Titel
Actio
(lat.), im jurist. Sprachgebrauche das Klagerecht. Als vollkommenes Privatrecht
galt bei den
Römern wie bei uns nur das, dessen
Anerkennung mit einer Klage durchgesetzt werden konnte.
Deshalb hieß Actio
nicht nur die gerichtliche Geltendmachung des
Rechts selbst (daher legis actio
die älteste Prozeßform),
sondern auch das mit der Eigenschaft solcher Realisierbarkeit begabte
Recht. In dieser letztern Bedeutung ist in unser heutiges
Rechtssystem übergegangen. Es wird, wenn von Actio
die Rede ist, eine klagbare Befugnis gemeint.
(S. auch
Anspruch.)
Das von den röm. Juristen entwickelte Aktionensystem liegt auch den heutigen Gesetzgebungen
zu
Grunde. Man hat zu unterscheiden 1) die Klagen, welche einen unmittelbar wirksamen Ausspruch des
Richters begehren. Zu diesen
gehören actio
die
¶
mehr
Präjudizialklagen hauptsächlich über Familienrechte. Der Richter soll aussprechen, ob dieses Kind ein eheliches Kind dieses Vaters ist; ob diese Ehe zu Recht besteht, oder ungültig ist. Ist solcher Anspruch rechtskräftig geworden, so wirkt er für immer, und in der Regel nicht bloß zwischen den Prozeßparteien, sondern für und wider die sämtlichen Familienglieder. (S. Rechtskraft.) b. Die Klagen auf konstitutive Urteile. Der Richter soll eine Ehe scheiden, eine gemeinsame Sache teilen (s. Adjudikation), ein Patent vernichten. Der rechtskräftige Ausspruch, welcher der Klage entspricht, bewirkt, daß die Ehe nicht mehr besteht, daß das Patent nicht mehr gilt, daß das Eigentum, welches dem einen von mehrern Miteigentümern zugesprochen ist, auf diesen übergegangen ist. Diese Rechtswirkung gilt natürlich nicht bloß zwischen den Parteien, sondern allgemein. c. Die Feststellungsklage (s. d.).
2) Leistungsklagen, welche Verurteilung des Beklagten zu einer Leistung oder Unterlassung fordern. Diese gruppieren sich nach den Rechten, welche die Klagen begründen. In dieser Beziehung giebt es Rechte, welche nur zwischen zwei einander gegenüberstehenden Parteien bestehen, die Forderungsrechte (s. d.) oder Schuldverhältnisse. Die Verletzung erfolgt hier regelmäßig nur von einer der durch das Verhältnis gegebenen Parteien. Danach ist nur zwischen diesen Parteien eine Klage gegeben, das ist die persönliche Klage.
Dieselbe findet auch außerhalb des Kreises der eigentlichen Schuldverhältnisse Anwendung, wenn nur persönliche Ansprüche zwischen zwei Parteien verfolgt werden. So auf Grund von Familienverhältnissen, wenn ein Verwandter von dem andern Unterhalt (s. d.) fordert, oder wenn von einem Ehegatten gegen den andern auf Herstellung des ehelichen Lebens geklagt wird; auf Grund eines erbrechtlichen Verhältnisses, wenn ein Vermächtnisnehmer gegen den Erben Ansprüche aus einem Testamente erhebt.
Von den persönlichen Klagen nehmen den bei weitem größten Raum die ein, welche auf eine vermögensrechtliche Leistung gehen. Sie lassen sich einteilen nach dem Umfang der Haftung. Das ist maßgebend auch nach andern Richtungen (Verjährungszeit, Übergang auf die Erben des Klägers). Am weitesten reichen α. die privatrechtlichen Strafklagen (s. Pönalklagen); auf seiten des Beklagten fordern sie einen reinen Vermögensverlust, auf seiten des Klägers erstreben sie eine Vermögensvermehrung als Genugthuung für eine Verletzung der Persönlichkeit, die nicht das Vermögen oder über dieses hinaus auch die Person trifft.
Sehr zu Unrecht hat sie das heutige Recht immer mehr aufgegeben, indem es wegen strafbarer Handlungen nur noch auf öffentliche Strafe erkennt, wenn schon in manchen Fällen nur auf Antrag des Verletzten. Aber zu Recht bestehen noch in einem großen Teil Deutschlands [* 3] die vom Deutschen Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs aufgegebenen Ehescheidungsstrafen (s. d.); ferner treten die Strafklagen da in die Erscheinung, wo unter dem Namen des Schadenersatzes auf mehr als auf den Vermögensschaden erkannt wird, so bei dem zugesprochenen Affektionsinteresse (s. d.) oder wenn dem Urheber eines dramatischen u. s. w. Werkes der Bruttoertrag der unerlaubten Aufführung zugesprochen wird (Reichsgesetz vom §§. 54, 55). β. Die Klagen auf Schadenersatz (s. d.) wegen schuldhafter Verletzung des Klägers, sei es durch Delikt (s. d.), sei es wegen unterlassener Erfüllung vertragsmäßiger oder quasikontraktlicher Verbindlichkeit (s. d.), sofern in letzterm Falle Schadenersatz statt der Erfüllung gefordert wird.
Der Schadenersatz ist zu leisten, unabhängig, ob Beklagter einen entsprechenden Vorteil hat, die Leistung ist also in der Regel mit einem Vermögensverlust verbunden; die Klage soll dem Gläubiger aber in der Regel nur Ersatz geben für das, was er verloren hat und was er gewonnen haben könnte. γ. Die Klagen auf einfache Erfüllung der in einem Vertrage übernommenen oder durch ein Rechtsgeschäft (z. B. Testament dem Erben) auferlegten Verbindlichkeit oder der Verbindlichkeit aus einem Quasikontrakt.
Auch in diesen Fällen kann neben der Erfüllung Schadenersatz wegen verzögerter Erfüllung begehrt werden. Die Erfüllung kann in einem Thun oder in einem versprochenen Unterlassen bestehen. δ. Den geringsten Umfang der Haftung haben die Verbindlichkeiten auf Rückgewähr dessen, was ohne Rechtsgrund in das Vermögen des Beklagten gekommen ist, z. B. wenn der Kläger von dem Beklagten zurückfordert, was er irrtümlich gezahlt hat, obwohl er gar nichts schuldete. Der Beklagte haftet, wenn ihn hierbei kein Verschulden traf, nur auf das, was er hat und ohne Schaden an seinem Vermögen zurückgeben kann. Das ist der gewöhnliche Fall der Kondiktionen (s. d.).
Nun giebt es aber absolute Rechte. Während die persönlichen oder obligatorischen Rechte, die Hauptquelle der persönlichen
Klagen, unmittelbar auf Leistungen des dem Gläubiger gegenüberstehenden Schuldners gerichtet sind, haben die absoluten Rechte
Sachen oder Verhältnisse zum Gegenstand, welche der Berechtigte unmittelbar genießt. Das absolute Recht giebt gegen
jeden Dritten, welcher das Recht verletzt, eine Klage, das ist die dingliche Klage (actio
in rem).
Sie kann gerichtet sein auf Unterlassung von Störungen, bei verschuldeten Störungen auf Schadenersatz (so weit ähnlich den Deliktklagen); das ist die Negatoria (s. d.). Sie kann gerichtet sein auf Zurückgabe des Gegenstandes, das ist die Vindikation (s. d.). Auch die Vindikation geht außerdem auf Nebenleistungen (Früchte u. s. w.), und der Umfang dieser Nebenleistungen ist erweitert, wenn sich der Beklagte im Verschulden befindet. α. Die eine Klasse von absoluten Rechten, welche die dingliche Klage erzeugen, sind die Sachenrechte, auch dingliche Rechte genannt, z. B. das Eigentum (s. d.). β. Eine andere Klasse sind die unter dem Namen des geistigen und gewerblichen Eigentums zusammengefaßten: das Urheberrecht (s. d.), das Recht des patentierten Erfinders (s. Patent), das Recht auf die kaufmännische Firma (s. d.), auf das eingetragene Warenzeichen (s. Marke), auf die eingetragenen Muster und Modelle (s. Gebrauchsmuster und Musterschutz). γ. Eine dritte Klasse bildet das Recht des Erben (s. d.). δ. Endlich kann auch das Familienrecht eine dingliche Klage erzeugen. So kann der Hausvater die Herausgabe seines Kindes von jedem Dritten fordern, welcher dasselbe widerrechtlich zurückhält. Verwandt der dinglichen Klage ist die Besitzklage (s. d.), soweit sie gegen Störungen gerichtet ist.
Eine Menge Specialklagen werden noch heute technisch mit Namen bezeichnet, welche den röm. Rechtsquellen
oder der wissenschaftlichen Behandlung des röm. Rechts entnommen sind: Actio
doli ist die Klage auf Schadenersatz wegen Betrugs
oder Arglist, Actio
confessoria die Klage aus einem Dienstbarkeitsrecht, de in rem verso aus einer nützlichen
¶
mehr
Verwendung in das Vermögen des Beklagten, de pauperie die Klage gegen den Eigentümer eines Tieres, welches durch eine dieser
Tiergattung nicht natürliche Wildheit beschädigt hat, de recepto gegen Wirte und Schiffer, welche Personen mit ihren Sachen
aufgenommen haben, auf Ersatz der dem Gast abhanden gekommenen Sachen, Actio
depositi auf Rückgabe
hinterlegter Gegenstände, Actio
emti, Klage des Käufers auf Erfüllung, Actio
exercitoria, Klage gegen den Reeder aus den Verträgen
des Schiffers, Actio
institoria, Klage gegen den Geschäftsherrn aus den Verträgen des Faktors, welchen er zum Gewerbebetrieb
bestellt hat, Actio
furti, Klage gegen den Dieb, Actio judicati, Klage aus dem rechtskräftigen
Urteil auf dessen Vollstreckung, Actio
legis Aquiliae, auf Schadenersatz wegen Sachbeschädigung oder Körperverletzung, Actio
mandati,
aus dem Auftrag, Actio
negotiorum gestorum, aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag, Actio
negatoria, s. Negatoria, Actio
pauliana,
die Anfechtungsklage der Gläubiger wegen betrügerischer Veräußerungen ihrer Schuldner, Actio publiciana, Klage des redlichen
Erwerbers, welcher nicht Eigentümer geworden ist, Actio quanti minoris, Klage des Käufers gegen
Verkäufer wegen Mängel auf Preisminderung, Actio redhibitoria, auf Auflösung aus demselben Grunde, Actio venditi, die Klage des
Verkäufers auf Erfüllung.
In anderer Zusammensetzung wurden gewisse Klassen von Klagen bezeichnet: Actio adjectitiae qualitatis, Klage gegen den Vater auf Handlungen seines Sohnes (z. B. Actio quod jussu, Klage aus einer Anweisung des Vaters, dem Sohn zu kreditieren, de peculio u. s. w.), Actio utilis, Klage, welche einem andern Rechtsverhältnis nachgebildet ist, in einem Falle, welcher nicht genau darunter paßt, in factum, Klage, bei welcher ein Thatbestand ohne technische Bezeichnung in die Formel aufgenommen war.
Actio nata bezeichnet den bei jeder Klage vorkommenden Zustand, daß der Berechtigte Veranlassung hat zu klagen, also die Forderung ist fällig, der Eigentümer ist verletzt. Von da ab läuft die Verjährung.