Acht
(althochdeutsch âhta, d. i. feindliche Verfolgung) oder Bann (althochdeutsch pan, ban, d. i. Befehl oder Gebot bei Strafandrohung, dann Gerichtsbarkeit, z. B. der Blutbann, d. h. Recht über Leben und Tod, latinisiert bannus, bannum; s. auch Bann). Nach dem ältesten german. Rechte gilt nicht nur das Verbrechen für einen Friedensbruch, sondern auch die Weigerung, vor Gericht Recht zu geben und zu nehmen. In den meisten Fällen konnte man sich durch Erlegung einer Vermögensbuße an den Geschädigten und die Gemeinde gewissermaßen in den Frieden wieder einkaufen, bei schwerern Verbrechen jedoch wurde der Friedensbruch ein unheilbarer, und es erfolgte die Ächtung, d. h. die Ausstoßung des Friedensbrechers aus der Rechtsgenossenschaft.
Der Verbrecher wurde vom
Richter feierlich aus dem Frieden gesetzt und wie ein jagdbares
Tier ohne Schutz und
Recht der
Rache
seines Feindes (der geschädigten Genossenschaft) preisgegeben. Daher die Bezeichnungen
Wolf (Wargus), Wolfshaupt für einen
Geächteten
(Ächter). Mit weniger entschiedener Wirkung trat die Acht
aber auch schon dann ein, wenn
das
Verbrechen zwar eine
Sühne durch
Geld zuließ, der Verurteilte aber nicht vor Gericht erschien oder die auferlegte
Buße
nicht zahlte.
Allmählich kam die Acht
als
Strafe für schwerere
Verbrechen fast ganz in Wegfall, so daß sie zur Zeit der deutschen
Rechtsbücher
des spätern Mittelalters
(Sachsen- und Schwabenspiegel)
nur für diejenigen
Verbrechen verhängt wurde,
welche den Friedensverein als solchen verletzten (Landfriedensbruch). Die Acht
im zweiten Falle, in ihrer Anwendung
als prozessualisches Zwangsmittel, gewinnt dagegen um diese Zeit eine größere
Ausdehnung.
[* 2] Der Sachsenspiegel unterscheidet
hier zwischen und
Verfestung; die erstere geht vom König aus, letztere vom Gericht.
Die
Verfestung (einfache Acht
) erfolgte auf die Weigerung des eines schweren
Verbrechens Angeklagten, vor Gericht Rede zu stehen,
sei es nun, daß er auf die gewöhnliche Ladung nicht erschienen, oder daß er zwar erschienen, aber dingflüchtig geworden
war, oder daß er endlich bei handhafter That die Flucht ergriffen hatte. Blieb er nach der dritten
Vorladung
aus, so mußte der Kläger die That «selbsiebent» (mit sieben Zeugen) bezeugen,
worauf der
Richter die
Verfestung aussprach.
Jedermann konnte jetzt den Verfesteten (Geächteten) gefangen nehmen und an den
Richter abliefern, auch denselben, für den
Fall, daß er sich der Gefangennahme wehrte, ungestraft töten. Der Verfestete entbehrte ferner der gerichtlichen
Rechte sowie des Rechtsschutzes und durfte von niemand gehaust noch gespeist werden. Ward er gefangen eingebracht
, so
verlor er das
Recht auf den Unschuldseid. Dagegen wurden dem Verfesteten seine Vermögensrechte nicht entzogen; auch erstreckte
die
Ächtung ihre Wirkungen immer nur auf den
Bezirk des Gerichts, von welchem sie ausging.
Doch konnte ein höheres Gericht und in letzter Instanz selbst der König angegangen werden, die Wirkungen auf einen ausgedehnten
Bezirk, ja selbst auf
die Grenzen
[* 3] des
Landes (Landesacht
) auszudehnen. Die Wirkungen der Acht
hörten auf, sobald der Geächtete
sich freiwillig vor Gericht stellte, wozu ihm auf Begehren freies Geleit bewilligt werden mußte. Wenn
in diesem Falle der Verfestete für sein persönliches Erscheinen auf dem Gerichtstage keine
Bürgen aufbringen konnte, mußte
er bis dahin in Haft bleiben. Hatte aber ein Geächteter binnen Jahr und
Tag nicht seine Unschuld bewiesen und sich aus der
Acht
gezogen, so wurde auf neuen
Antrag des Klägers die zweite strenge oder vollständige Acht
(Aberacht oder
Oberacht
) gegen ihn ausgesprochen, welche in gänzlicher Schutz- und Rechtlosigkeit bestand, bürgerlichen
Tod, Eröffnung
der
Lehen,
Auflösung der
Ehe und Vogelfreiheit nach sich zog. Wer einen Geächteten schützte, fiel ebenfalls in die Acht.
Die Reichsacht (bannum imperii) und des Reichs Oberacht, die der Kaiser selbst aussprach, waren dadurch ausgezeichnet, daß ihre Folgen sich über das ganze Reich erstreckten, und daß sie selbst mächtige Fürsten und Große trafen. Die Grundsätze der deutschen Rechtsbücher über die Acht sind zwar durch eine Reihe von Reichsgesetzen bestätigt und weiter ausgeführt, sowie auch mit mancherlei Modifikationen noch bis in spätere Zeit von den Femgerichten festgehalten worden, doch mußte das Institut mit dem, was sich daran knüpfte, in neuerer Zeit dem modernen Staatsbegriffe weichen.
Die Reichsgesetzgebung hat sich noch bis zum 18. Jahrh. mit der Acht beschäftigt, und erst mit der Wahlkapitulation Karls VI. (1711) kam ein langjähriger Kompetenzstreit in Bezug auf die Acht zum Austrag. Wahrend bis dahin zuweilen der Kaiser, zuweilen aber auch der Kaiser und die Kurfürsten die Acht ausgesprochen hatten, mußte sich nunmehr der Kaiser verpflichten, zu jeder Reichsacht vorher die Genehmigung der Stände einzuholen. Seitdem konnte auch keine Reichsacht mehr in Vollzug gesetzt werden.
Unter den frühern Fällen von Ächtungen sind hervorzuheben: die des Herzogs Heinrich von Bayern [* 4] (976), Heinrichs des Löwen [* 5] (1180), des Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach (1208), Luthers (1521), des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen [* 6] (1540), des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz mit seinen Bundesgenossen (1621). Die letzten eigentlichen Achtserklärungen waren 1706 die gegen den Kurfürsten von Bayern und dessen Bruder, den Kurfürsten von Köln, [* 7] welche auch nach dem 1702 gegen Frankreich erklärten Reichskriege von der Verbindung mit dieser Macht nicht abgelassen hatten. Die Reichsacht gegen Friedrich d. Gr. (1758) scheiterte an dem Widersprüche der Reichsstände. (S. Kirchenbann.) - Im engl. Rechte haben sich noch Reste des mittelalterlichen Achtprozesses erhalten in dem mit schweren Nachteilen verbundenen judgment of outlawry (bei Männern) und waiver (bei Frauen) im Falle des Ungehorsams gegen mehrfach wiederholte öffentliche Ladungen.