Das Sphinx-Steinbild (Fig. 19) wurde aus einer vorhandenen Felsmasse ausgemeißelt, es hat 20 m Höhe und etwa 45 m Länge. Die Pyramiden sind Königsgräber; sie enthalten daher in ihrem Innern Kammern, zu welchen enge geneigte Gänge führen. Die Sicherung dieser Kammern und Gänge gegen den Druck der auflagernden Massen war eine schwierige Aufgabe und ihre sinnreiche Lösung - Verstemmung der riesigen Steinbalken und Anordnung von Hohlräumen, durch Ueberkragung der Schichten gebildet - zeugt von der damals erreichten Fertigkeit.
Gräber (Mastaba). Die Spitz-Pyramide war den Königen vorbehalten, die Gräber der Vornehmen hatten die Form von rechteckigen (nicht quadratischen) Pyramidenstümpfen und wurden rings um die Königsgräber angelegt. Sie hießen Mastaba (= Bank) und waren oft von bedeutender Größe (1000 m²). Die Mastaba enthält drei Räume: den mit Bildern und Inschriften geschmückten Vorraum (Kapelle), in welchem das Totenopfer gebracht wurde;
einen schmalen verschlossenen Raum - Serdab (= Keller) - für das Standbild, und eine unterirdische Kammer für den Steinsarg, in welchem der Leichnam (Mumie) lag.
Letztere Kammer war durch 20-30 m tiefe Schächte mit der Mastaba verbunden. Bisweilen fehlt der Vorraum, andererseits sind manchmal mehrere Nischen für Standbilder vorhanden. Der Baustoff bei den ältesten Gräbern waren Ziegel, später wurde die Verwendung behauener Steine allgemeiner.
Felsengräber. Neben den Grabbauten finden sich die Felsengräber, die aus den natürlichen Felsen ausgemeißelt wurden. Diese Art kam nach 2500 v. Chr. immer mehr auf, und seit 1800 v. Chr. wurden auch die Könige ausschließlich in Felsgrüften beigesetzt. Das Felsengrab enthielt gleichfalls eine Kapelle als Vorraum und eine Nische für das Standbild. Die Königsgrüfte bestanden aus einer Reihe von Gängen und Sälen, von welchen der letzte den Sarg enthielt.
Daß die Gräber eine solche, bedeutende Rolle in der Bauthätigkeit der Aegypter spielen, hängt mit dem Glauben an das Fortleben auch nach dem Tode zusammen. Die wahrscheinlich älteste Vorstellung war, daß dem Toten durch die Opfergaben ein weiteres Dasein gesichert werde; später dürfte sich dann die Annahme ausgebildet haben, der Mensch bestehe aus Körper, Seele und einem dritten Wesen, Ka genannt, welches nach dem Tode seine Wohnung in dem Standbilde des Verstorbenen nehme, und dessen Erhaltung nicht nur die wirklichen, sondern auch die an den Grabwänden abgebildeten Opfergaben - infolge geheimnisvoller Kräfte - ermöglichen.
Tempel-Bauten. In die Zeit der Pyramiden-Bauten und Felsgräber fällt aber auch schon die Errichtung von Tempeln, welche von etwa 2100 v. Chr. an einen gewaltigen Aufschwung nahm. Die ältesten Tempel bestanden aus einem Vorraum und dem Allerheiligsten, einem viereckigen lichtlosen Raum, in welchem das Heiligtum (aus bemaltem Holze) sowie das Standbild der Gottheit oder ihres heiligen Tieres aufbewahrt wurde. Nur die Priester und Könige hatten hier Zutritt. Schon frühzeitig schlossen sich aber an diesen Hauptteil verschiedene Kammern zur Aufbewahrung von Opfergeräten und sonstigen dem Tempel gewidmeten Gegenständen an. Weiterhin wurde die Tempelanlage immer mehr
^[Abb.: Fig. 13. Chonstempel zu Karnak. (Nach Perrot und Chipiez.)
Längsschnitt (schräg gestrichelt) und Querschnitt (schwarz). Als Beispiel einer kleineren Tempelanlage.] ¶
erweitert durch den Anbau von großen Sälen für Priester und Volk, von Säulengängen, die einen Vorhof einschlossen, dessen Eingang durch gewaltige Türme - Pylone - gekennzeichnet wurde. Der ganze Tempelbezirk wurde mit einer Umfassungsmauer eingefriedet. Innerhalb derselben, teilweise auch außerhalb, wurden noch Standbilder, Obelisken und ganze Reihen von Sphinxen aufgestellt.
Tempel von Karnak. Auf diese Weise entwickelten sich aus alten einfachen Tempeln durch Zu- und Vor-Bauten großartige Anlagen. Das hervorragendste Beispiel dieser Art ist der große Tempel von Karnak (s. Fig. 14 u. 15), den König Usertesen I. um 2100 v. Chr. gegründet hatte, und der seit 1600 v. Chr. von den Königen immer mehr vergrößert und verschönert wurde. Wiederholt wurden die Arbeiten daran unterbrochen, auch die griechischen Herrscher, die Ptolemäer, setzten sie noch fort, ohne daß sie zu einem völligen Abschluß gelangten, da 27 v. Chr. ein Erdbeben einen Teil des Riesenbaues zerstörte.
Tempel der späteren Zeit. Die Tempel der späteren Zeit - insbesondere um 1350-1250 v. Chr. -
wurden natürlich gleich von Anbeginn an in großer Ausdehnung und prunkvoller Gestaltung angelegt. Die grundsätzliche Anordnung der Tempelbauten wurde nicht nur in der letzten Glanzzeit des selbständigen Aegypterreiches (600 bis 525 v. Chr.), sondern auch unter den griechischen Herrschern (seit 300 v. Chr.) beibehalten, so daß man mit Recht sagen kann, die ägyptische Baukunst hat ihre Eigenart durch mehr als 2000 Jahre unverändert erhalten. Ihre volle Entwicklung zeigt sich schon vor 1200 v. Chr.; von da ab sind keine besonderen Fortschritte mehr zu beobachten.
Weltliche Bauten. Es erscheint selbstverständlich, daß neben den religiösen Bauten auch weltliche - namentlich
Königspaläste - errichtet wurden, die an Großartigkeit jenen nicht nachstanden. Daß von diesen weltlichen Bauten verhältnismäßig
weniger erhalten blieb, erklärt sich daraus, daß die Fremden, welche seit 525 v. Chr.
Aegypten
beherrschten, - Perser, Makedonier bezw. Griechen und Römer - zwar die Religion und somit auch die Heiligtümer
der Aegypter unangetastet ließen, ja selbst letztere
^[Abb.: Fig. 14. Grundriß des großen Tempels von Karnak.
a Thorbauten, A Vorhof, B Säulensaal, C die eigentlichen Tempelräume, D Anbau.] ¶
schufen, aber hinsichtlich der weltlichen Bauten nicht die gleiche Rücksicht übten, sondern diese den Bedürfnissen und Anschauungen der neuen Zeiten anpaßten.
Eigenart der ägyptischen Baukunst. Was nun die Einzelheiten der ägyptischen Baukunst anbelangt, so muß ich mich darauf beschränken, auf einige der hauptsächlichsten Eigenheiten aufmerksam zu machen.
Erwähnt habe ich bereits, daß der ältere Baustoff Ziegel, der spätere der behauene Stein war. Vorher hatten aber die Aegypter den Holz-Bau geübt; dies geht deutlich aus den Felsengräbern hervor. Auf den Thürpfosten lagert ein runder Steinbalken, welcher die Form des Baumstamms ausgeprägt zeigt, auch die Decken erscheinen aus solchen Balken gebildet, und in der Verzierung der Wände tritt die Nachbildung von Lattengittern auf. Zu einer freien selbständigen Behandlung des Steins, wie wir sie besonders in der mittelalterlichen Baukunst sehen werden, sind die Aegypter nicht gelangt.
Rundformen - Wölbungen und Kuppeln - blieben ihnen fremd, zähe hielten sie am Viereck fest. Bei ihrer vollendeten Arbeitsfertigkeit hätten sie in dieser Hinsicht wohl auch Fortschritte machen können, wenn eben nicht der Beharrungszug, das Festhalten an dem Ueberlieferten in dem Volksgeiste vorherrschend gewesen wäre. In den Tempelanlagen sehen wir ferner auch den Grundsatz der Regelmäßigkeit als maßgebend. Das ganze Bauwerk wird aus wesentlich gleichartigen Teilen durch einfache Aneinanderreihung zusammengesetzt, eine Gliederung nach höheren Gesichtspunkten, eine mehr den Gesetzen der lebendigen freien Entwicklung und des innerlichen Zusammenhanges, als blos den mathematischen folgende Anordnung findet nicht statt. Die Großartigkeit der Bauten liegt immer nur in dem Maße und in der Bezwingung von Schwierigkeiten, nicht in dem Ausdruck eines künstlerischen Gedankens. Die Sphinxe und Obelisken wurden paarweise aufgestellt, obwohl gerade letztere dadurch an künstlerischer Wirkung einbüßen.
Obelisken. Säulen. Die in der That bedeutsame Obeliskform ist eine der besten Schöpfungen ägyptischer Kunst; dagegen gelangt sie in der Behandlung der Säule zu keiner höheren Vollendung. Die Säule entwickelt sich aus dem vierkantigen Pfeiler, der in den ältesten Felsengräbern noch ausschließlich als Deckenstütze in größeren Räumen zur Anwendung gelangt. Schon hier findet sich der verbindende Auflageträger (Architrav) u. z. in vierkantiger oder Rundbalkenform. Der Pfeiler ruht noch unmittelbar auf dem
^[Abb.: Fig. 15. Der Säulensaal des großen Tempels von Karnak.
(Nach einer Zeichnung von Chipiez)] ¶