (Wassereimer).
Aus Bronze mit Gravierungen und Flachbildschmuck. Spätzeit, etwa 700 v. Chr. Berliner Museum.]
^[Abb.: Fig. 35. Nilpferd
mit Sumpfblumen und -Tieren bemalt, aus dem mittleren Reich, 2200-1800 v. Chr. Grüner Thon. Berliner Museum. (Nach Photographie von Mertens.)] ¶