der Baufügung geben muß. Von den auch an Steinbauten regelmäßig wiederkehrenden Formen, welche deshalb zu den allgemeinen Kennzeichen ägyptischer Baukunst gehören, finden wir die Hohlkehle und den an den Hauptkanten sich hinziehenden Wulst. Die Wände stehen im Gegensatz zu den meisten Steinbauten senkrecht, wie es ja bei einem Holzbau naturgemäß ist, und sind in der Art des Fachwerkbaues gegliedert.
Damit sind die allgemeinen Formen der frühzeitigen Bauten erschöpft, und ich kann mich den folgenden Beispielen der höchst entwickelten Baukunst zuwenden.
Anordnung des Tempels. Einen guten Begriff von der Anordnung der Tempelbauten giebt einer der elf Tempel von Karnak, der «Chonstempel» daselbst (S. 16). Hier finden wir alles für den ägyptischen Tempel Bezeichnende in kleinen Verhältnissen, aber gerade deshalb sehr deutlich wieder. Durch den Thorbau a gelangt man in den Vorhof, welcher an den Seiten von gedeckten Säulengängen begrenzt ist. Ein paar Stufen führen in einen Säulensaal, welcher hier nur klein, bei dem großen Tempel von Karnak zu einem gewaltigen Raume wird. Das Licht fällt bei allen Tempelbauten von oben ein (s. das Bild auf S. 18).
Vom Säulensaal gelangt man in das Heiligtum, den eigentlichen Tempel, welcher wahrscheinlich nur den Priestern und Königen zugänglich war. In diesem ist das «Allerheiligste», die Cella zu suchen, C., um welches sich eine Anzahl Gemächer reihen, deren Bedeutung uns nicht bekannt ist. Den Abschluß nach hinten bildet wieder ein Säulensaal, welcher aber weit kleiner wie der Erstere ist und wahrscheinlich den Priestern als Versammlungsraum diente.
Die Tempel von Karnak. Die gleiche Anordnung, nur in gewaltigerem Maßstabe und mit reicheren Einzelheiten, finden wir bei dem großen Tempel von Karnak. Ich gebe auf S. 17 eine Abbildung des Grundrisses nach den Aufnahmen von Brune wieder und füge hier einige Zahlen bei, welche am besten zeigen, wie gewaltig die Ausmessungen dieser Bauwerke sind. Die Gesamtanlage von Karnak bedeckt einen Raum von 1400 m Länge und 560 m Breite. Auf diesem standen elf kleine und größere Tempel und zwar regellos, d. h. ohne bestimmte Ordnung nach einer Himmelsrichtung. Die einzelnen Tempel waren zum Teil durch gemeinsame Umfassungsmauern, zum Teil durch lange Sphinxalleen verbunden. - Der gewaltigste dieser Bauten ist der große oder Haupttempel, welcher uns hier näher beschäftigt. Die Gesamtlänge desselben beträgt 365 m, die größte Breite 113 m. Die Umfassungsmauer, welche allerdings noch mehrere kleinere Tempel einschließt, mißt etwa 2400 m. Nach Durchschreitung des ersten Thorbaues gelangt man, wie beim Chonstempel in den Vorhof mit einem aus zwölf Säulen gebildeten Mittelgange, welcher auf den zweiten Thorbau leitet. Durch denselben erreichte man den gewaltigen Hauptsaal (B und Abb. S. 18).
^[Abb.: Fig. 28. Der Priester Re-Nefer.
Standbild aus dem alten Reich. Bemalter Kalkstein. Museum zu Giseh.]
Seine Länge beträgt 102 m, die Breite mißt 51 m und die Höhe der von 134 Säulen getragenen Decke in der Mitte 23 m. Die Säulen des Mittelganges messen im Durchmesser 3,75 m bei einer Höhe von 21 m. Nun folgt das Heiligtum, hier aber vom Vortempel durch einen ungedeckten Zwischenraum völlig getrennt.
Wo das Allerheiligste zu suchen ist, ob in einem der Mittelräume vor C, den sogenannten «Granitgemächern», welcher dann als die Cella anzusehen wäre, oder im Hofe bei C läßt sich nicht mehr entscheiden. Ebenso unklar ist die Bedeutung der zahlreichen diese Kammern umgebenden Räume, welche zum Teil nur noch in ganz schwachen Spuren zu erkennen sind.
Wie beim Chonstempel, so schließt sich auch hier an das Heiligtum eine Säulenhalle D an mit 20 Säulen und, diese umschließend, 32 viereckigen Pfeilern.
Säulen und Pfeiler finden sich noch in den verschiedensten Gemächern und in dem ersten Raume von C, dem sogenannten Karyatiden-Hofe, (vielleicht als Vorraum zum Allerheiligsten zu betrachten,) rings an den Wänden Osirisstandbilder. Eine ähnlich großartige Anlage war die des Tempels zu Luksor, erbaut unter Armenophis III. ^[richtig: Amenophis III.] und Ramses II. Doch ist hier der Grundriß weniger verwickelt, zeigt aber eine eigenartige Abweichung insofern, als der Vorhof nicht rechtwinklig, sondern in Form eines etwas verschobenen Rechteckes gebaut ist, während die weiteren Räume ganz regelrecht stehen.
Der Tempel von Elephantine. Während die Tempel dieser Art, bei aller Einfachheit der Grundform, durch die Willkürlichkeit in der Ausführung des Einzelnen und durch die regellose Anhäufung von Gemächern im eigentlichen Tempel, rings um das vermutliche Allerheiligste, verwirren, zeichnen sich gewisse kleine Tempel in Oberägypten und Nubien durch vollkommene Klarheit und Einfachheit aus. Diese Tempel, deren bester Vertreter der leider in der Neuzeit zerstörte Tempel auf der Insel Elephantine ist (Fig. 17 u. 18) sind mit
^[Abb.: Fig. 29. Holzstandbild des Per-Her-Nofret.
Aus dem alten Reich. Berlin, Museum. (Nach Photographie von Mertens.)]
^[Abb.: Fig. 30. Eine Teigkneterin.
Bemalte Kalkstein-Figur aus dem alten Reich. Museum zu Florenz. (Nach Photographie von Alinari.)]
unsern Kapellen zu vergleichen. Vermutlich waren sie nur den Ortsheiligen geweiht und wurden deshalb zur Abhaltung größerer religiöser Feiern nicht verwendet.
Die Anlage ist sehr einfach. Um das Allerheiligste, welches als einzige Oeffnungen zwei Thüren hat, zieht sich ein Umgang, welcher von Pfeilern, die zugleich das Dach tragen, gebildet wird. Säulen finden sich nur an der Vorder- und Hinterseite. Die Ausmessungen sind gering und betragen in der Höhe etwa 6,50 m, in der Breite 9,50 m und in der Länge 12,50 m. Eine auffallende Abweichung von der Bauregel bildet die durchaus senkrechte Stellung der Außenwände; vermutlich sollte dadurch ein größeres Aussehen bewirkt werden. Die Hohlkehle und der Wulst sind wie bei allen Tempelbauten, nur zieht sich der letztere nicht auch an den Seitenkanten entlang.
Die Ausschmückung mit bildlichen Darstellungen und Hieroglyphen ist wie bei den vorigen Tempeln innen und außen sehr reich.
Grottentempel. Tempel von Abu Simbel. Eine dritte Art Tempel gehört wenigstens in ihrem Aeußern eigentlich dem Gebiete der Bildnerei an, da die baulichen Formen ganz zurücktreten hinter den bildnerischen Schmuck. Es sind dies die Grotten- oder Höhlentempel, welche besonders in Nubien zu finden sind. Auch hier führe ich nur einen Vertreter an, den großen Tempel von Abu Simbel, dessen Aeußeres auf S. 19 abgebildet ist. Hier wurde auf das «Bauen» ganz verzichtet und die Tempelräume in das Innere der Felsen verlegt. Es war dies wohl eine Vorsichtsmaßregel, um die leichte Zerstörung der Tempel durch die unterjochten Völker, in deren Gebiete sich die Tempel hauptsächlich finden, zu verhindern. Freistehende Gebäude waren dieser naturgemäß leichter ausgesetzt, während bei diesen Felsenkammern nur die leichter ersetzbare Ausschmückung in Gefahr stand. Die Anordnung der Räume ähnelt der in den freistehenden Tempeln, doch ist durch die Schwierigkeit der Arbeit im Gestein eine Beschränkung in der Zahl der Gemächer bedingt.
Das Aeußere des Tempels von Abu Simbel wird durch vier aus dem Stein gehauene Bildsäulen geschmückt. Diese messen 20 m in der Höhe. Im Innern des ersten Saales, welcher hier als Hauptsaal gelten muß, stützen acht riesige Osirisbilder die Decke.
Beispiele der Bildnerei. Die Entwicklung der ägyptischen Kunst war zur Zeit des alten Reiches eigentlich schon abgeschlossen. Die Formen, welche sich in dieser Zeit ausgebildet hatten, wurden zu Formeln, von welchen in der Folge nicht wesentlich abgewichen wurde. Die meisten unserer Beispiele sind deshalb aus dieser Zeit genommen, um wenigstens von dieser, als die der ersten und frischesten Blüte, ein möglichst anschauliches Bild zu geben.
Der Sphinx von Giseh. Das älteste uns bekannte Werk scheint der Sphinx von Giseh zu sein. Künstlerische Feinheit ist hier allerdings nicht zu finden, da der Hauptwert auf eine ernste und feierliche Wirkung durch Größe und Strenge der Form gelegt wurde. Die Höhe des Denkmales beträgt etwa 20 m, die Breite des Gesichtes von einer Wange zur andern 4,15 m.
Die Flachbilder. Die Feinheit, welche an derartigen Riesen-Denkmälern fehlen muß, finden wir dagegen in den Flachbildwerken dieser Zeit, wie z. B. auf drei Holzthüren
^[Abb.: Fig. 31. Kopf Thutmosis III.
Ueberlebensgroß aus Granit. Neues Reich, etwa 1500 v. Chr. London, Britisch. Museum. (Nach Photogr. von Mansell.)]
aus einem Grabe des Hesi in Sakkarah, von welchen die eine auf S. 22 abgebildet ist. Die Linienführung und die Modellierung ist an Feinheit und Sicherheit nicht wieder übertroffen worden. Der ägyptische Flachbilderstil, wie er oben auf S. 23 näher geschildert wurde, zeigt sich hier schon vollständig ausgebildet. Ich setze, um die strenge Beibehaltung desselben zu zeigen, daneben ein Grabbild aus dem neuen Reiche, welches also mindestens 1½ Jahrtausend jünger ist! (Fig. 21).
Von der Strenge der Formen wurde jedoch auch gelegentlich abgewichen, so daß freiere, fast genrehafte Darstellungen, wie wir sie auch bei den Standbildern kennen lernen werden, nicht selten sind. Ich führe hier als Beispiel nur die nach dem Diktat schreibenden Sklaven aus dem Museum in Florenz an (Abb. Fig. 23).
Tierdarstellungen. Die Feinheit der Beobachtungsgabe der ägyptischen Künstler und das Streben nach möglichster Naturtreue, spricht auch aus den vielen uns erhaltenen Tierdarstellungen. Ein schönes Beispiel, welches besonders durch die Vielheit der dargestellten Tiere auffällt, besitzt das Berliner Museum aus der Opferkammer des Ma-Nofer (s. Fig. 22). Die Tafel schildert die Vorführung der für das Totenopfer bestimmten Tiere und läßt uns die Genauigkeit in der Wiedergabe mit nur wenigen Linien bewundern.
Die Standbilder. Starrheit und Vornehmheit scheinen, bei den Aegyptern untrennbar gewesen zu sein, deshalb sind sich die Standbilder der Großen in der steifen Haltung fast alle gleich. Je geringer der Dargestellte war, desto größere Freiheit durfte sich der Künstler erlauben, so daß wir die bewegtesten und anmutigsten Bildwerke in den Darstellungen der untersten Diener und der Handwerker, also der Leute aus dem Volke finden. Es hängt dieses auch damit zusammen, daß nur die Vornehmen wirkliche Standbilder (Ebenbilder in dem auf S. 20 geschilderten Sinne) erhielten. Die zahlreichen Diener-, Teigkneterbilder u. s. w. sind meist nur Grabbeigaben, dazu bestimmt, auf überirdische Weise den Bedürfnissen des Toten zu dienen.
Auf S. 21 wurde auseinandergesetzt, weshalb die Aegypter in ihren Standbildern nach höchster Naturwahrheit strebten, und daß der Kopf den höchsten Ausdruck des Lebendigen erhalten mußte. Bei den nachfolgenden Beispielen werden wir nun auch stets den Gesichtsausdruck am vollendetsten finden, während die Ausführung der Körperglieder nur eine mehr oder weniger andeutende ist.
Königsbilder. Die Büste des Königs (Fig. 24) gehörte zu einem jener bekannten Herrscherstandbilder, welche durch die Steifheit der Haltung und oft überlebensgroße Bildung schon äußerlich
^[Abb.: Fig. 32. Kopf eines Mannes
aus der Spätzeit. Grüner Basalt. Berliner Museum. (Nach Photogr. von Mertens.)]
^[Abb.: Fig. 33. Die Priesterin Tui.
Holzfigürchen aus dem neuen Reich. Paris, Louvre. (Nach Photographie von Braun & Clement, Paris.)]
den Ausdruck der höchsten Majestät erhalten mußten. Die Gestalt saß auf einem Throne, die Hände ruhten auf den Knieen; der Kopf war erhoben, der Blick ist geradeaus in die Ferne gerichtet.
Kopf der Nefert. Beim Kopf der Prinzessin Nefert (von einem ähnlichen Standbilde) wurden, um den Ausdruck des Auges möglichst lebendig zu bekommen, die Augäpfel aus Quarz gebildet, die Augensterne, hinter welchen als Pupille ein Silberstift eingelassen war, aus Bergkrystall. Doch auch die Gesichtszüge verstand der Künstler so lebendig zu gestalten, daß uns der Kopf sofort als «Ebenbildnis» erscheint.
Der «Schreiber» des Louvre. Dasselbe gilt von dem Standbilde des Schreibers im Louvre. Im Gegensatz zu dem lieblicheren Frauenbilde haben wir hier das naturwahre Bild eines gespannt horchenden Mannes, dessen knochiges Gesicht wieder den vollen Schein des Lebens hat. Bei diesem ist auch die in der Ausführung des Körpers erstrebte möglichste Naturtreue zu beachten, besonders gut ist die rechte Hand ausgeführt; die Füße sind nachlässig und unrichtig gebildet. Die Augen wie beim vorigen Beispiele.
Der «Dorfschulze». Den Eindruck der vollsten «Porträtähnlichkeit» haben wir jedoch vom Kopfe des sogenannten Dorfschulzen, in welchem wir jedenfalls das beste Bildnis der ägyptischen Kunst besitzen. Die Körperhaltung ist hier freier, was auf einen geringeren Stand des Dargestellten schließen läßt; er war ein Oberaufseher, einer der «Frohnvögte», welcher die Arbeiter bei den Pyramidenbauten zu beaufsichtigen hatte. Auf den Namen «Dorfschulze» wurde er wegen seiner Aehnlichkeit mit dem Dorfoberhaupte der ihn ausgrabenden Fellachen von diesen getauft.
Der nackte Körper. Standbild des Renefer. Was die Aegypter in der Durchbildung des nackten männlichen
^[Abb.: Fig. 34. Tempelgerät (Wassereimer).
Aus Bronze mit Gravierungen und Flachbildschmuck. Spätzeit, etwa 700 v. Chr. Berliner Museum.]
^[Abb.: Fig. 35. Nilpferd
mit Sumpfblumen und -Tieren bemalt, aus dem mittleren Reich, 2200-1800 v. Chr. Grüner Thon. Berliner Museum. (Nach Photographie von Mertens.)]
Körpers erreichten, zeigt das Standbild des Renefer, eines Priesters der fünften Dynastie. Während der Oberkörper verhältnismäßig richtig erfaßt ist, und besonders Hände und Arme ein genügendes Studium erkennen lassen, sind die Beine nichts als zwei ziemlich plumpe Stützen, welchen auch nicht durch Vorschieben des linken Fußes größere Lebenswahrheit gegeben werden konnte. In der Bildung der unteren Gliedmaßen versagte die ägyptische Kunst völlig, doch nicht aus Unfähigkeit, sondern aus Mangel an Interesse an diesen für ihre Zwecke unwichtigen Teilen. Hier finden wir auch jene Stütze, welche in der allgemeinen Uebersicht (S. 22), erwähnt wurde, bis über Schulterhöhe als breite Platte ausgeführt. (Fig. 28.)
Neben diesen Werken darf sich auch das weniger bekannte Holzbildnis des Per-Her-Nofret im Berliner Museum (Fig. 29) wohl behaupten. An Leichtigkeit der Bewegung, welche sich nicht auf bloßes Vorstrecken des linken Fußes, sondern auch auf ein Vorschieben der Schulter erstreckt, übertrifft es die vorigen.
Als Beispiel der schon weiter oben erwähnten freieren Darstellungen aus dem niederen Volksleben gebe ich hier die Abbildung einer Teigkneterin. (Fig. 30.)
Werke der späteren Zeit. Im Laufe der Zeit trat im Kunstgefühl der Aegypter eine Verfeinerung ein, welche wieder hauptsächlich in der Ausarbeitung der Feinheiten im Gesichtsausdruck das höchste Ziel sah. Man wandte sich mehr und mehr von der strengen Naturtreue des alten Reiches ab und suchte die Aehnlichkeit mit einem Schönheits-Urbild zu verbinden. Dabei trat das Bestreben hervor, besonders die weiblichen Köpfe durch Betonung gewisser feiner Züge reizvoller zu gestalten. Die erlangte größere Arbeits-Geschicklichkeit versuchte sich in der Bearbeitung härterer Stoffe, wie z. B. beim Kopfe Thutmosis III. (Fig. 31), welcher überlebensgroß aus hartem Granit gearbeitet wurde.
Bis zu welcher Vollkommenheit die Künstler schließlich in der Behandlung der sprödesten Stoffe gelangten, zeigt ein Kopf aus grünem Basalt aus der Spätzeit im Berliner Museum (Fig. 32), welcher an Feinheit der Ausführung nicht zu übertreffen ist. Auch der künstlerische Wert ist ein sehr hoher und zeugt von einem schönen, aber nur kurzen Aufblühen der Kunst, welches den rasch eintretenden Untergang nicht aufhalten konnte.
Feiner, wenn auch nicht viel richtiger, wurden nun auch die übrigen Teile gebildet, wie wir es an einem kleinen Holzbilde der Priesterin Tui sehen (Fig. 33). Das leichte Gewand schmiegt sich eng den zarten Körperformen an. Die Feinheit des Gesichtes wird durch den Gegensatz mit der mächtigen Perücke gehoben.
Proben der Kleinkunst und des Kunstgewerbes. Dieses zierliche Holzfigürchen leitet uns in das Gebiet der Kleinkunst und des Kunstgewerbes. Es ist mir hier nicht möglich, aus dem reichen Schatze dieses Kunstzweiges mehr als bloße Proben zu geben, diese zeigen aber, daß das Kunstgefühl in das ganze Volk gedrungen war, so daß selbst die einfachsten Gegenstände zum mindesten schöne Formen haben mußten. Besonders feine und liebevolle Ausführung zeigen die Gegenstände des täglichen Gebrauches, welche dem Luxusbedürfnis dienten. Hiermit meine ich z. B. die zahlreichen Parfüm- und Salblöffelchen, die Schminkbüchsen u. s. w. Die Formen wurden dem Tier- und Pflanzenreiche entnommen und auch der menschliche Körper viel verwendet. Auf der Tafel «Kunstgewerbe des Altertums» und auf S. 34 - 36 sind einige solcher Gebrauchsgegenstände abgebildet. Auffallend ist bei diesen Beispielen, wie frei und lebenswahr die vorbildlichen Naturformen angewendet wurden.
^[Abb.: Fig. 36. Silbernes Götterfigürchen aus der Spätzeit.
Berliner Museum. (Nach Photographie von Mertens.)]
Die Pflanzen - auch hier vornehmlich Lotos - sind nicht so streng «stilisiert» und zeigen deshalb mehr natürliche Formen. Ebenso wird der Mensch weniger verrenkt und in weniger gemessenen Bewegungen und Verrichtungen dargestellt, als bei den Werken der Großkunst. Hauptsächlich sind es die Löffelchen, Schmink- und Salbbüchsen, deren sich die ägyptischen Männer und Frauen beim Färben ihrer Wangen, Lippen, Nägel u. s. w. sowie zum Aufbewahren der nötigen Essenzen bedienten, welche mit derartigen freieren Darstellungen geschmückt wurden. So ist Fig. 1 der Tafel - ein Löffel - ein schwimmendes junges Mädchen, welches in den ausgestreckten Armen eine Ente mit hohlem Körper hält. 2, ein Löffel, dessen Griff ein junges Mädchen mit aufgeschürztem Gewände, welches Lotos pflückt, bildet. 3, eine Musikantin in einem Nachen, die Löffelschale ist hierbei viereckig. Tierköpfe und Körper kommen häufiger als selbständige Darstellungen für religiöse Zwecke oder als Zierstücke an heiligen Geräten vor. So zeigt die Abbildung am Schluß dieses Abschnittes den sehr schön gearbeiteten Bronzekopf eines Steinbockes (aus dem Berliner Museum) von der Spitze einer Tempelbarke. (Fig. 37.)
Der Gottesdienst bedurfte der Kleinkunst natürlich auch sonst noch, und so finden wir nicht nur das Tempelgerät in schönen Formen und mit reichen Verzierungen, sondern auch viele kleine Götterfiguren und heilige Tiere aus Stein, Holz, Bronze, Steingut u. s. w., welche wohl als Weihgeschenke dargebracht wurden. Die Bilder auf S. 34 zeigen derartiges Tempelgerät, auf S. 35 eine kleine Bronzefigur und in Fig. 35 ein Nilpferd aus gebranntem und grün glasiertem Thon. Um die Umgebung des Tieres anzudeuten, ist es mit Sumpfpflanzen, kleinen Sumpfvögeln u. s. w. bemalt.
^[Abb.: Fig. 37.]