um 2500 erscheint die ägyptische Kunst in ihren wesentlichen Grundzügen ausgebildet, der eigentümliche «Stil» begründet. Nach einer Zeit des Verfalls (2500-2200) tritt im mittleren Reich die Blütezeit ein, der Stil wird völlig entwickelt und gilt für die spätere Zeit als «klassisch». Die Hyksos nahmen keinen Einfluß auf die Kulturentwicklung, unterdrückten sie weder, noch förderten sie dieselbe.
Im neuen
Reich gelangt Aegypten
zur Stellung einer Großmacht, welcher auch fremde Staaten zinspflichtig sind. Die einfließenden
Reichtümer gestatteten eine große Ausdehnung der Bauthätigkeit (besonders unter Ramses II., 1348-1281 v. Chr.)
und eine üppige Lebensweise der vornehmen Schichten; ein Fortschritt in den Künsten und eine weitere
besondere Stilentwicklung ist jedoch nicht zu bemerken, nur eine größere Verbreitung und ein Aufschwung des Kunstgewerbes
infolge gesteigerten Bedarfes.
Abermals trat ein Niedergang ein, bis nach Vertreibung der Assyrer unter den saitischen Herrschern eine zweite Blütezeit anbrach. Die Ansiedlung griechischer Söldner, mit deren Hilfe die assyrische Herrschaft gestürzt worden war, noch mehr aber die Niederlassung griechischer Kaufleute, denen die Hafenstadt Naukratis überlassen wurde, übten einen ungemein belebenden Einfluß. Der Handel hob den Wohlstand auf eine noch nicht erreichte Höhe und bedingte auch den Wiederaufschwung der Künste. Man griff dabei wieder auf die Formen des klassischen Stils, der guten Vorbilder aus der alten Zeit, zurück, wie überhaupt eine Nachahmung der letzteren Gepflogenheit wurde; es war also eine Art Wiedergeburt der altägyptischen Kunst unter dem Einflusse erweiterter Anschauungen, ohne daß jedoch eine Einwirkung griechischen Kunstgeistes maßgebend hervortritt. Die ägyptische Eigenart bleibt bewahrt.
Die persische Herrschaft machte allem ein Ende. Unter den makedonisch-griechischen Herrschern aus dem Geschlechte des Ptolemaeos Lagos wurde griechische Kultur auf allen Gebieten herrschend; das ägyptische Volkstum war altersschwach geworden und nicht mehr im stande, seine Eigenart zur Geltung zu bringen. Wohl entstanden noch unter den Ptolemäern Tempel, bei welchen der altägyptische Stil beibehalten wurde - aus Rücksicht auf die religiösen Anschauungen - aber sie zeigen eine völlige Entartung des Stiles, die am meisten in den Bildnereiwerken, weniger in den Bauformen selbst hervortritt. In allen weltlichen Dingen herrscht aber fortan der griechische Geist.
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Erläuterung der Abbildungen. Die Einfachheit der ägyptischen Bauformen ermöglicht es, mit wenigen Beispielen ein Bild derselben zu geben. Die allbekannte Form der Pyramide ist im Hintergrunde des Bildes auf S. 21 sichtbar, und die des Grabes der Vornehmen [Mastaba] auf S. 13 (Fig. 10). Da diese schon weiter oben ausführlich geschildert wurden, ist eine Erklärung der Bilder hier überflüssig. Dies gilt auch von den Felsengräbern, für welche ich ein Beispiel aus Beni-Hassan gebe. Hier sind besonders die Säulen zu beachten, welche noch deutlich den Ursprung aus der einfachsten Stützenform, dem vierseitigen Pfeiler, erkennen lassen. In dem Basaltsarkophage des Königs Menkere (Fig. 12) (wahrscheinlich vor 2600 v. Chr. entstanden) ist die Nachahmung eines Holzbaues zu erkennen, welcher, da die Holzbauten selbst infolge ihrer geringen Widerstandsfähigkeit gegen die Witterung u. s. w. und wegen der leichten Verwendbarkeit ihres Materials nicht auf uns gekommen sind, uns ein Bild
^[Abb.: Fig. 27. Der Dorfschulze.
Holzstandbild aus dem alten Reich. Der Körper war mit feiner Leinwand und einer bemalten Gipsschicht überzogen. Aus einem Grabe bei Sakkarah. Museum zu Giseh.] ¶
der Baufügung geben muß. Von den auch an Steinbauten regelmäßig wiederkehrenden Formen, welche deshalb zu den allgemeinen Kennzeichen ägyptischer Baukunst gehören, finden wir die Hohlkehle und den an den Hauptkanten sich hinziehenden Wulst. Die Wände stehen im Gegensatz zu den meisten Steinbauten senkrecht, wie es ja bei einem Holzbau naturgemäß ist, und sind in der Art des Fachwerkbaues gegliedert.
Damit sind die allgemeinen Formen der frühzeitigen Bauten erschöpft, und ich kann mich den folgenden Beispielen der höchst entwickelten Baukunst zuwenden.
Anordnung des Tempels. Einen guten Begriff von der Anordnung der Tempelbauten giebt einer der elf Tempel von Karnak, der «Chonstempel» daselbst (S. 16). Hier finden wir alles für den ägyptischen Tempel Bezeichnende in kleinen Verhältnissen, aber gerade deshalb sehr deutlich wieder. Durch den Thorbau a gelangt man in den Vorhof, welcher an den Seiten von gedeckten Säulengängen begrenzt ist. Ein paar Stufen führen in einen Säulensaal, welcher hier nur klein, bei dem großen Tempel von Karnak zu einem gewaltigen Raume wird. Das Licht fällt bei allen Tempelbauten von oben ein (s. das Bild auf S. 18).
Vom Säulensaal gelangt man in das Heiligtum, den eigentlichen Tempel, welcher wahrscheinlich nur den Priestern und Königen zugänglich war. In diesem ist das «Allerheiligste», die Cella zu suchen, C., um welches sich eine Anzahl Gemächer reihen, deren Bedeutung uns nicht bekannt ist. Den Abschluß nach hinten bildet wieder ein Säulensaal, welcher aber weit kleiner wie der Erstere ist und wahrscheinlich den Priestern als Versammlungsraum diente.
Die Tempel von Karnak. Die gleiche Anordnung, nur in gewaltigerem Maßstabe und mit reicheren Einzelheiten, finden wir bei dem großen Tempel von Karnak. Ich gebe auf S. 17 eine Abbildung des Grundrisses nach den Aufnahmen von Brune wieder und füge hier einige Zahlen bei, welche am besten zeigen, wie gewaltig die Ausmessungen dieser Bauwerke sind. Die Gesamtanlage von Karnak bedeckt einen Raum von 1400 m Länge und 560 m Breite. Auf diesem standen elf kleine und größere Tempel und zwar regellos, d. h. ohne bestimmte Ordnung nach einer Himmelsrichtung. Die einzelnen Tempel waren zum Teil durch gemeinsame Umfassungsmauern, zum Teil durch lange Sphinxalleen verbunden. - Der gewaltigste dieser Bauten ist der große oder Haupttempel, welcher uns hier näher beschäftigt. Die Gesamtlänge desselben beträgt 365 m, die größte Breite 113 m. Die Umfassungsmauer, welche allerdings noch mehrere kleinere Tempel einschließt, mißt etwa 2400 m. Nach Durchschreitung des ersten Thorbaues gelangt man, wie beim Chonstempel in den Vorhof mit einem aus zwölf Säulen gebildeten Mittelgange, welcher auf den zweiten Thorbau leitet. Durch denselben erreichte man den gewaltigen Hauptsaal (B und Abb. S. 18).
^[Abb.: Fig. 28. Der Priester Re-Nefer.
Standbild aus dem alten Reich. Bemalter Kalkstein. Museum zu Giseh.] ¶
Seine Länge beträgt 102 m, die Breite mißt 51 m und die Höhe der von 134 Säulen getragenen Decke in der Mitte 23 m. Die Säulen des Mittelganges messen im Durchmesser 3,75 m bei einer Höhe von 21 m. Nun folgt das Heiligtum, hier aber vom Vortempel durch einen ungedeckten Zwischenraum völlig getrennt.
Wo das Allerheiligste zu suchen ist, ob in einem der Mittelräume vor C, den sogenannten «Granitgemächern», welcher dann als die Cella anzusehen wäre, oder im Hofe bei C läßt sich nicht mehr entscheiden. Ebenso unklar ist die Bedeutung der zahlreichen diese Kammern umgebenden Räume, welche zum Teil nur noch in ganz schwachen Spuren zu erkennen sind.
Wie beim Chonstempel, so schließt sich auch hier an das Heiligtum eine Säulenhalle D an mit 20 Säulen und, diese umschließend, 32 viereckigen Pfeilern.
Säulen und Pfeiler finden sich noch in den verschiedensten Gemächern und in dem ersten Raume von C, dem sogenannten Karyatiden-Hofe, (vielleicht als Vorraum zum Allerheiligsten zu betrachten,) rings an den Wänden Osirisstandbilder. Eine ähnlich großartige Anlage war die des Tempels zu Luksor, erbaut unter Armenophis III. ^[richtig: Amenophis III.] und Ramses II. Doch ist hier der Grundriß weniger verwickelt, zeigt aber eine eigenartige Abweichung insofern, als der Vorhof nicht rechtwinklig, sondern in Form eines etwas verschobenen Rechteckes gebaut ist, während die weiteren Räume ganz regelrecht stehen.
Der Tempel von Elephantine. Während die Tempel dieser Art, bei aller Einfachheit der Grundform, durch die Willkürlichkeit
in der Ausführung des Einzelnen und durch die regellose Anhäufung von Gemächern im eigentlichen Tempel,
rings um das vermutliche Allerheiligste, verwirren, zeichnen sich gewisse kleine Tempel in Oberägypten
und Nubien durch
vollkommene Klarheit und Einfachheit aus. Diese Tempel, deren bester Vertreter der leider in der Neuzeit zerstörte Tempel
auf der Insel Elephantine ist (Fig. 17 u. 18) sind mit
^[Abb.: Fig. 29. Holzstandbild des Per-Her-Nofret.
Aus dem alten Reich. Berlin, Museum. (Nach Photographie von Mertens.)]
^[Abb.: Fig. 30. Eine Teigkneterin.
Bemalte Kalkstein-Figur aus dem alten Reich. Museum zu Florenz. (Nach Photographie von Alinari.)] ¶