Adel
,
im staatsrechtlichen
Sinne ein
Stand, der Ehren- und andere
Rechte vor den übrigen
Staatsbürgern
derart besitzt, daß diese
Vorrechte eine besondere
Klasse der
Ausgezeichneten begründen. Beruht eine derartige polit. und
sociale Auszeichnung auf Verleihung an die
Person, so ist sie Individual- oder persönlicher Adel;
beruht sie dagegen auf
Geburt,
so ist sie
Geburts- oder
Erbadel. Letzterer wird vorzugsweise mit Adel
bezeichnet. Die Bedeutung eines erblichen
Adel
beruht auf der Geschichte.
Ein gleichsam traditionelles Anrecht gewisser Familien auf die Häuptlingschaft finden wir schon in der Geschichte der alten
Germanen und selbst noch ziemlich weit hinein in die Geschichte des
Deutschen
Reichs in thatsächlicher Geltung und Wirksamkeit.
«Reges
ex nobilitate sumunt» («sie nehmen ihre Könige mit
Rücksicht auf den Adel
des Geschlechts») sagt
Tacitus von den alten
Germanen. In der Zeit von
Heinrich I. an bis zum großen
Interregnum galt es als Regel, den Nachfolger des deutschen Königs aus dem
Kreise
[* 2] seiner
Söhne oder nächsten Verwandten
zu nehmen, und zwar so, daß noch bei Lebzeiten des Königs von ihm der, den er zum Nachfolger würdig
erachtete, bezeichnet, von den
Großen und dem
Volke bestätigt wurde; erst wenn kein
Glied
[* 3] der Familie der Erwartung einer
ausgezeichneten Tüchtigkeit entsprach, wurde von der ganzen Dynastie ab- und zu einer andern übergegangen.
Von dieser Art von der in einem traditionellen Anspruch auf höhere Schätzung bestand, der die allgemeine Gleichheit aller Freien nicht aufhob, ist wesentlich verschieden der spätere, aus dem Feudalwesen hervorgegangene, der sich mehr oder weniger über fast alle Staaten des modernen Europa [* 4] verbreitete. Der «Dienst des Königs» war das einzige und höchste Streben aller durch körperliche oder geistige Tüchtigkeit hervorragenden Männer geworden. Je näher der Person des Königs, desto edler und ausgezeichneter dünkte sich ein jeder.
Wer nicht unmittelbar dem Könige dienen konnte, der suchte Dienstmann eines königl. Dienstmannes zu werden. Der Leibeigene sah sich über den Freien, der Römer [* 5] oder Gallier über den Genossen des herrschenden Stammes, den Franken, der Güterlose über den auf eigenem Gute Seßhaften gestellt, wenn der König ihm eine Stelle um seine Person oder im Dienste [* 6] des Reichs verlieh. Zunächst war dadurch nur ein persönlicher Dienstadel begründet, der jedoch durch die Verbindung von Amt und verliehenem Grundbesitz in einen Erbadel überging.
Die Könige verliehen den durch Eroberung erworbenen Grundbesitz zunächst den Heerführern, welche damit ihren ererbten Allodialbesitz verbanden, und den Besitz mit dem Amt, z. B. der Grafenwürde, erblich zu machen wußten. Noch leichter gelang die Vererbung den Ministerialen und Rittern mit dem Besitztum, welches ihnen die Lehnsmannen des Königs, die Herzöge, Markgrafen, Grafen, verliehen, weil mit diesen Lehen ursprünglich keinerlei öffentliches Amt, vielmehr nur Verpflichtung zur Kriegsfolge verbunden war.
Die
Besitzer reichsunmittelbarer, d. h. solcher
Güter, die nicht von einem Lehnsherrn zweiter Ordnung abhingen und die zugleich
gewisse Hoheitsrechte (als
Ausfluß
[* 7] des ursprünglichen
Reichsamtes, dessen Zubehör sie waren) mit sich führten, wurden in
Deutschland
[* 8] zu dem hohen oder
Reichsadel, die
Besitzer von
Gütern der andern Art dagegen zur Ritterschaft, in dem spätern Sprachgebrauch
zum niedern Adel
gerechnet. Der hohe Adel, zu welchem die geistlichen und weltlichen Würdenträger und
Beamten des
Reichs, die
Erzbischöfe,
Bischöfe,
Herzöge, Markgrafen, Pfalzgrafen, Landgrafen und
Grafen gehörten, übte im Bereiche
seiner Besitzungen mehr oder weniger vollständige landesherrliche oder Regierungsrechte aus; die Inhaber von Reichsämtern,
die
Herzöge, Markgrafen, Landgrafen, Pfalzgrafen,
Grafen, sowie die Erzbischöfe und
Bischöfe hatten auch das
Recht der Reichsstandschaft
oder das
Stimmrecht auf den
Reichstagen.
Nicht so die bloßen Reichsfreiherren ohne hohe Gerichtsbarkeit oder Reichsritter, die nicht zum eigentlichen
hohen Adel
gerechnet wurden, obgleich sie sich von dem landsässigen Adel durch ihre Reichsunmittelbarkeit
sowie durch gewisse, den Herrschaftsrechten der eigentlichen Reichsstände (Landesherren) mehr oder weniger nahekommende
Vorrechte unterschieden, daher eine Art von Mittelstellung zwischen diesem und jenem einnahmen. Der größte
Teil der Reichsunmittelbaren
wurde 1803 und 1806 «mediatisiert», d. h.
der Landeshoheit eines benachbarten Landesherrn unterworfen, behielt jedoch den Rang und die
Vorrechte von Mitgliedern des
hohen Adel
, soweit er solche besessen, insbesondere auch, was die eigentlichen Reichsstände betrifft, das
Recht der Ebenbürtigkeit
(s. d.) mit den regierenden Familien.
Die Privilegien des hohen Adel
beruhen, soweit sie nicht beseitigt sind, materiell auf der
Deutschen
Bundesakte
Art. 14. Die
Titel
Graf,
Freiherr kamen von Haus aus nur den Reichsunmittelbaren zu (es gab nur Reichsgrafen, Reichsfreiherren)
und konnten nur vom
Kaiser oder von den Reichsvikarien verliehen werden, jedoch haben die Kurfürsten von
Brandenburg
[* 9] seit 1663 Standeserhebungen
selbständig vorgenommen. Seit dem Aufhören des
Reichs aber ward dieses
Recht von den Landesherren geübt.
-
Vgl. Maurer, über das Wesen des ältesten der deutschen Stämme (Münch. 1846);
Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte (Lpz. 1894).
Auch in
Frankreich gab es bis zur Revolution von 1789 einen hohen und einen niedern Adel
, beide wie in
Deutschland aus dem
Lehnswesen entstanden.
Jener umfaßte die sog. pairs du royaume, die aber seit den Kapetingern keine landesherrlichen
Rechte mehr besaßen. Später wurden sie auch aus den amtlichen
Stellungen verdrängt, aus dem obersten Gerichtshofe durch
rechtsgelehrte
Richter, aus dem
Hohen
Rat
(le grand conseil) durch die beharrliche
Tendenz des franz. Königtums
nach unumschränkter Gewalt, so daß zuletzt in
Frankreich schon
vor der Revolution hoher und niederer Adel
sich kaum noch durch
etwas anderes als durch gewisse äußere Auszeichnungen unterschied. Ein sehr zahlreiches und angesehenes Kontingent zum
niedern Adel
¶
mehr
stellte in Frankreich vor der Revolution die sog. noblesse de la robe, d. h. die Mitglieder der hohen Gerichtshöfe oder Parlamente.
Nach England kam das feudale Adelswesen schon vollständig ausgebildet mit der normann. Eroberung 1066. Wilhelm der Eroberer teilte das ganze Land in eine Menge von Kriegslehen und vergab diese, in größerer oder geringerer Anzahl, an die Führer seines Heers, die ihrerseits wieder damit ihr Gefolge belehnten. So entstand auch hier ein hoher und ein niederer Adel, die «Barone des Reichs» und die «Ritter der Grafschaften».
In Schweden [* 11] und Dänemark, [* 12] wo das german. Element unvermischt erhalten blieb, giebt es keinen hohen in Norwegen überhaupt keinen Adel. Dagegen findet sich in Spanien [* 13] ein hoher Adel, die Granden, und ein niederer, die Hidalgos. Auch in Italien [* 14] bestehen beide Klassen, ebenso in den slaw. Ländern Böhmen, [* 15] Polen (s. Schlachtschitz) und in Ungarn. [* 16] Über den russ. Adel s. Russischer Adel.
Überall und namentlich in den Ländern romano-german. Staatswesens, wo sich der Lehnsstaat am stärksten entwickelte, ist der Adel aus den zwei Faktoren entstanden: aus großem Grundbesitz und aus berufsmäßiger Waffenfähigkeit und Kriegsbereitschaft. Denn auch die hohen Staatsämter der großen Reichsbeamten hatten anfangs einen vorwiegend militär. Charakter: die Herzöge und Markgrafen waren die Führer der großen Heereskörper, unter denen wieder die einfachen Grafen kleinere Abteilungen befehligten.
Daher fand auch die Belehnung der Herzöge mit der Fahne, dem Symbol der Heeresgewalt, statt, und diese großen Lehen hießen dann fürstl. Fahnenlehen. Später ward dem Adel freigegeben, auch andere Berufsarten zu wählen, sogar solche, welche vordem als entschieden unadlig gegolten hatten, z. B. den Großhandel. Auf dieser Grundlage bewegte sich der, daneben allerdings auch in der Regel grundbesitzende, städtische Adel oder das sog. Patriciat, wobei es freilich vorkam, daß der ausschließlich ritterlicher Lebensweise treu gebliebene Landadel diese seine ehemaligen Standesgenossen als Abgefallene und der wahren Berufsehre verlustig Gegangene von seinen Turnieren ausschloß. Eine andere Folge dieser Erweiterung des Adelsbegriffs war das Aufkommen eines Brief- oder Papieradels, d. h. die Verleihung von Adelstiteln durch den Landesherrn ohne gleichzeitige Belehnung mit einem rittermäßigen Gute oder ohne den vorausgehenden Besitz eines solchen.
Die staatliche und sociale Stellung des Adel hat sich in den verschiedenen Ländern sehr verschiedenartig herausgebildet. In England ließ die starke Königsgewalt und ein lebenskräftiges Volkstum den Adel keine beherrschende Stellung als Sonderstand gewinnen. Dagegen fand sich der Adel bald durch das allzu scharfe und zum Teil in Willkür ausartende Regiment der Könige zu einer Opposition gegen dieses veranlaßt, bei welcher er aber, um Erfolge zu erzielen, der Unterstützung auch der übrigen Volksklassen, insbesondere der früh zu Wohlstand gelangten größern Städte, nicht entbehren konnte.
Daher der in England keine Freiheiten für sich erkämpfte, ohne solche zu gemeinsamen für die ganze Nation zu machen. Wenn aber doch einmal der Adel dieser Politik der Klugheit untreu ward, so benutzte das Königtum die Gelegenheit, durch Zugeständnisse im allgemeinen Volksinteresse die andern Klassen sich zu verbinden und so ein bedenklichem Übergewicht des Adel zu verhüten. So ist es gekommen, daß in England der Adel kein schroff von den andern Klassen gesonderter Einzelstand geworden, vielmehr ein organischer, mit allen übrigen eng verwachsener Teil des Gesamtnationalkörpers geblieben ist.
Der niedere Adel ist schon früh mit dem Bürgertum fast gänzlich verschmolzen, namentlich durch die gemeinsame Anteilnahme an der polit. Vertretung des Landes im Unterhause, wohin schon 1265 nächst zwei Rittern aus jeder Grafschaft auch zwei Bürger aus einer Anzahl von Flecken berufen wurden. Der hohe Adel, die Nobility, hat ein wichtiges polit. Vorrecht, nämlich daß die Häupter seiner Geschlechter geborene Mitglieder des Oberhauses, des höchsten Gerichtshofes des Reichs und einer der großen gesetzgebenden Gewalten sind, daß dieselben in solcher Eigenschaft, als Peers of England, nur von ihresgleichen, den im Oberhause vereinigten Peers, gerichtet werden können, und daß sie gewisse äußere Auszeichnungen je nach ihrem Range, als Herzoge, Marquis, Earls, Viscounts oder einfache Barons oder Lords, genießen. In allem andern ist auch die Nobility dem für alle gleichen «gemeinen Recht» unterworfen.
Sie übt keine Gutsherrlichkeit und eigene Polizeigewalt, besitzt weder Steuerfreiheit noch sonstige Befreiungen oder Bevorrechtungen. Die agrarischen Privilegien des Adel, als Inhabers des großen Grundbesitzes, welche in den Festlandstaaten so drückend auf dem kleinen Grundbesitz lasteten, wie Frone und andere Herrenrechte, sind in England schon sehr früh und ohne heftige Kämpfe, ja so unvermerkt, daß die Geschichtschreiber kaum anzugeben wissen, wann und wie, verschwunden.
Von Bedeutung ist auch, daß der hohe Adel Englands sich in Bezug auf das Familienrecht durchaus nicht so streng von dem Bürgerstande abscheidet, wie es auf dem Festlande der Fall ist. Nicht allein die Mitglieder der hohen Aristokratie, Herzoge, Marquis, Earls u. s. w., sondern selbst königl. Prinzen haben sich unbedenklich mit Töchtern des Bürgerstandes vermählt. Jakob II., der letzte Stuart, heiratete die Tochter des Kanzlers Hyde (spätern Grafen von Clarendon), und die beiden Töchter aus dieser Ehe, Maria und Anna, nahmen, die erste als Gemahlin Wilhelms III. und Mitregentin, die zweite als alleinregierende Königin, den Thron [* 17] von England ein.
Erst das deutsche Haus Hannover [* 18] brachte das Princip der Ebenbürtigkeit auf den engl. Thron mit, das jedoch in der hohen Aristokratie nie zur Herrschaft gelangte. Ferner hat die Krone das ihr zustehende Recht, die Peerswürde zu verleihen, von jeher dazu benutzt, um teils Männer von Genie, Kenntnissen, Erfahrungen und Verdiensten um die geistige Größe des Landes, teils solche, welche bedeutende materielle Mittel erworben hatten, in die Reihen des hohen Adel zu versetzen.
Dazu kommt, daß auch das Amt des Lordkanzlers, welches seinem Inhaber den Sitz im Oberhause, sogar den Vorsitz darin, gewährt, meist an Männer aus dem Bürgerstande verliehen wird. Während so durch Heiraten wie durch neue Peersernennungen fortwährend bürgerliche Elemente den adligen zugeführt werden, verschmilzt auf der andern Seite vermöge der Einrichtung, wonach die Peerswürde nebst dem dazu gehörigen Grundbesitz jedesmal nur an den Erstgeborenen übergeht, der ganze männliche und weibliche Nachwuchs einer Familie aus dem hohen Adel vollständig mit dem niedern und dem Bürgertum, nicht bloß dem Rechte, sondern auch dem Namen nach. Der ¶
mehr
zweitgeborene Sohn eines Herzogs wird Marquis, die fernern Söhne rangieren in der sog. Gentry neben Baronets und Knights, Gelehrten, Künstlern, Advokaten, Bankiers, großen Kaufleuten u. s. w., und wenn sie auch gesellschaftlich einen etwas höhern Rang einnehmen, so bildet dieses doch keinen eigentlichen Standesunterschied. Die jüngern Söhne der drei ersten Adelsklassen führen den einfachen Familiennamen mit dem Lordstitel unter Beifügung des Taufnamens. -
Vgl. Gneist, und Ritterschaft in England (Berl. 1853);
ders., Das heutige engl. Verfassungs- und Verwaltungsrecht (2 Tle., ebd. 1857-60; Tl. 1 [in 2 Bdn.], 3. Aufl. 1883, 1884).
Ganz anders war die Entwicklung der Adelsverhältnisse auf dem Festlande, mit Ausnahme etwa der Niederlande [* 20] und Italiens, [* 21] wo der Adel auch zum Teil infolge der allgemeinen nationalen Schicksale dieser Länder den andern Klassen des Volks immerfort näher blieb. Am schroffsten dagegen sonderte er sich vom Bürgertum ab in Frankreich, etwas weniger anfangs in Deutschland, bis das franz. Beispiel auch hier Eingang fand. In Frankreich hatte es eine Zeit lang den Anschein, als ob und Bürgertum gemeinschaftlich in einer allgemeinen Vertretung (den états généraux) die Rechte des Landes gegen das Übergewicht der königl. Prärogative verteidigen sollten.
Allein das Königtum wußte den Adel an sich zu ziehen, ihn aus einem selbständigen, mitten im Volke stehenden Grundbesitzadel zu einem gefügigen, vom Volke losgetrennten Hofadel zu machen. Dabei hielt er alle die drückenden Privatvorrechte fest, welche ihn, zumal der kleinen ländlichen Bevölkerung [* 22] gegenüber, als ein dem Volke fremdartiges, feindliches Element erscheinen ließen. Der Grundsatz des Rassenunterschiedes, wonach der von anderm, edlerm Blute ist als das Volk, ward in seiner ganzen Schroffheit ausgebildet, proklamiert und bethätigt. Heiraten zwischen Adligen und Bürgerlichen, wenn schon durchs Gesetz nicht verboten, galten doch für Mißheiraten (mésalliances).
In Deutschland erhob sich auf den Trümmern der Gemeinfreiheit und einer starken Reichseinheit, die beide ungefähr gleichzeitig und aus den gleichen Ursachen zu Grunde gingen, die Übermacht und der Übermut des Adel. Im Reformationszeitalter sehen wir so ziemlich die letzten Spuren einer edlern, gemeinnützig-polit. Tendenz des in Bezug auf das Ganze in den Bestrebungen eines Teils der Reichsritterschaft für Herstellung einer zeitgemäßen, insbesondere die verschiedenen Stände und ihre Sonderinteressen einander mehr annähernden Reichsverfassung, in den Einzelstaaten in dem von dem Adel, gemeinsam mit dem Bürgertum, durch das Organ der Landtage teilweise mit großer Hingebung und Opferfreudigkeit unternommenen Kampfe für polit. und Glaubensfreiheit.
Später hört dies mehr und mehr auf. Der in den prot. Ländern durch die Aufhebung der geistlichen Pfründen um die Mittel der Versorgung seiner jüngern Söhne gebracht, fast allerwärts infolge der Herabdrückung der Stände in Ohnmacht und in Abhängigkeit von der fürstl. Gewalt, in seiner bisherigen, wenigstens zum Teil volkstümlichen Wirksamkeit beschränkt, suchte Ersatz und Entschädigung im Hofdienste und nahm allmählich alle Hofämter in Besitz. Der Grundsatz der Ebenbürtigkeit tritt in seiner vollen Strenge (selbst beim hohen Adel) erst im 17. Jahrh. auf.
Das Streben des deutschen wie des französischen Adel ging insonderheit seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges unablässig dahin, einerseits für seine Personen und Güter eine Ausnahmestellung und Befreiungen von dem für die andern Klassen gültigen Gemeinen Recht, andererseits über die Hintersassen auf seinen Gütern eine möglichst ausgedehnte Gewalt zu erlangen. Für seine Person und Familie Steuerfreiheit, Freiheit von der Konskription, besonderer Gerichtsstand, Bevorzugungen im Hof-, Civil- und Militärdienste, sodann allerhand gesellschaftliche Auszeichnungen (Recht der Haustrauung, der unbeschränkten Zahl von Paten bei Taufen u. s. w.), für seine Güter Patrimonialgerichtsbarkeit, Patronatsrecht, Jagdrecht auf fremder Flur, Gutspolizei, endlich Schutzherrlichkeit über seine Gutsunterthanen mit allen den dazu gehörigen Rechten auf seiten des Herrn, dagegen mit Diensten und Lasten auf seiten der Unterthanen u. s. w.: dies war die bisweilen ins Ungemessene ausgedehnte Summe von Ausnahme- und Herrenrechten, welche der Adel auch in Deutschland, der große wie der kleine, nach und nach an sich riß.
In den meisten Ländern bildete der Adel eine geschlossene, entweder durch ausdrückliche, von den Landesherren anerkannte Ordnungen oder doch durch sein gemeinschaftliches Auftreten auf den Landtagen als besonderer Stand, eng verbundene Korporation, welche den Zutritt fremder Elemente streng von sich abhielt. In Mecklenburg [* 23] ist bis auf die neueste Zeit die Aufnahme eines neuen Mitgliedes in den sog. «recipierten , den bestehenden Adelskörper, von der Zustimmung dieses letztern abhängig geblieben.
Lange Zeit sträubte sich der Adel heftig gegen den Übergang adliger, ritterschaftlicher Güter in bürgerlichen Besitz, und viele Landesfürsten glaubten, zur Erhaltung des Adel als Stand ein freilich nicht durchführbares Verbot dagegen erlassen zu müssen. Ebenso gab es viel Streit um die Zulassung nichtadliger oder neu geadelter Rittergutsbesitzer zu den Landtagen, und in manchen Ländern, z. B. Sachsen, [* 24] fand diese Zulassung nur unter Beschränkungen statt. Die noch ausgedehntern Vorrechte des hohen Adel, welche demselben nach Wegfall der eigentlichen Landeshoheit noch übrigblieben, waren im Art. XIV der Deutschen Bundesakte, der diese Rechte garantierte, folgendermaßen specialisiert: Ebenbürtigkeit mit den regierenden Häusern in Bezug auf Ehen;
Autonomie in Anordnung ihrer Familienverhältnisse und Disposition über ihre Güter,jedoch unter Oberaufsicht des Staats;
das Recht der Landstandschaft als sog. Standesherren;
privilegierter Gerichtsstand und Befreiung von aller Militärpflichtigkeit für sich und ihre Familien;
die Ausübung der bürgerlichen und peinlichen Gerichtspflege in erster, beziehentlich auch zweiter Instanz;
Forstgerichtsbarkeit;
Ortspolizei;
Aufsicht in Kirchen- und Schulsachen, alles unter Oberaufsicht der Landesregierung.
Auch dem ehemaligen bloßen Reichsadel (Reichsfreiherren, Reichsrittern) ward Autonomie, Landstandschaft, Patrimonial- und Forstgerichtsbarkeit, Ortspolizei, Kirchenpatronat, privilegierter Gerichtsstand zugesichert, jedoch nur nach Vorschrift der Landesgesetze.
In Frankreich hob die Revolution von 1789 nicht nur alle Vorrechte des Adel (die Deputierten des Adel selbst verzichteten darauf in der berühmten Nacht des 4. Aug.), sondern auch den Adel selbst als besondern Stand auf. Der Gebrauch adliger Titel, Wappen [* 25] u. s. w. ward verpönt. Napoleon I. schuf durch die Dekrete von 1806 und 1808 einen neuen Adel, zum Teil mit Majoraten. In dem ¶