Wahrheit" an. Diese erscheint auch in erstaunlicher Weise erreicht, was eine unausgesetzte Schulung voraussetzt. Der Grund hierfür ist ebenfalls in den religiösen Vorstellungen, oder besser gesagt, in jenen von der Fortdauer des Menschen nach dem Tode zu suchen. Bei den Gräbern habe ich schon erwähnt, daß in jedem derselben ein Standbild des Verstorbenen hinterlegt wurde, in welchem der «Ka» desselben wohnte oder fortlebte. Der Ka wurde als das vollkommen getreue Ebenbild des Menschen aufgefaßt, und folgerichtig mußte höchste Naturtreue auch dem Standbilde eigen sein. Alle Fertigkeit richtete sich daher auf diesen Punkt, und mit ihrer zähen Thatkraft gelangten die Aegypter wirklich zu einer Meisterschaft in dieser Hinsicht. Doch eben nur in dieser Richtung; und ohne weiteres er-
^[Der folgende Text ist unvollständig.]
vergeistigte Wiedergabe der menschlichen Form; es hätte dies ja geradezu dem Zweckgrunde
lt hatten, daß das innere Wesen des Menschen
auspräge, aber zum Verständnis der Bedeutung
Einzelnen offenbar nicht gelangt sind, so erklärt
lderen Körperformen bei ihrer Bildnerei weniger
ind übrigens die älteren Werke besser als die
schließlich über eine gewisse Stufe der Vervoll-
Entartung führt, so ging es auch hier.
Behandlung des Stoffes - zuerst wurde über
wurden Fortschritte gemacht, ebenso auch in der Genauigkeit der Linienführung und in der Anordnung der einzelnen Teile; dennoch wirken
^[Abb.: Fig. 19. Sphinx von Giseh. (Photographie.)]
die späteren Erzeugnisse (2200-1700 v. Chr.) - ich möchte sagen wegen eines Uebermaßes von Naturtreue, wobei auch unwichtige Einzelheiten stark betont wurden - in ihrer Gesamtheit nicht mehr so günstig. Auch macht sich bereits das Erbübel - die Befolgung überlieferter Ausdrucksformen - allmählich geltend, was namentlich bei solchen Bildwerken auftritt, für welche der Meister keine unmittelbare Vorlage hatte, also bei Götterbildern und anderen, nur zum Schmuck bestimmten Werken.
In der Folgezeit (1600-1000 v. Chr.) trat ein weiterer Verfall ein, gerade wegen der Zunahme solcher reinen Schmuckzwecken dienenden Bildnereiarbeiten, da die Künstler nicht mehr auf die Naturtreue des Menschenausdrucks das Hauptgewicht legten, sondern auf die Aeußerlichkeiten: die Gewandung und den Zierat.
So wertvoll nun diese Darstellungen für unsere kulturgeschichtlichen Kenntnisse sind, so bedeuten sie doch einen «künstlerischen» Rückschritt.
Verbindung der Standbilder mit den Bauwerken. Auf eine bezeichnende Erscheinung bei diesen Werken muß ich noch aufmerksam machen. Während die älteste Zeit vollständig freistehende Figuren kennt, erscheinen in der Folge die Standbilder fast durchwegs in engster Verbindung mit dem Bauwerk oder einem Baugliede, also entweder sozusagen an die Wand geklebt, oder an einen Pfeiler gelehnt. Es scheint später eine «Kunstregel» geworden zu sein, daß eine solche Verbindung, mindestens mit einer Pfeilerstütze, stattfinden müsse, denn sie findet sich, wenn auch in verkleinertem Maße und gewissermaßen andeutungsweise, auch bei Standbildern, die auf den ersten Blick als freistehend erscheinen.
Gebundenheit der Formen. Diese Abhängigkeit des Bildwerkes von den Bauteilen bedingte natürlich in erhöhtem Maße eine Starrheit und Gebundenheit der Körperformen, die nach baulichen Gesichtspunkten gebildet wurden. Wir sehen auch in den besten Freifiguren der Aegypter einen Mangel an Bewegung: der Körper wird entweder in voller Ruhestellung, höchstens mit zum Schritt gespreizten Beinen dargestellt;
immer erscheint die Gestalt, als wenn sie gewissermaßen im Augenblicke versteinert wäre. - Diese Art ist nun überhaupt aller älteren Kunst eigen;
der Fortschritt besteht
^[Abb.: Fig. 20. Holz-Flachbild von einer Scheinthür aus dem Grabe des Hesi in Sakkârah.
Etwa 3000 v. Chr. Museum zu Giseh.]
eben darin, daß die Künstler zum Ausdruck der Bewegung auch bei den Bildnereiwerken gelangen. Dazu kamen aber die Aegypter nicht; einerseits lag die Ursache schon in ihrer Eigenart, welche die «Ruhe» als das Höhere, Göttliche ansah - eine allgemein orientalische Auffassung -, andererseits in der vorhin betonten Abhängigkeit der Bildnerei von der Baukunst und deren Gesetzen.
Eine Befreiung aus diesen beiden Fesseln hätte zweifellos die ägyptische Bildnerei zu ähnlicher Höhe gelangen lassen, wie die griechische; denn Anlage dazu war vorhanden, sowohl Handfertigkeit wie ein großer Scharfblick für das Wesentliche und Bezeichnende in den natürlichen Erscheinungen.
Flachbildnerei (Reliefs). Der Letztere giebt sich noch mehr als in den Standbildern, in den halberhabenen Flachbildnereien (Reliefs) kund. Nach dem vorhin über das Verhältnis von Bildnerei zur Baukunst Gesagten wird es verständlich, daß die Flachbildnereiwerke in weit überwiegendem Maß vertreten sind. Die riesig ausgedehnten - baulich ungegliederten - Wandflächen der Tempel forderten geradezu einen solchen Schmuck. Ich möchte aber fast bezweifeln, ob diese Forderung auch wirklich die Veranlassung war, und nicht vielmehr der Grund darin zu suchen ist, daß die Aegypter bei ihrem ausgeprägten Sinn für Nützlichkeit die Wände für eine - wenn man so sagen darf - öffentliche Geschichtsschreibung und Berichterstattung verwerten wollten. Neben den Bildnereiwerken treten ja auch die Inschriften in gleicher Ausdehnung auf.
Bedeutung und Eigenart der Flachbildnerei. Diese Flachbildnereiwerke sind für die Kenntnis des ägyptischen Lebens und der Geschichte noch bedeutsamer, als alles andere, denn sie geben uns getreue Darstellungen des ersteren und von Ereignissen aus der letzteren. Nach meinem Grundsatze, vorerst das Gute anzuerkennen, will ich die unbestrittenen Vorzüge hervorheben. Dazu gehört wieder in erster Linie die Naturtreue, die sorgfältige Wiedergabe aller wesentlichen Einzelheiten und eine gewisse Lebendigkeit, die jedoch nicht künstlerischen Ursprungs ist, sondern eine notwendige Folge, da ja Bewegungsvorgänge dargestellt werden. Bei schärferem Zusehen findet man auch hier, daß der volle, freie Ausdruck der Bewegung nicht erreicht wird, sondern die Gestalten ebenfalls den Eindruck machen, als wären sie, wie im Dornröschen-Schlosse die Leute, im Augenblicke ihrer Thätigkeit verzaubert worden.
Dank dem ägyptischen Scharfblick für das Bezeichnende und der Genauigkeit in der Darstellung, können wir ein völlig zuverlässiges Bild von der körperlichen Erscheinung - dem Rassemäßigen - nicht nur der Aegypter sondern auch fremder Völker gewinnen.
^[Abb.: Fig. 21. Flachbild in Kalkstein aus dem Grabe des Cha-Em-Het.
Vorsteher der Scheunen unter Amenophis III. Um 1450 v. Chr. Berliner Museum.]
deren eigentümliche Züge getreu wiedergegeben werden. Selbstverständlich ist diese Treue hinsichtlich der anderen Aeußerlichkeiten, der Tracht und Bewaffnung.
Das Auge der ägyptischen Bildner blieb aber an diesen Aeußerlichkeiten haften. Wie bei den Standbildern fehlt auch den Gestalten der Flachbildnerei der Ausdruck der «persönlichen» Eigenart und des inneren Lebens. Ob nun eine Ackerarbeit, ein Tanz oder ein Kampf dargestellt wird, die Gestalten zeigen immer den gleichen Gesichtsausdruck. Nur die Geschlechter und Rassen werden unterschieden; nicht die einzelnen Persönlichkeiten.
Auch in der Flachbildnerei sind die älteren Werke freier und lebensvoller, als die späteren, bei denen für gewisse Vorgänge schon eine vorgeschriebene, überlieferte Form der Darstellung auftritt, was einer weiteren künstlerischen Entwicklung nur hinderlich wurde; eine vollkommene war schon deshalb unmöglich, weil den Aegyptern die Gesetze des Räumlichsehens (Perspektive) unbekannt blieben.
Besonderheiten der Darstellungsweise. Dieser Hauptmangel bedingte verschiedene bezeichnende Erscheinungen in den Flachbildwerken, sowie natürlich auch in der Malerei. Die auffälligste ist die sonderbare Verdrehung aller Körper, welche nicht in reiner Seitenansicht dargestellt sind. Die letztere wurde in der ältesten Zeit auch bevorzugt, und die Gestalten dieser Art machen auch den besten Eindruck, wie sich aus den hier gegebenen Proben ersehen läßt. Nun läßt sich aber nicht alles in reiner Seitenansicht geben, und da nahmen nun die Aegypter eine verwickelte Darstellungsweise an. Füße, Beine und in der Regel auch der Unterleib wurden in Seitenansicht, der Oberkörper und die Hände in Vorderansicht, der Kopf wieder seitlich, dagegen das Auge von vorne gezeichnet. Daß trotz dieser Verdrehung die Gestalten noch in verhältnismäßig so hohem Maße natürlich erscheinen, ist eigentlich bewundernswert.
Die Geschicklichkeit der Aegypter zeigt sich ferner in der Lösung der Aufgabe, die leichte durchsichtige Gewandung darzustellen, unter welcher die Körperformen hervortreten.
Bemerkenswert ist auch, daß die Darstellung von Tieren eine meist sehr gelungene ist; nicht nur sind die Arten scharf gekennzeichnet, auch die Bewegung ist natürlicher, und wenn freilich meist Seitenansicht gewählt ist, so sind doch manchmal Stellungen wiedergegeben, welche fast wie räumlich-gesehen erscheinen, wenigstens tritt die Verdrehung, wie bei den Menschenkörpern, nicht so auffällig hervor.
Minder glücklich ist die Wiedergabe der Pflanzengebilde, deren Gesamterscheinung ohne Kenntnis der Gesetze des Räumlichsehens freilich schwer darzustellen ist, und mußten sich die Aegypter daher auf die besonders bezeichnenden Einzelheiten (Blattformen) beschränken, die in flacher Seitenansicht gegeben werden konnten.
Eine weitere Folgeerscheinung des Unvermögens, räumlich zu sehen, ist es, wenn bei Darstellung von Vorgängen, an welchen Menschenmassen beteiligt sind, die Gestalten übereinander und zwar willkürlich - nicht im Verhältnis - verkleinert angeordnet werden.
Herstellungsweise der Flachbildwerke. Eigentümlich ist die Behandlungsart der ägyptischen Flachbildnerei. Die Werke, in welchen die Gestalten wirklich halberhaben herausgearbeitet sind, kommen verhältnismäßig selten vor; für die überwiegende Mehrzahl ist der Ausdruck «Flächebild» besonders zutreffend. Das Hervortreten der Figuren wird nämlich nur dadurch erzielt, daß rings um sie der Grund vertieft ist, so daß die Bildfläche mit der Wandfläche zusammenfällt - die Gestalten nicht aus letzterer heraustreten - und der Eindruck des Halberhabenen durch die umgebende Vertiefung in der Wandfläche hervorgerufen wird. (Die Griechen nannten diese Art Koilanoglyphe.)
Immerhin bleibt dieser Eindruck ein schwächlicher, und die volle Wirkung einer körperlichen Erscheinung wird nicht so erzielt, wie bei den halberhabenen Gebilden, die aus der Fläche herausragen. Bei den ägyptischen Werken wurde jedoch der Eindruck wesentlich verstärkt durch die Bemalung mit ungemein kräftigen Farben.
Malerei. Bemalung der Standbilder und Flachbildwerke. War die Bildnerei der Baukunst unterthänig, so erscheint die Malerei wieder im Dienste der ersteren. Schon die Standbilder wurden fast durchwegs bemalt; ausgenommen blieben nur solche, die ohnehin
aus farbigem Stein geformt waren (Rosengranit, grüner Serpentin u. s. w.). Bei den aus weißem Gestein (Kalk, Sandstein) und aus Holz gebildeten Figuren erschien die Farbe unerläßlich. Ob eine ausgesprochene Farbenfreudigkeit den Aegyptern eigen war, oder ob nur das Streben nach Naturtreue als Hauptgrund anzusehen ist, will ich unerörtert lassen; jedenfalls dürfte aber letzterer sehr bestimmend gewesen sein. Bei den ägyptischen Flachbildnereiwerken war die Farbe geradezu eine Notwendigkeit, da sonst die Darstellung zu wenig sichtbar gewesen wäre.
Eigentlich kann man hier von einer Malkunst in unserem Sinne nicht reden, derb ausgedrückt, ist es eine Anstreicherarbeit; rein handwerksmäßig. Die altägyptischen Maler genossen auch den Vorteil, daß sie sich nicht zu bemühen hatten, durch Schattengebung den räumlich-körperlichen Eindruck hervorzurufen, dies war durch den halberhabenen Untergrund besorgt. Die einzelnen Teile der Gestalten wurden gleichmäßig - ohne Abtönung - mit der jeweils entsprechenden Farbe überzogen, und eine gewisse Geschicklichkeit lag nur darin, daß die unter den durchsichtigen Gewändern sichtbaren Gliedmaßen auch in gedämpfter, schattenhafter Farbe wiedergegeben wurden, welche von der satten Kraft bei den unbedeckten Gliedern abstach.
Farben. Die Anzahl der verwendeten Farben war ziemlich groß, man kann deren etwa zwölf - einige meinen noch mehr - sicher unterscheiden. Es sind fast durchwegs Erdfarben, - Ockererde, Zinnober, Gyps, Kupfervitriol u. s. w.; für Schwarz Knochenkohle - welche mit Wasser, Eiweiß, Honig und Tragantgummi verrührt und mit Rohrstengeln oder Haarpinseln aufgetragen wurden.
^[Abb.: Fig. 22. Vorführung der Opfertiere.
Flachbild aus dem Grabe des Ma-Nofer. Altes Reich. Berliner Museum. (Nach Photographie von Mertens.)]
Wandgemälde. In der späteren Zeit - vielleicht schon nach 1500 v. Chr. -
kamen auch reine Wandmalereien - ohne halberhabenen Untergrund - aus, die jedoch sich von den anderen nicht unterscheiden. Die Ansicht, daß nur aus Ersparungsgründen auf die flachbildnerische Ausarbeitung des Untergrundes verzichtet wurde, ist wohl zutreffend. Es kam jedenfalls billiger, die Sache blos auf einen aus Nilschlamm bereiteten Bewurf aufzumalen. Daß die Malerei auf glatter Fläche eine Schattengebung erfordert, soll sie den Eindruck des Räumlichkörperlichen machen, wurde den Malern wohl nicht bewußt, sonst hätten sie sich mehr bemüht, diese Aufgabe zu lösen; so begnügten sie sich damit, bestenfalls durch eine schwarze Linie - welche der früheren Vertiefungslinie entsprach - den Umriß eines Teiles hervorzuheben.
Farbensinn. Anerkennenswert ist dagegen der Sinn für die Zusammenstimmung der Farben, welcher sich in den reinen Verzierungen (Ornamente) kundgiebt, deren Muster auch geschmackvoll in der Zeichnung sind. Diese Art Farbensinns ist aber fast bei allen orientalischen Völkern zu finden, und tritt namentlich in den Erzeugnissen der Weberei (Teppiche) zu Tage.
Griechischer Einfluß. Die stammeseigene ägyptische Malerei blieb in dem Banne der Bildnerei, und erst der griechische Einfluß unter der Ptolemäerherrschaft brachte einen Umschwung. Ich bin jedoch der Anschauung, daß die Werke aus dieser Zeit - nach 300 v. Chr. -
wenn auch auf ägyptischem Boden entstanden, nicht mehr der ägyptischen Kunst sondern der griechischen zuzurechnen sind, und sie sollen daher an anderer Stelle besprochen werden.
Gesichtsmasken, Tafelbilder. Hier mag nur folgendes erwähnt sein: Die ägyptische Bestattungsweise wurde auch von den Fremden, die sich dort ansiedelten, angenommen, und die Sitte, die Leichen als «Mumien» in Grabstätten beizusetzen, erhielt sich bis über 400 nach Chr. hinaus. Dagegen war später eine Wandlung insofern eingetreten, als die in der älteren Zeit üblichen Standbilder - an welche der «Ka» gebunden war - zunächst durch bildnerisch geformte Gesichtsmasken und endlich durch bloße auf Holztäfelchen gemalte Bildnisse ersetzt wurden.
Da, wie schon erwähnt, der religiöse Grund - die Vorstellung vom «Ka» - größte Naturtreue bedingte, so steht zweifellos das Aufkommen der Tafelbilder im engsten Zusammenhang mit der Einführung der vorgeschrittenen griechischen Malweise, die auf ägyptischem Boden dann, entsprechend der gestellten Aufgabe, nach der naturalistischen Richtung hin sich ausbildete. Diese an den Mumien gefundenen Gesichtsbildnisse sind demnach als Zeugnisse für die Entwicklung griechischer Kunstweise unter dem Einflüsse ägyptischer Anschauungen zu betrachten. In den Wüstenstädten, wohin die griechischen Meister mit ihrer Kunst wohl seltener kamen, erhielt sich die Verwendung von bemalten
^[Abb.: Fig. 23. Nach Diktat schreibende Sklaven.
Kalkstein-Flachbild im Museum zu Florenz.]
Gesichtsmasken auch in der vorgenannten Zeit, zu welcher im Nilthale die Tafelbildnisse wohl allgemein gebräuchlich waren.
Aegyptische Kleinkunst, Kunstgewerbe. Wollte man die ägyptische Kunst nur nach den Bauwerken, der Bildnerei und Malerei beurteilen, so würde sie - bei aller Anerkennung der hochentwickelten Arbeitsfertigkeit - im Sinne der «reinen Kunst» allerdings nicht sehr hoch einzuschätzen sein. Günstiger gestaltet sich aber das Urteil, wenn man die ägyptischen Leistungen in der Kleinkunst oder dem Kunstgewerbe in Betracht zieht. Auf diesem Gebiete kommt auch der Gesichtspunkt des «Schönen» zur Geltung, zeigt sich eine reiche Erfindungsgabe und ein fein gebildeter Geschmack. (S. d. Tafel «Kunstgewerbe d. Altertums».) Wenn ich hervorhob, daß die Aegypter nicht dazu gelangten, die Bauformen lebendig und frei zu entwickeln, die Gestaltungsmöglichkeit des Baustoffes zu verwerten, so daß auch ihr Steinbau an den Grundformen des Holzbaues festhielt; wenn sie in der Bildnerei in dem einseitigen Streben nach Naturtreue befangen blieben und in der Malerei über das bloße Bemalen nicht hinauskamen, so bekunden sie in der Kleinkunst eine entschieden höhere Begabung. Ich sehe die Erklärung darin, daß auf diesem Felde die Künstler eine größere Freiheit besaßen, nicht durch strenge, unantastbare Vorschriften, entsprechend den überlieferten Anschauungen in Religion und Sitte, gebunden waren, und wohl auch den Einwirkungen fremder Muster nachgeben konnten.
Bei ihrer außerordentlichen Arbeitsfertigkeit war es ihnen leicht, aller Schwierigkeiten, die im Stoffe lagen, Herr zu werden; wichtiger und anerkennenswerther ist, daß sie in der Kleinkunst auch aus der Natur des Stoffes und dessen Behandlungsweise heraus entsprechende Formen entwickeln lernten. Es lassen sich auch die Fortschritte deutlich verfolgen.
Formen in der Kleinkunst. Zunächst scheint auch die Kleinkunst durch das Bauwesen beeinflußt, indem bauliche Formen - Säulen, Tempelwände u. dgl. -
verwertet, auch die Verzierungen nach Vorbildern aus der Baukunst gestaltet wurden. Daneben wurde die Nachbildung von Naturformen - Tieren und Pflanzen - mit Fleiß und Geschick geübt und in der naturtreuen Wiedergabe eine große Vollendung erzielt. Dann entwickelt sich aber auch die freie selbständige, über bloße Nachahmung hinausgehende Gestaltung von Formen, welche vom Künstler erfunden wurden, der Bestimmung des Gegenstandes entsprechen und dabei gefallsam sind, indem bei der Gliederung und Anordnung der einzelnen Teile nicht nach den einfachen mathematischen Gesetzen, sondern nach jenen höheren des Zusammenstimmens verfahren wird.
Vorbedingungen des Kunstschaffens. Aegypten hatte in seiner natürlichen Fruchtbarkeit und seiner dichten arbeitsamen Bevölkerung die Bedingungen für die Entwicklung großen Reichthums und damit auch behaglicher Lebensführung, welche freilich auf den
^[Abb.: Fig. 24. Brustbild eines Königs.
Aus dem alten Reich, etwa 2600 v. Chr. Museum zu Florenz. (Nach Photographie.)]
^[Abb.: Fig. 25. Kopf der Prinzessin Nefert. Von einem Kalksteinstandbild des alten Reiches. Museum zu Giseh.]
kleineren Kreis der vornehmen Volksklassen beschränkt blieb, während die große Masse in mühseligem Frohndienst ihr Dasein fristete. Die schroffen gesellschaftlichen Gegensätze behindern jedoch niemals die Entfaltung der Kunst und des Kunstgewerbes, im Gegenteil fördern sie meist dieselbe, weil eben durch die Anhäufung der Reichtümer in den Händen einer kleinen Anzahl Menschen diese in den Stand gesetzt werden, ihr Leben schmuckhaft zu gestalten. Schließlich wirkt eine von den Vornehmen gepflegte Kunst auch auf die tieferen Schichten insofern ein, als auch deren Gebrauchsgegenstände eine bessere und feinere Form erhalten, als dort, wo jede Anregung fehlt, wie es bei den Israeliten der Fall war. Eine gesellschaftliche Gleichmäßigkeit wird nur dann gedeihlich für die Kunst, wenn sie auf allgemeiner Wohlhabenheit beruht.
Vervollkommnung der Fertigkeiten. Die häuslichen Geräte der vornehmen Aegypter, die uns erhalten blieben, bezeugen noch mehr als die Schmucksachen, daß sie verfeinerten Lebensgewohnheiten huldigten. Jene sind nicht immer aus kostbaren Stoffen gearbeitet, auf den rohe Völker den Hauptwert legen, sondern man sieht, daß die geschmackvolle Arbeit geschätzt wurde. Die Handwerker, welche durch das Bedürfnis ihrer vornehmen Kunden veranlaßt wurden, die Arbeitsfertigkeit und Formengeschick auszubilden, lieferten dann auch für die einfacheren Volksschichten eine Ware von besserer Ausstattung; das erhellt aus den Gefäßen, die man in den Massengräbern fand.
Da auch der ärmere Aegypter irgend ein Zaubermittel - Amulet - zu besitzen und seinen verstorbenen Angehörigen ein Kleinod ins Grab mitzugeben bestrebt blieb, so war der Bedarf an Gegenständen der Kleinkunst ziemlich erheblich. Man darf sich daher nicht wundern über die Reichhaltigkeit von Funden solcher Art. Alle brauchbaren Stoffe wurden mit gleicher Fertigkeit behandelt, Holz, Metall, Stein, Elfenbein; in der Töpferei, Leinwand- und Teppichweberei waren die Aegypter Meister. Stricken und Sticken verstanden sie so gut, wie eine deutsche Frau von heute. Kurzweg kann man sagen: in der Handfertigkeit hatten die Aegypter eine Vervollkommnung erreicht, die auch heute nicht übertroffen wird.
Die «Stile» der verschiedenen Zeiträume. Ich will nun noch in Kürze über den allgemeinen Entwicklungsgang der ganzen ägyptischen Kunst - man pflegt gewöhnlich von «Stilen» zu sprechen - einiges zum Schlusse bemerken. Im «alten Reiche» u. z. schon
^[Abb.: Fig. 26. Der Schreiber.
Bemaltes Kalksteinstandbild aus dem alten Reich. Paris, Louvre. (Nach Photographie von Braun & Clement, Paris.)]
um 2500 erscheint die ägyptische Kunst in ihren wesentlichen Grundzügen ausgebildet, der eigentümliche «Stil» begründet. Nach einer Zeit des Verfalls (2500-2200) tritt im mittleren Reich die Blütezeit ein, der Stil wird völlig entwickelt und gilt für die spätere Zeit als «klassisch». Die Hyksos nahmen keinen Einfluß auf die Kulturentwicklung, unterdrückten sie weder, noch förderten sie dieselbe.
Im neuen Reich gelangt Aegypten zur Stellung einer Großmacht, welcher auch fremde Staaten zinspflichtig sind. Die einfließenden Reichtümer gestatteten eine große Ausdehnung der Bauthätigkeit (besonders unter Ramses II., 1348-1281 v. Chr.) und eine üppige Lebensweise der vornehmen Schichten; ein Fortschritt in den Künsten und eine weitere besondere Stilentwicklung ist jedoch nicht zu bemerken, nur eine größere Verbreitung und ein Aufschwung des Kunstgewerbes infolge gesteigerten Bedarfes.
Abermals trat ein Niedergang ein, bis nach Vertreibung der Assyrer unter den saitischen Herrschern eine zweite Blütezeit anbrach. Die Ansiedlung griechischer Söldner, mit deren Hilfe die assyrische Herrschaft gestürzt worden war, noch mehr aber die Niederlassung griechischer Kaufleute, denen die Hafenstadt Naukratis überlassen wurde, übten einen ungemein belebenden Einfluß. Der Handel hob den Wohlstand auf eine noch nicht erreichte Höhe und bedingte auch den Wiederaufschwung der Künste. Man griff dabei wieder auf die Formen des klassischen Stils, der guten Vorbilder aus der alten Zeit, zurück, wie überhaupt eine Nachahmung der letzteren Gepflogenheit wurde; es war also eine Art Wiedergeburt der altägyptischen Kunst unter dem Einflusse erweiterter Anschauungen, ohne daß jedoch eine Einwirkung griechischen Kunstgeistes maßgebend hervortritt. Die ägyptische Eigenart bleibt bewahrt.
Die persische Herrschaft machte allem ein Ende. Unter den makedonisch-griechischen Herrschern aus dem Geschlechte des Ptolemaeos Lagos wurde griechische Kultur auf allen Gebieten herrschend; das ägyptische Volkstum war altersschwach geworden und nicht mehr im stande, seine Eigenart zur Geltung zu bringen. Wohl entstanden noch unter den Ptolemäern Tempel, bei welchen der altägyptische Stil beibehalten wurde - aus Rücksicht auf die religiösen Anschauungen - aber sie zeigen eine völlige Entartung des Stiles, die am meisten in den Bildnereiwerken, weniger in den Bauformen selbst hervortritt. In allen weltlichen Dingen herrscht aber fortan der griechische Geist.
***
Erläuterung der Abbildungen. Die Einfachheit der ägyptischen Bauformen ermöglicht es, mit wenigen Beispielen ein Bild derselben zu geben. Die allbekannte Form der Pyramide ist im Hintergrunde des Bildes auf S. 21 sichtbar, und die des Grabes der Vornehmen [Mastaba] auf S. 13 (Fig. 10). Da diese schon weiter oben ausführlich geschildert wurden, ist eine Erklärung der Bilder hier überflüssig. Dies gilt auch von den Felsengräbern, für welche ich ein Beispiel aus Beni-Hassan gebe. Hier sind besonders die Säulen zu beachten, welche noch deutlich den Ursprung aus der einfachsten Stützenform, dem vierseitigen Pfeiler, erkennen lassen. In dem Basaltsarkophage des Königs Menkere (Fig. 12) (wahrscheinlich vor 2600 v. Chr. entstanden) ist die Nachahmung eines Holzbaues zu erkennen, welcher, da die Holzbauten selbst infolge ihrer geringen Widerstandsfähigkeit gegen die Witterung u. s. w. und wegen der leichten Verwendbarkeit ihres Materials nicht auf uns gekommen sind, uns ein Bild
^[Abb.: Fig. 27. Der Dorfschulze.
Holzstandbild aus dem alten Reich. Der Körper war mit feiner Leinwand und einer bemalten Gipsschicht überzogen. Aus einem Grabe bei Sakkarah. Museum zu Giseh.]
der Baufügung geben muß. Von den auch an Steinbauten regelmäßig wiederkehrenden Formen, welche deshalb zu den allgemeinen Kennzeichen ägyptischer Baukunst gehören, finden wir die Hohlkehle und den an den Hauptkanten sich hinziehenden Wulst. Die Wände stehen im Gegensatz zu den meisten Steinbauten senkrecht, wie es ja bei einem Holzbau naturgemäß ist, und sind in der Art des Fachwerkbaues gegliedert.
Damit sind die allgemeinen Formen der frühzeitigen Bauten erschöpft, und ich kann mich den folgenden Beispielen der höchst entwickelten Baukunst zuwenden.
Anordnung des Tempels. Einen guten Begriff von der Anordnung der Tempelbauten giebt einer der elf Tempel von Karnak, der «Chonstempel» daselbst (S. 16). Hier finden wir alles für den ägyptischen Tempel Bezeichnende in kleinen Verhältnissen, aber gerade deshalb sehr deutlich wieder. Durch den Thorbau a gelangt man in den Vorhof, welcher an den Seiten von gedeckten Säulengängen begrenzt ist. Ein paar Stufen führen in einen Säulensaal, welcher hier nur klein, bei dem großen Tempel von Karnak zu einem gewaltigen Raume wird. Das Licht fällt bei allen Tempelbauten von oben ein (s. das Bild auf S. 18).
Vom Säulensaal gelangt man in das Heiligtum, den eigentlichen Tempel, welcher wahrscheinlich nur den Priestern und Königen zugänglich war. In diesem ist das «Allerheiligste», die Cella zu suchen, C., um welches sich eine Anzahl Gemächer reihen, deren Bedeutung uns nicht bekannt ist. Den Abschluß nach hinten bildet wieder ein Säulensaal, welcher aber weit kleiner wie der Erstere ist und wahrscheinlich den Priestern als Versammlungsraum diente.
Die Tempel von Karnak. Die gleiche Anordnung, nur in gewaltigerem Maßstabe und mit reicheren Einzelheiten, finden wir bei dem großen Tempel von Karnak. Ich gebe auf S. 17 eine Abbildung des Grundrisses nach den Aufnahmen von Brune wieder und füge hier einige Zahlen bei, welche am besten zeigen, wie gewaltig die Ausmessungen dieser Bauwerke sind. Die Gesamtanlage von Karnak bedeckt einen Raum von 1400 m Länge und 560 m Breite. Auf diesem standen elf kleine und größere Tempel und zwar regellos, d. h. ohne bestimmte Ordnung nach einer Himmelsrichtung. Die einzelnen Tempel waren zum Teil durch gemeinsame Umfassungsmauern, zum Teil durch lange Sphinxalleen verbunden. - Der gewaltigste dieser Bauten ist der große oder Haupttempel, welcher uns hier näher beschäftigt. Die Gesamtlänge desselben beträgt 365 m, die größte Breite 113 m. Die Umfassungsmauer, welche allerdings noch mehrere kleinere Tempel einschließt, mißt etwa 2400 m. Nach Durchschreitung des ersten Thorbaues gelangt man, wie beim Chonstempel in den Vorhof mit einem aus zwölf Säulen gebildeten Mittelgange, welcher auf den zweiten Thorbau leitet. Durch denselben erreichte man den gewaltigen Hauptsaal (B und Abb. S. 18).
^[Abb.: Fig. 28. Der Priester Re-Nefer.
Standbild aus dem alten Reich. Bemalter Kalkstein. Museum zu Giseh.]
Seine Länge beträgt 102 m, die Breite mißt 51 m und die Höhe der von 134 Säulen getragenen Decke in der Mitte 23 m. Die Säulen des Mittelganges messen im Durchmesser 3,75 m bei einer Höhe von 21 m. Nun folgt das Heiligtum, hier aber vom Vortempel durch einen ungedeckten Zwischenraum völlig getrennt.
Wo das Allerheiligste zu suchen ist, ob in einem der Mittelräume vor C, den sogenannten «Granitgemächern», welcher dann als die Cella anzusehen wäre, oder im Hofe bei C läßt sich nicht mehr entscheiden. Ebenso unklar ist die Bedeutung der zahlreichen diese Kammern umgebenden Räume, welche zum Teil nur noch in ganz schwachen Spuren zu erkennen sind.
Wie beim Chonstempel, so schließt sich auch hier an das Heiligtum eine Säulenhalle D an mit 20 Säulen und, diese umschließend, 32 viereckigen Pfeilern.
Säulen und Pfeiler finden sich noch in den verschiedensten Gemächern und in dem ersten Raume von C, dem sogenannten Karyatiden-Hofe, (vielleicht als Vorraum zum Allerheiligsten zu betrachten,) rings an den Wänden Osirisstandbilder. Eine ähnlich großartige Anlage war die des Tempels zu Luksor, erbaut unter Armenophis III. ^[richtig: Amenophis III.] und Ramses II. Doch ist hier der Grundriß weniger verwickelt, zeigt aber eine eigenartige Abweichung insofern, als der Vorhof nicht rechtwinklig, sondern in Form eines etwas verschobenen Rechteckes gebaut ist, während die weiteren Räume ganz regelrecht stehen.
Der Tempel von Elephantine. Während die Tempel dieser Art, bei aller Einfachheit der Grundform, durch die Willkürlichkeit in der Ausführung des Einzelnen und durch die regellose Anhäufung von Gemächern im eigentlichen Tempel, rings um das vermutliche Allerheiligste, verwirren, zeichnen sich gewisse kleine Tempel in Oberägypten und Nubien durch vollkommene Klarheit und Einfachheit aus. Diese Tempel, deren bester Vertreter der leider in der Neuzeit zerstörte Tempel auf der Insel Elephantine ist (Fig. 17 u. 18) sind mit
^[Abb.: Fig. 29. Holzstandbild des Per-Her-Nofret.
Aus dem alten Reich. Berlin, Museum. (Nach Photographie von Mertens.)]
^[Abb.: Fig. 30. Eine Teigkneterin.
Bemalte Kalkstein-Figur aus dem alten Reich. Museum zu Florenz. (Nach Photographie von Alinari.)]
unsern Kapellen zu vergleichen. Vermutlich waren sie nur den Ortsheiligen geweiht und wurden deshalb zur Abhaltung größerer religiöser Feiern nicht verwendet.
Die Anlage ist sehr einfach. Um das Allerheiligste, welches als einzige Oeffnungen zwei Thüren hat, zieht sich ein Umgang, welcher von Pfeilern, die zugleich das Dach tragen, gebildet wird. Säulen finden sich nur an der Vorder- und Hinterseite. Die Ausmessungen sind gering und betragen in der Höhe etwa 6,50 m, in der Breite 9,50 m und in der Länge 12,50 m. Eine auffallende Abweichung von der Bauregel bildet die durchaus senkrechte Stellung der Außenwände; vermutlich sollte dadurch ein größeres Aussehen bewirkt werden. Die Hohlkehle und der Wulst sind wie bei allen Tempelbauten, nur zieht sich der letztere nicht auch an den Seitenkanten entlang.
Die Ausschmückung mit bildlichen Darstellungen und Hieroglyphen ist wie bei den vorigen Tempeln innen und außen sehr reich.
Grottentempel. Tempel von Abu Simbel. Eine dritte Art Tempel gehört wenigstens in ihrem Aeußern eigentlich dem Gebiete der Bildnerei an, da die baulichen Formen ganz zurücktreten hinter den bildnerischen Schmuck. Es sind dies die Grotten- oder Höhlentempel, welche besonders in Nubien zu finden sind. Auch hier führe ich nur einen Vertreter an, den großen Tempel von Abu Simbel, dessen Aeußeres auf S. 19 abgebildet ist. Hier wurde auf das «Bauen» ganz verzichtet und die Tempelräume in das Innere der Felsen verlegt. Es war dies wohl eine Vorsichtsmaßregel, um die leichte Zerstörung der Tempel durch die unterjochten Völker, in deren Gebiete sich die Tempel hauptsächlich finden, zu verhindern. Freistehende Gebäude waren dieser naturgemäß leichter ausgesetzt, während bei diesen Felsenkammern nur die leichter ersetzbare Ausschmückung in Gefahr stand. Die Anordnung der Räume ähnelt der in den freistehenden Tempeln, doch ist durch die Schwierigkeit der Arbeit im Gestein eine Beschränkung in der Zahl der Gemächer bedingt.
Das Aeußere des Tempels von Abu Simbel wird durch vier aus dem Stein gehauene Bildsäulen geschmückt. Diese messen 20 m in der Höhe. Im Innern des ersten Saales, welcher hier als Hauptsaal gelten muß, stützen acht riesige Osirisbilder die Decke.
Beispiele der Bildnerei. Die Entwicklung der ägyptischen Kunst war zur Zeit des alten Reiches eigentlich schon abgeschlossen. Die Formen, welche sich in dieser Zeit ausgebildet hatten, wurden zu Formeln, von welchen in der Folge nicht wesentlich abgewichen wurde. Die meisten unserer Beispiele sind deshalb aus dieser Zeit genommen, um wenigstens von dieser, als die der ersten und frischesten Blüte, ein möglichst anschauliches Bild zu geben.
Der Sphinx von Giseh. Das älteste uns bekannte Werk scheint der Sphinx von Giseh zu sein. Künstlerische Feinheit ist hier allerdings nicht zu finden, da der Hauptwert auf eine ernste und feierliche Wirkung durch Größe und Strenge der Form gelegt wurde. Die Höhe des Denkmales beträgt etwa 20 m, die Breite des Gesichtes von einer Wange zur andern 4,15 m.
Die Flachbilder. Die Feinheit, welche an derartigen Riesen-Denkmälern fehlen muß, finden wir dagegen in den Flachbildwerken dieser Zeit, wie z. B. auf drei Holzthüren
^[Abb.: Fig. 31. Kopf Thutmosis III.
Ueberlebensgroß aus Granit. Neues Reich, etwa 1500 v. Chr. London, Britisch. Museum. (Nach Photogr. von Mansell.)]
aus einem Grabe des Hesi in Sakkarah, von welchen die eine auf S. 22 abgebildet ist. Die Linienführung und die Modellierung ist an Feinheit und Sicherheit nicht wieder übertroffen worden. Der ägyptische Flachbilderstil, wie er oben auf S. 23 näher geschildert wurde, zeigt sich hier schon vollständig ausgebildet. Ich setze, um die strenge Beibehaltung desselben zu zeigen, daneben ein Grabbild aus dem neuen Reiche, welches also mindestens 1½ Jahrtausend jünger ist! (Fig. 21).
Von der Strenge der Formen wurde jedoch auch gelegentlich abgewichen, so daß freiere, fast genrehafte Darstellungen, wie wir sie auch bei den Standbildern kennen lernen werden, nicht selten sind. Ich führe hier als Beispiel nur die nach dem Diktat schreibenden Sklaven aus dem Museum in Florenz an (Abb. Fig. 23).
Tierdarstellungen. Die Feinheit der Beobachtungsgabe der ägyptischen Künstler und das Streben nach möglichster Naturtreue, spricht auch aus den vielen uns erhaltenen Tierdarstellungen. Ein schönes Beispiel, welches besonders durch die Vielheit der dargestellten Tiere auffällt, besitzt das Berliner Museum aus der Opferkammer des Ma-Nofer (s. Fig. 22). Die Tafel schildert die Vorführung der für das Totenopfer bestimmten Tiere und läßt uns die Genauigkeit in der Wiedergabe mit nur wenigen Linien bewundern.
Die Standbilder. Starrheit und Vornehmheit scheinen, bei den Aegyptern untrennbar gewesen zu sein, deshalb sind sich die Standbilder der Großen in der steifen Haltung fast alle gleich. Je geringer der Dargestellte war, desto größere Freiheit durfte sich der Künstler erlauben, so daß wir die bewegtesten und anmutigsten Bildwerke in den Darstellungen der untersten Diener und der Handwerker, also der Leute aus dem Volke finden. Es hängt dieses auch damit zusammen, daß nur die Vornehmen wirkliche Standbilder (Ebenbilder in dem auf S. 20 geschilderten Sinne) erhielten. Die zahlreichen Diener-, Teigkneterbilder u. s. w. sind meist nur Grabbeigaben, dazu bestimmt, auf überirdische Weise den Bedürfnissen des Toten zu dienen.
Auf S. 21 wurde auseinandergesetzt, weshalb die Aegypter in ihren Standbildern nach höchster Naturwahrheit strebten, und daß der Kopf den höchsten Ausdruck des Lebendigen erhalten mußte. Bei den nachfolgenden Beispielen werden wir nun auch stets den Gesichtsausdruck am vollendetsten finden, während die Ausführung der Körperglieder nur eine mehr oder weniger andeutende ist.
Königsbilder. Die Büste des Königs (Fig. 24) gehörte zu einem jener bekannten Herrscherstandbilder, welche durch die Steifheit der Haltung und oft überlebensgroße Bildung schon äußerlich
^[Abb.: Fig. 32. Kopf eines Mannes
aus der Spätzeit. Grüner Basalt. Berliner Museum. (Nach Photogr. von Mertens.)]
^[Abb.: Fig. 33. Die Priesterin Tui.
Holzfigürchen aus dem neuen Reich. Paris, Louvre. (Nach Photographie von Braun & Clement, Paris.)]